Mittelpaläolithikum
Das Mittelpaläolithikum (= die mittlere Altsteinzeit) begann in Europa vor etwa 200.000 Jahren. Es wurde durch das Auftreten des Neandertalers gekennzeichnet und endete folglich mit der Einwanderung des Cro-Magnon-Menschen vor etwa 45.000/40.000[1] Jahren.
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[Bearbeiten] Etymologie
Paläolithikum stammt von griech. παλαιός (palaios) ='alt' und λίθος (lithos) = 'Stein'.
[Bearbeiten] Zeitliche Eingrenzung
[Bearbeiten] Beginn mit der Levalloistechnik des Neandertalers
Das Mittelpaläolithikum als mittlerer Abschnitt des Paläolithikums (der Altsteinzeit) löste das Altpaläolithikum ab.
Der Beginn des Mittelpaläolithikum wird mit dem ersten Auftreten von Levallois-Grundformen definiert.[2][3][4]
Die Levalloistechnik ist eine Abschlagtechnik des Neandertalers bei der Bearbeitung von Feuerstein.
In Afrika und Asien ist die Levalloistechnik erstmals während der steinzeitlichen Kultur des Acheuléen vor mindestens 300.000 Jahren belegt. In Europa hingegen stammen wegen der Saaleeiszeit die ältesten Funde aus der Zeit vor 200.000 Jahren.
Die Saaleeiszeit begann vor etwa 300.000 Jahren mit der ersten Kaltphase (Fuhne-Kaltzeit) zu Beginn des Saalekomplexes, an die sich die wärmere Periode der Dömnitz-(Wacken)-Warmzeit vor etwa 200.000 Jahren anschloß, die bis zum eigentlichen Saaleglazial andauerte.
[Bearbeiten] Ende durch die Einwanderung des Cro-Magnon-Menschen (homo sapiens)
Das Mittelpaläolithikum endete in Europa vor etwa 45.000 Jahren mit der Einwanderung des Cro-Magnon-Menschen und damit dem Beginn des Jungpaläolithikums mit seiner ältesten archäologischen Kultur, dem Aurignacien.
Die ältesten Überreste des modernen Menschen in Europa stammen aus der Batscho-Kiro-Höhle beim Kloster Drjanowo im Zentrum von Bulgarien. Hier wurden rund 46.000 bis 43.000 cal BP alte Überreste des Homo sapiens gefunden[5], wobei zuvor die Höhle von Neandertalern bewohnt war.[6]
Ähnlich alt sind die Homo-Sapiens-Funde aus der Grotta del Cavallo im italienischen Apulien. Sie werden mit einem Kalenderalter von 45.000–43.000 calBP angegeben.[7]
Damals lebten in Europa bereits seit Jahrzehntausenden die Neandertaler, denen die Kulturen des Szeletiens und des Châtelperronien zugeschrieben werden. Definitionsgemäß werden Kulturen des späten Neandertalers noch der Periode des Mittelpaläolithikum zugerechnet. Die jüngsten, zweifelsfrei datierten Fossilfunde von Neandertalern stammen aus der Mesmaiskaja-Höhle in Russland und wurden auf ein Alter von 39.700 ± 1.100 Jahren (cal BP) datiert.[8]
In Mitteleuropa beginnt die erste Kulturstufe des Homo sapiens, das Aurignacien, erst ca. 40.000 BP.[9]
Dessen erste Stufe wird als Protoaurignacien (ca. 40.000/37.000–34.000 BP) bezeichnet.[10]
Vor etwa 40.000 Jahren herrschte das etwa tausendjährige Hengelo-Interstadial (40.400 - 39.400 calBC), eine Reihe von Zwischenerwärmungen vor den letzten starken Eisvorstößen des Weichsel-Hauptglazials.
Dieses für damalige Verhältnisse verhältnismäßig kurze Interstadial ließ den Cro-Magnon-Menschen aus Südeuropa nach Norden vorstoßen.
[Bearbeiten] Altsteinzeitlicher Lagerplatz im Plauenschen Grund
Möglicherweise stammt der Altsteinzeitliche Lagerplatz im Plauenschen Grund aus der Warmphase des Hengelo-Interstadials. In modernen Rezeptionen wird dieser "um 40.000 v. Chr." datiert[11], wobei in der Archäologie 40.000 BP (Before Present) gemeint ist.
Dort wurden neben einer Feuerstelle der Neandertaler mit Feuersteingeräten und -abschlägen auch Knochen und Gebißreste von Mammut, Wollnashorn und Wildpferd gefunden. Es handelte sich um einen Freiland-Rastplatz einer Wildbeutergruppe am Hangfuß des Plauenschen Grundes (direkt südlich der Bienertmühle). Die Gruppe Jäger durchstreifte offenbar sehr erfolgreich den Elbtalkessel. Flußtäler und ihr Einzugsbereich gehörten bereits in der Altsteinzeit zu den bevorzugten Aufenthaltsorten der Steinzeitmenschen.
Definitionsgemäß werden Kulturen auch des späten Neandertalers um 40.000 BP noch der Periode des Mittelpaläolithikum zugerechnet.
Die dreibändige Geschichte der Stadt Dresden datiert den bereits 1923 gefundenen Rastplatz allerdings auf "etwa 50.000 v. Chr.".[12]
Diese Datierung würde mit dem sehr kurzen Glinde-Interstadial (um 51.500 BP) korrespondieren. Allerdings schwankten in den letzten über 100 Jahren die Datierungen des altsteinzeitlichen Rastplatzes immens. Der Online-Führer Dresden-und-Sachsen enthält sich deswegen völlig einer Datierung und legt sich darüber hinaus auch nicht darauf fest, ob der "Lagerplatz" der mittleren oder der jüngeren Altsteinzeit zuzuordnen ist:
- "Ein im Plauenschen Grund im Gebiet der Felsenkellerbrauerei nahe des Eiskellers entdeckter altsteinzeitlicher Lagerplatz einer Jägerhorde, die am Anfang der letzten Eiszeitperiode hier lebte, gehört zu den ältesten archäologischen Funden im Dresdner Stadtgebiet. Man fand Mammut-, Nashorn- und Wildpferdknochen sowie Feuersteingeräte und Feuerspuren."[13]
Selbst das Landesamt für Archäologie Sachsen drückt sich sehr salomonisch aus, wenn es um die Datierung geht:
- "Dass auch der Mensch bereits Teil dieser Lebenswelt war, belegen wenige Artefakte, also von Menschenhand bearbeitete Steine, die bereits im Jahr 1923 in Dresden–Plauen an der Eisenbahnlinie nahe der Bienertmühle gefunden wurden. Ihrer Zeitstellung nach wurden sie hergestellt noch lange bevor der moderne Mensch Homo Sapiens den Neandertaler verdrängte. Somit finden wir mit ihnen den Beweis dafür, dass diese Menschenart in Sachsen gelebt hat, auch wenn wir bislang keine Gebeine des Neandertalers gefunden haben."[14]
Offenbar fand die Bergung des Fundes unter Umständen statt, welche eine genauere Datierung unmöglich machen. Außerdem standen vor über 100 Jahren noch längst nicht alle Möglichkeiten einer modernen Datierung zur Verfügung.
Möglicherweise wich diese Gruppe Neandertaler dem Verdrängungsdruck des Cro-Magnon-Menschen aus, der um 40.000 BP von Südeuropa kommend mindestens das Allgäu erreicht hatte.[15] Es könnte sich demnach um die Spuren der letzten Generationen Neandertaler in Mitteleuropa handeln. Die jüngsten, zweifelsfrei datierten Fossilfunde von Neandertalern stammen aus der Mesmaiskaja-Höhle in Russland und wurden auf ein Alter von 39.700 ± 1.100 Jahren (cal BP) datiert.[16]
Bei den klimatischen Bedingungen, die während des Mittelpaläolithikums herrschten, benutzten die Neandertaler häufig Höhlen oder Felsschutzdächer (Abris = Nischenhöhle oder Felsdach, vgl. Halbhöhle) als Unterschlupf. Meistens wurden hierbei Eingangspartien oder Höhlenvorplätze bewohnt, da der eigentliche Innenraum der Höhlen wegen der Feuchtigkeit unbewohnbar war. Daher findet man dort nur selten Reste von Besiedlung. Der Plauensche Grund bot hierfür gute Bedingungen.
- vgl. Ausgewaschene Plänerschichten im Plauenschen Grund - Nahaufnahme (im Winter, so besser sichtbar)
- vgl. "Fluss im Plauenschen Grund" von Johan Christian Clausen Dahl (1788–1857), Öl auf Leinwand, 1820 - noch wild-romantische Landschaft
- vgl.Plauenscher Grund, Photographie von 1903 - noch natürlicher als heute
[Bearbeiten] Weblinks
- Mittelpaläolithikum (Q626270) bei Wikidata (= archäologische Funde mittlerer Epoche der Altsteinzeit)
- Die deutschsprachige Wikipedia zum Thema „Mittelpaläolithikum“
[Bearbeiten] Anmerkungen
- ↑ Die Kalibrierung archäologischer Einzeldaten > 26.000 BP (Before Present) bis zu etwa 50.000 BP ist nach wie vor umstritten, da Kalibrierkurven nur einen gemittelten Wert der Abweichung von Sonnenjahren geben, der in Einzelfällen weit höher ausfallen kann. Als hochauflösender Bereich in Kalenderjahren wird auch bei der INTCAL13-Kurve nur der mittels Dendrochronologie abgesicherte Zeitbereich bis 12.594 cal BP angesehen.
- ↑ Gerhard Bosinski: Abschläge mit facettierter Schlagfläche in mittelpaläolithischen Funden. In: Fundberichte aus Schwaben. Neue Folge, Band 17, 1965, S. 5–10.
- ↑ Gerhard Bosinski: Die mittelpaläolithischen Funde im westlichen Mitteleuropa (= Fundamenta. Reihe A: Archäologische Beiträge. 4, Böhlau, Köln u. a. 1967, (Zugleich: Köln, Universität, Dissertation, 1963).
- ↑ Gerhard Bosinski: The Transition Lower/Middle Paleolithic in Northwestern Germany. In: Avraham Ronen (Hrsg.): The transition from lower to middle Palaeolithic and the origin of modern man (= British Archaeological Reports. International Series. 151). B. A. R., Oxford 1982, ISBN 0-86054-190-8, S. 165–175.
- ↑ Helen Fewlass et al.: A 14C chronology for the Middle to Upper Palaeolithic transition at Bacho Kiro Cave, Bulgaria. In: Nature Ecology and Evolution. Band 4, 2020, S. 794–801.
- ↑ Oldest Homo sapiens in Europe – and a cave bear pendant – suggest cultural link to Neanderthals. Auf: sciencemag.org vom 11. Mai 2020.
- ↑ Stefano Benazzi, Katerina Douka u. a.: Early dispersal of modern humans in Europe and implications for Neanderthal behaviour. In: Nature. Band 479, 2011, S. 525–528.
- ↑ Jörg Orschiedt, Gerd-Christian Weniger (Hrsg.): Neanderthals and Modern Humans – Discussing the Transition. Central and Eastern Europe from 50.000–30.000 B.P. Kolloquium Neanderthal Museum 1999. Wissenschaftliche Schriften des Neanderthal Museums. Mettmann 2000.
- ↑ T. Higham, L. Basell, R. Jacobi, R. Wood, C.B. Ramsey, N.J. Conard: Testing models for the beginnings of the Aurignacian and the advent of figurative art and music: the radiocarbon chronology of Geißenklösterle. In: J Hum Evol. 62, 2012, S. 664–676.
- ↑ N. Teyssandier: En route vers l'Ouest: les débuts de l'Aurignacien en Europe. (= British Archaeological Reports, Intern. Series. Band 1638). 2007.
- ↑ Christian Ruf, Kerstin Klauer-Hartmann: 800 Jahre Dresden: Eine Zeitreise, Edition Sächsische Zeitung, Dresden 2006, ISBN 978-3-93832-519-3, S. 15: "um 40.000 v. Chr.".
- ↑ Geschichte der Stadt Dresden. Bd. 1: Von den Anfängen bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges. Hrsg. v. Karlheinz Blaschke. Theiss, Stuttgart 2005, ISBN 3-8062-1906-0. S. 29.
- ↑ Der Dresdner Raum in der Frühzeit (Steinzeit, Lausitzer Kultur, Germanen, Westslawen/Elbsorben) auf dresden-und-sachsen.de (abgerufen am 30. Oktober 2024).
- ↑ Mammuts und Neandertaler in Dresden. Mitteilung des Landesamtes für Archäologie Sachsen vom 3. Juni 2015 (abgerufen am 31. Oktober 2024).
- ↑ T. Higham, L. Basell, R. Jacobi, R. Wood, C.B. Ramsey, N.J. Conard: Testing models for the beginnings of the Aurignacian and the advent of figurative art and music: the radiocarbon chronology of Geißenklösterle. In: J Hum Evol. 62, 2012, S. 664–676.
- ↑ Jörg Orschiedt, Gerd-Christian Weniger (Hrsg.): Neanderthals and Modern Humans – Discussing the Transition. Central and Eastern Europe from 50.000–30.000 B.P. Kolloquium Neanderthal Museum 1999. Wissenschaftliche Schriften des Neanderthal Museums. Mettmann 2000.