Erasmus Schmidt
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- Juli 1794: Aufstand der Dresdner Schneidergesellen, ausgelöst durch die Verhaftung von Erasmus Schmidt[1][2][3]
- "Es begann damit, daß etwa 300 Schneidergesellen die Arbeit niederlegten aus Protest gegen ihre Rechtlosigkeit und soziale Notlage. Da uns kein Advokat dienen will ... Anlass dazu war ein Streit zwischen dem Schneidermeister Wismann und einem seiner Gesellen namens Erasmus Schmidt, der zu den Deputierten der Gesellenbrüderschaft gehörte und von Wismann verhindert wurde, an einer Deputiertenversammlung teilzunehmen. Es kam zu einem heftigen Wortwechsel. Schließlich warf der Meister den Gesellen zur Werktür hinaus. Schmidt beschwerte sich darüber beim Stadtrat, der ihn dafür zwei Tage in Arrest setzte. In einer Genugtuungsforderung der Gesellen an den Kurfürsten heißt es: 'Unser Vortrag ist die Sprache unseres Herzens, und da uns kein Advokat dienen will, so haben wir selbst die Feder ergriffen, um dem Rat Verantwortung abzufordern ...' Daraufhin legten alle Schneidergesellen die Arbeit nieder und erklärten, daß sie solange die Arbeit nicht wieder aufnehmen würden, bis ihnen Genugtuung geschehen sei. Der Stadtrat und die Regierungsbehörde aber antworteten mit Gewalt. Das Militär besetzte die Schneiderherberge, in der sich die Streikenden versammelt hatten, und gingen nach nochmaligen einmütigen Protest der Gesellen zu Verhaftungen über. In dunkler Nacht wurden annähernd 300 Schneidergesellen, in kleine Trupps aufgeteilt, nach dem 'Gewandhaus' und der 'Fronfeste' in Arrest gebracht. Eine geschlossene Streikfront entstand Doch da geschah etwas, woran die reaktionären Gewalthaber nicht gedacht hatten: etwa 4.000 Gesellen der übrigen Handwerke erklärten sich mit den Verhafteten solidarisch und stellten die Arbeit ein. Die Maurer und Schmiede, Schlosser und Zimmerleute, Schuster und Sattler, Tapezierer und Perückenmacher streikten. Da sich auch die Bäcker-, Fleischer- und Brauergesellen dem Streik anschlossen, mußten Lebensmittel vom Dorfe hereingeholt werden. Die ganze Stadt war wie aus dem Häuschen. Vor allem die Gefängnisse, in denen sich die Schneider befanden, waren von einer erregten Menschenmenge umgeben, die durch Rufen und heimliches Zuführen von Nahrung und Getränken eindeutig für die Gesellen Partei ergriff. Die 'Fronfeste' wurde sogar erbrochen und die Wache überrumpelt. Die in Furcht und Schrecken versetzten Behörden sahen sich nach Militärverstärkung um. Und da kamen sie auch schon auf dem Altmarkt und auf anderen Plätzen an, in voller Kriegsbereitschaft, mit Kavallerie und Kanonen ausgerüstet. Bei der Schuster-, Schmiede- und Maurerherberge kam es zu blutigen Zusammenstößen. Wilde Gerüchte von einem allgemeinen Volksaufstand in anderen Städten gingen um. Dresden würde bald in Flammen aufgehen usw. Inzwischen waltete die reaktionäre feudale Justiz ihres Amtes. Einzeln verhörten die Richter die Gefängnisinsassen. Einem jeden Gesellen hielte sie vor, daß er den Bürgerrechts- und Meisterrechtsanspruch auf immer verlieren würde und auf Jahre ins Gefängnis käme, wenn er nicht in Kürze sich zu seiner Arbeit zurückbegebe. So voneinander getrennt, eingeschüchtert und bedroht, wurden die meisten unsicher. Nach ungefähr fünftägigem Streik fanden sich viele Gesellen wieder bei ihren Meistern ein. Einige aber weigerten sich und forderten eine erneute ordentliche Rechtsprechung. Doch sie wurden abgeurteilt und mußten ihre Kampfentschlossenheit für ihre gerechte Sache mit schweren Zuchthausstrafen büßen. Der Feudalismus hatte abgewirtschaftet Trotz des Sieges der reaktionären Machthaber, der nur durch blutige Unterdrückung und durch die Isoliertheit des Kampfes der Unterdrückten möglich war, hinterließ der Dresdner Gesellenstreik einen gewaltigen Eindruck. Die Gesellen aller städtischen Handwerke hatten in einer bis dahin in Sachsen nicht vorgekommenen Solidaritätsaktion ihre Interessen gegenüber einer scheinbar übermächtigen reaktionären Staatsgewalt vertreten. Während bis zu diesem Zeitpunkt die Gesellenunruhen in Dresden einen begrenzten zünftlerischen Charakter trugen, geschah es hier zum ersten Mal, daß die Gesellen ihre engen Zunftinteressen überwanden, sich ihrer gemeinsamen Ausbeutung und Unterdrückung bewußt wurden und geschlossen kämpften. Blitzartig beleuchteten die Dresdner Geschehnisse die soziale Lage der Handwerksgesellen in dieser Zeit. Das feudale Zunftwirtschaftssystem war morsch und krachte in allen Fugen. Die von staatlicher Seite vorgeschriebene Zunftordnung ließ eine freie Entwicklung des Handels nicht zu. Der Markt konnte nicht mehr befriedigt werden. Die hohen Abgaben der Zünfte an den feudalen Staat versuchten die Meister dadurch auszugleichen, daß sie die Gesellen ausbeuteten und sie durch alle möglichen Schikanen daran hinderten, Meister zu werden." Alfred Opitz: Sie erhoben sich wie ein Mann. Mächtiger Streik der Dresdner Handwerksgesellen im Jahre 1794, in: "Sächsische Zeitung" vom 10. Dezember 1953.
[Bearbeiten] Einzelnachweise
- ↑ Alfred Opitz: Sie erhoben sich wie ein Mann. Mächtiger Streik der Dresdner Handwerksgesellen im Jahre 1794, in: "Sächsische Zeitung" vom 10. Dezember 1953 Online
- ↑ 2.1.3-C.XVII.84 Den von den Schneidergesellen allhier gemachten Aufstand, welchem Gesellen anderer Innungen beigetreten, und die deshalb getroffenen Vorkehrungen, s. w. d. a. betreffend, auch die Instruction für die Herbergsväter. Ergangen vor dem coram Commissione., 1794- (Archivalieneinheit) http://archiv.dresden.de/detail.aspx?ID=2699022
- ↑ Den von den Schneidergesellen allhier gemachten Aufstand, welchem Gesellen anderer Innungen beigetreten, und die deshalb getroffenen Vorkehrungen, s. w. d. a. betreffend, auch die Instruction für die Herbergsväter. Ergangen vor dem coram Commissione., 1794 - 2.1.3-C.XVII.84