Heiliger See (Glomuci)
Der Heilige See Glomuci (später Baalscher See und Paltzscher See) war ein Heiliger See der Elbsorben und das sakrale Zentrum (Hauptheiligtum) der Glomaci (in [ost]fränkischen Quellen Daleminzier). Er war ein offener Quellbrunnen/ -teich bei Lommatzsch-Paltzschen, der durch den Bau der Bahnstrecke Riesa–Nossen (1875 bis 1880) trocken fiel.
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[Bearbeiten] Hauptheiligtum der Glomaci
Die Hauptheiligtümer der Elbsorben waren von Fließgewässern gespeiste Seen, neben dem Heiliger See Glomuci auch der Heilige See Nisani der Nisaner. Auch der Queckborn speiste in altsorbischer Zeit einen See, den Porogi (auch: Pologi) oder Geburtssee. Ein Bad in diesem See sollte die Fruchtbarkeit der Frauen erhöhen. Auch das Trinken des Wassers wurde als fruchtbar und heilsam angesehen. Weiter entfernt gab es den Heiligen See Göttwitz bei Mutzschen. Lokalhistoriker vermuten einen Zusammenhang mit dem verschwundenen Fluss Orechnovna, der dem Muldesystem zuzuordnen war.[1] Die Bezeichnung "quarum prima Musitscin" kann auf das slawische "mysbcani" hinweisen (= "Leute auf der kleinen hervorragenden Höhe, welche von einem Wasser umflossen wird"). Die heutige Bezeichnung Mutzschener Wasser ist ein Hinweis auf den verschwundenen Fluss Orechnovna.
[Bearbeiten] Der Wundersee zu Lommatzsch
Johann Georg Theodor Grässe ( * 31. Januar 1814 in Grimma; † 27. August 1885 in Niederlößnitz) schreibt in der Sage Der Wundersee zu Lommatsch:
- Etwas über eine Meile von der Elbe und eine halbe Stunde von der Stadt Lommatsch befand sich früher ein Brunnen, der durch seinen Abfluß eine Art Teich bildete und Glomuczi oder Glomaci genannt ward und mit dem jetzigen Poltzschner See identisch sein soll. Bei diesem versammelten [84] sich in den Zeiten des Heidenthums die Bewohner jenes Theils des heutigen Sachsens, die Daleminzier, jedes Jahr und faßten hier ihre politischen Beschlüsse, stellten hier auch ihre Gottheiten auf, und so kam es, daß häufig zur Verehrung derselben hierher gewallfahrt ward. Man hatte nämlich bemerkt, daß, wenn Friede im Lande und ein fruchtbares Jahr bevorstehe, auf der Oberfläche des See’s Weitzen, Hafer und Eicheln herumschwammen, wenn aber ein Krieg im Anzuge war, dann zeigte sich statt desselben Blut und Asche. Noch lange Zeit aber nach Einführung des Christenthums sollen die Bauern in der Umgegend diesem See mehr Glauben geschenkt haben, als einem christlichen Gebete in der Kirche. Von diesem Teiche sollen aber die Brunnen von Altlommatsch ihr Wasser und die Stadt selbst (früher Glomaci genannt) ihren Namen erhalten haben, und sonderbar ist es allerdings, daß derselbe weder Zu- noch Abfluß hat, und er bei anhaltenden Regen eher kleiner als größer wird, wogegen er bei großer Trockenheit desto mehr Wasser hat und die nahe gelegenen Felder überschwemmt. Des Nachts schwärmen in seiner Nähe viele Irrwische herum, und es soll überhaupt nicht recht geheuer da sein. (Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen, Band 1. S. 83-84.)
Desweiteren führte er aus:
- Aehnlich war der heilige See zu Mockritz bei Dresden, der jetzige Mühlteich, den die slavischen Priester ebenfalls zu Orakeln benutzten. Ein ähnliches Wunder erzählt übrigens schon Aristoteles (Mirab. Auscult. p. 541) von dem Bacchustempel im Lande der Bisalten.
[Bearbeiten] Glomuci in der sorbisch-orthodoxen Kirche
Für gleich mehrere sorbisch-orthodoxe Lokalheilige war der See Glomuci, an dem die Glomaci Idole ihrer Götter aufstellten, ein Ort der Abgötterei und wurde deswegen mit den Höhen der Bibel verglichen.
So verteufelte Gregor von Bresnice, der Priester der Marienkirche Bresnice (Briesnitz) (884 bis 886 und 902 bis zu seinem Tod als Märtyrer) nicht nur die in seinen Augen heidnischen priesterlichen Handlungen in Nisan am Heiligen See Nisani, sondern auch die am Heiligen See Glomuci (er wurde in Glomaci geboren).
Auch sein Nachfolger als Priester, Gorazd von Bresnice (Priester 886 bis 898), übernahm diese Ablehnung heidnischer (animalistischter) Bräuche.
[Bearbeiten] Baalscher See
Im Volksmund wurde er nach dem christlichen Dämon Baal Baalscher See genannt. Der Dämon Baal geht auf den westsemitischen Baʿal (= Herr, Meister, Besitzer, Ehemann, König oder Gott) zurück, der gewöhnlich den obersten Gott des örtlichen Pantheons bezeichnet.[2] Der Baalskult hat somit auch Eingang in die Bibel gefunden, so schon in 4 Mose 25,3. Der christliche Dämon Baal besaß drei Köpfe. Hier findet sich eine Anlehnung an slawische Götterfiguren, die oft dreiköpfig (oder fünköpfig) waren. Baal hatte angeblich die Kraft, diejenigen, die ihn anrufen, unsichtbar zu machen, was bei der Ausübung des heidnischen Kultes als großer Vorteil angesehen wurde. Nach den Capitulatio de partibus Saxoniae, die in ähnlicher Form auch bei der Osterweiterung des Ostfrankenreiches galten, standen auf eine ganze Reihe von heidnischen Bräuchen die Todesstrafe.
- "Sterben soll, wer Heide bleiben will und unter den Sachsen sich verbirgt, um nicht getauft zu werden oder es verschmäht, zur Taufe zu gehen."
- "Todesstrafe erleidet der, der nach heidnischem Brauch Leichen bestattet, indem er den Körper den Flammen preisgibt."
- "Sterben soll, wer die vierzigtägigen Fasten vor Ostern in Verachtung des christlichen Glaubens bricht und Fleisch ißt."
Außerdem sollten die Anhänger des alten Animalismus der Kirche ausgeliefert werden.
- "Die Wahrsager und Zauberer sollen den Kirchen und den Pfarrern ausgeliefert werden."
Damit mußten sich die altsorbischen Animalisten praktisch unsichtbar machen.
[Bearbeiten] Paltzscher See
Ab dem Spätmittelalter wurde der Glumaci auch als Paltzscher See bezeichnet. Möglicherweise hat die Vermischung von Baalscher See mit dem nahen Ort Pulzan[3] (1255 Polzen) im 18. Jahrhundert zum Ortsnamen Paltzschen geführt.
[Bearbeiten] Weblinks
- Glomuci (Q1532003) bei Wikidata (archäologische Stätte bei Lommatzsch in Deutschland)
- Glomuci in der deutschsprachigen Wikipedia
[Bearbeiten] Anmerkungen
- ↑ Theodor Frings: "Leipziger Studien. Theodor Frings zum 70. Geburtstag." M. Niemeyer, Leipzig 1957, S. 104.
- ↑ Dieser westsemitische Baʿal (= Herr, Meister, Besitzer, Ehemann, König oder Gott) geht bereits auf den mesopotamischen Wettergott (Sturmgott) Adad (bei den Sumerern und Akkadern Iškur) zurück, dessen Verehrung sich bis in das 3. Jahrtausend vor Christi zurückverfolgen läßt. Vgl. Erika Bleibtreu: Achaimenidische Kunst. In: Wilfried Seipel (Hrsg.): 7000 Jahre persische Kunst. Meisterwerke aus dem Iranischen Nationalmuseum in Teheran: Eine Ausstellung des Kunsthistorischen Museums Wien und des Iranischen Nationalmuseums in Teheran. Kunsthistorisches Museum, Wien 2001, ISBN 3-85497-018-8, S. 186–219, hier: S. 206.
- ↑ Nach "Lampertus de Pulzan", wie Dresden 1206 ersterwähnt.