Diskussion:Gustav Hartwig

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[Bearbeiten] Zeitgenössische Nachrufe

(…) Mit Baumeister Hartwig ist eine hartumstrittene Persönlichkeit von hinnen gegangen. In den Kreisen seiner politischen Parteifreunde wie der Deutschen Grund- und Hausbesitzer-Vereine, deren Zentralverband er lange Jahre vorstand, fand er reiche Anerkennung, während ihm in anderen Kreisen infolge seiner starken Kampfesnatur zahlreiche heftige Gegner erwachsen mussten. Hartwig war am 15. Dezember 1839 in Unkersdorf bei Wilsdruff als Sohn des dortigen Schullehrers geboren und kam als Jüngling nach Dresden, um hier das Zimmerer- und Maurerhandwerk praktisch zu erlernen. Er besuchte die Baugewerkenschule und das Königl. Polytechnikum und ließ sich später in Chemnitz als Baumeister nieder. In den 60er und 70er Jahren hat er vielfach größere Eisenbahnbauten ausgeführt und unter anderem auch die Fürstenschule St. Afra in Meißen erbaut. Ende der 70er Jahre siedelte er wieder nach Dresden über und trat im Jahre 1882 in das hiesige Stadtverordnetenkollegium ein, welchem er seitdem mit kurzer Unterbrechung bis zum Jahre 1902 angehörte. Viele Jahre war er Vorsitzender des Verwaltungsausschusses der Stadtverordneten und begleitete seit dem Jahre 1898 das Amt eines Vizevorstehers dieses Kollegiums. Am 20. November 1902 erfolgte seine Wahl zum Stadtrat mehr oder weniger gegen seinen Willen, denn er fühlte richtig, daß er mit dem Eintritt in den Rat seiner eigenen Sphäre, dem öffentlichen Kampfe, entrückt würde. Am 2. Januar 1907 wurde er als Stadtrat nach erfolgter Wiederwahl neu verpflichtet, aber bereits am 16. Januar desselben Jahres legt er dieses Amt infolge ärgerlicher Vorgänge, in die er verwickelt war, nieder. In den 70er Jahren war Baumeister Hartwig auch Mitglied der Zweiten sächsischen Ständekammer als Vertreter eines vogtländischen Kreises, und in den Jahren 1884 bis 1887 vertrat er den Wahlkreis Dresden-Altstadt im Reichstage, in dem er gegen Bebel gewählt worden war. Ganz zweifellos war Hartwig eine Persönlichkeit von hervorragender natürlicher Begabung. Ausgerüstet mit einer verhältnismäßig bescheidenen Schulbildung als Grundlage verstand er es, sich in die verschiedensten Materialien einzuarbeiten und mit Hilfe einer klaren Darstellung seine Vorträge und Referate fesselnd und überzeugend zu gestalten. Bei der Vielseitigkeit der Aufgaben, die ihm namentlich in seiner Eigenschaft als redebedürftiger Stadtverordneter, dem der Kampf ein unabweisbares Bedürfnis war, erwuchsen, hat er, unbeschadet der Schwächen, die ihm anhafteten, oftmals doch auch die stille Bewunderung von Fachleuten errungen, ja, man konnte es ihm nicht absprechen, daß er während einer gewissen Periode, gestützt auf eine große Anhängerschaft, im Kollegium eine dominierende Stellung einnahm. Weniger Erfolge waren ihm in seiner Eigenschaft als Landtags- und Reichstagsabgeordneter beschieden, ja als letzterer hing ihm dauernd ein Fiasko, an, welches er sich beim Eingreifen in eine Kolonialdebatte zugezogen hatte. Was ihm aber in den Augen vieler seiner Mitbürger und sonstigen Bewundere am meisten schadete, war seine rücksichtslose Kampfesweise, die vielfach nicht sachlich blieb, sondern auch den Gegner persönlich schwer verletzte. Es sei hier nur an die bitteren Auseinandersetzungen erinnert, die er in den 80er Jahren mit Mitgliedern des Rates und später mit dem Vorsteher des Stadtverordnetenkollegiums, Geh. Hofrat Ackermann, hatte und die starken Ausschreitungen, welche er in seinen Kämpfen sich zu schulden kommen ließ, brachten es leider dahin, daß er sich in der letzten Zeit seiner öffentlichen Wirksamkeit von vielen seiner früheren Freunde verlassen sah.

(Quelle: Dresdner Nachrichten, 26. Februar 1908, S. 3)


Leberecht Hartwig ist im Alter von 68 Jahren gestorben. In ihm ist eine bekannte und markante ehemalige Dresdner Lokalgröße aus dem Leben geschieden. Es dürfte selten Leute geben, die so skrupellos und rücksichtslos ihre Interessen und die ihrer engeren Kaste vertreten, wie das Hartwig auf dem Gebiete der Kommunalpolitik getan hat, auf die lange Zeit zum Schaden der großen Mehrheit der Dresdner Einwohner großen Einfluß ausübte. 1882 trat er in das Stadtverordnetenkollegium ein, dem er bis 1902 mit nur einjähriger Unterbrechung angehört hat. Als Vorsitzender des Zentralverbandes deutscher Haus- und Grundbesitzer sah er vornehmlich seine Aufgabe darin, deren Interessen, die zugleich seine eigenen waren, energisch zu vertreten und zu fördern. In der Wahl der Mittel war er dabei weitherzig bis zum Skandal. Das ist ja allgemein bekannt. Hartwig war eine Streit- und Zanknatur; er wußte alles besser wie die anderen. Die Arbeiterbewegung hat er in rohester und täppischster Weise nach seiner Art bekämpft. 1902 wurde er gegen seinen Willen zum Stadtrat gewählt. Die Verhältnisse im Kollegium waren infolge seiner Streit- und Händelsucherei mit einigen inzwischen eingetretenen liberalen Elementen geradezu unhaltbar geworden. Und so entfernte man die beiden Antipoden, Hartwig und Dr. Heinze (den jetzigen Reichstagsabgeordneten), durch Wahl zu Stadträten aus dem Kollegium. Von da an war Hartwig ein toter Mann. Im Januar 1907 wurde er wieder gewählt, aber schon 14 Tage später legte er den Stadtratsposten „freiwillig“ aus plötzlich eingetretenen Gesundheitsrücksichten nieder. In Wirklichkeit lagen die Dinge so, daß er durch eine [Grundstücks]spekulations-Affäre sehr stark kompromittiert war. Wir haben diese Frage damals ausführlich behandelt, das Hartwigsche Organ, die Bürgerzeitung, schwiegt dazu. Wie uns bekannt ist, hat daraufhin die Kreishauptmannschaft Bericht eingefordert; das Ergebnis war, daß man Herrn Hartwig nahe gelegt hat, den Stadtratsposten zu [quittieren]. – Auch als Politiker hat er sich versucht. In den achtziger Jahren gehörte er eine Periode dem sächsischen Landtage an, und von 1884 bis 1887 vertrat er den Wahlkreis Dresden-Altstadt im Reichstage. Hier mengte er sich in eine Kolonialdebatte und hielt die [bekannt-kindliche] „Papierschnitzelrede“. – Den schlimmen Seiten der Persönlichkeit Hartwigs standen wenig gute gegenüber. Zu letztere gehörte eine gewisse Gradheit und Offenheit.


(Quelle: Sächsische Arbeiter-Zeitung, 26. Februar 1908, S. 6)


(...) Von 1884 bis 1887 gehörte Hartwig auch dem Reichstag als erstes Mitglied der Reformpartei an, doch war es ihm in der deutschen Volksvertretung nicht vergönnt, sich durch seine Tätigkeit Lorbeeren zu sammeln. Er hat vielmehr durch seine bekannte „Papierschnitzelrede“ dort Fiasko gemacht. In dem engeren Interessenkreise, den er bei seiner Wirksamkeit als Stadtverordneter zu vertreten hatte, gelang es ihm, sich bei seinem Anhang ein größeres Ansehen zu erwerben. Frei von altruistischen Schwächen vertrat er rücksichtslos nach seiner Auffassung die Interessen des Haus- und Grundbesitzes Als Vorstand des Dresdner Allgemeinen Hausbesitzervereins und Leiter des Verbandes der Deutschen Grundbesitzervereine wurde er im Kampf mit den Gegnern oft recht persönlich, wenn die sachlichen Argumente nicht mehr ausreichen wollten. Wenn ihm bei der Vertretung von Grundbesitzerinteressen ein Gegner in den Weg trat, so pflegte er gern, dessen Sachkenntnis anzweifeln und anderen das Wort zuzurufen: „Schuster bleibt bei deinem Leisten“. Ebenso rücksichtslos wie gegen die Gegner im Kollegium war er gegenüber verschiedenen Mitgliedern des Rates. Infolge seiner durch nichts gehemmten Energie hat sich Hartwig selbst bei Leuten, die nicht zu seinen Anhängern zählten, ein gewisses Ansehen erworben. und gestützt auf dieses Ansehen gelang es ihm, eine dominierende Stellung zu erlangen. Daß man in der Geschichte Dresdens von einer Aera Hartwig reden kann, die allerdings für Dresden nicht sehr vorteilhaft gewesen ist, und daß dem Hausbesitzerstande und dem nötigen aus nützlichen Auskommen zwischen Mieter und Vermieter die Hartwig-Politik wenig förderlich war, wird heute wohl nur noch von den Intimsten Hartwigs bestritten. Seine Reden in Eisenach und Frankfurt trugen nicht gerade zum Ruhm und Nutzen Dresdens, der Pensionopolis bei. Selbstverständlich stieß Hartwig bei seinen fortgesetzten Kämpfen auch auf energischen Widerstand bei den Gegnern, deren Angriffen er in der Debatte mit großer Gewandtheit zu begegnen oder – auszuweichen verstand. Wo er aber einen Gegner fand, der ihm überlegen war, da scheute er keine Mittel, diesen um jeden Preis unschädlich zu machen. Als Hartwig in diesem Bestreben die Wahl des damaligen Stadtverordneten Dr. Heinze zum Stadtrat betrieb, musste er es erleben, daß man auch ihn selbst wieder seinen Willen mit dieser Würde bedachte. Seit jener Zeit – seine Wahl zum Stadtrat erfolgte. Ende 1902 – war Hartwig so gut wie aus dem öffentlichen Leben ausgeschaltet. Da die Angriffe seiner Gegner aber trotzdem nicht aufhörten, legte er Anfang 1907, kurz nachdem seine Wiederwahl erfolgt war, sein Stadtratsamt aus Gesundheitsrücksichten nieder. Selbst von vielen seiner früheren Freunde sah er sich verlassen. Hartwig hat nur durch seine schroffe Kampfesnatur die Bewunderung seiner Anhänger erregt und Erfolge erzielt. Er hat seinem Anhang aber keine großen idealen Ziele zu stecken vermocht. Deshalb ging die Ehre Hartwig schon mit dem Aufhören der öffentlichen Wirksamkeit des Verstorbenen ihrem Ende entgegen.

(Quelle: Dresdner Neueste Nachrichten, 27. Februar 1908, S. 3)


Eine viel angefeindete Persönlichkeit, Herr Baumeister Gustav Hartwig, ist gestern nachmittag im 69. Lebensjahre nach längerer Krankheit infolge eines Schlaganfalls gestorben. Geboren in Unkersdorf bei Wilsdruff als Sohn des dortigen Schullehrers, arbeitet er sich aus kleinen Verhältnissen zum wohlhabenden Mann empor. In den 70er Jahren wurde er zum Landtagsabgeordneten im vogtländischen Wahlkreis Auerbach gewählt. Nach seiner Uebersiedelung nach Dresden trat er 1882 in das Stadtverordnetenkollegium ein, dem er 20 Jahre angehörte. Sehr viel hat ihm der Dresdener Grundbesitz zu danken. Er war bis zum vorigen Jahre Vorstand des Dresdener Allgemeinen Hausbesitzer-Vereins und Direktor des Verbandes der Deutschen Grundbesitzer-Vereine. Von 1887 bis 1890 gehörte er auch als Abgeordneter für Dresden Altstadt dem Reichstage als Mitglied an. Ende 1902 wurde er zum unbesoldeten Stadtrat gewählt, ein Amt, daß er anfangs 1907 in Folge ärgerlicher Vorgänge, in die er verwickelt wurde, niederzulegen genötigt war. Hartwig hat seinerzeit großen Einfluss auf die Stadtverwaltung ausübt und unter den Bürgern und Hausbesitzern eine große Anhängerschaft gehabt. Was ihm in den Augen vieler seiner Mitbürger und sonstiger Bewunderer am meisten schadete, war seine rücksichtslose Kampfesweise, die vielfach nicht sachlich blieb, sondern auch den Gegner persönlich schwer verletzte.

(Quelle: Sächsische Volkszeitung, 27. Februar 1908, S. 2)

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