Aquilina von Nisan
Aquilina von Nisan (* 903 oder 904 in Psow antiquitus; † 15. Juni 929 in Nisana) war eine Wandernonne aus Levý Hradec, die 925 nach Nisan kam und hier das Martyrium erlitt (in orthodoxer Schreibweise: "sie erlangte die Krone des Martyriums").
Aquilina hatte sich von 921 an in Levý Hradec aufgehalten - mit einer Unterbrechung im Jahr 922, wo sie in Prag Zuflucht suchen mußte.
921 starb Vratislav I. Die böhmische Stammesversammlung erhob Wenzel zum Fürsten und dessen Mutter Drahomíra zur Regentin. Dieselbe Versammlung übertrug zum Ausgleich die Erziehung Wenzels und seines Bruders Boleslav auf Ludmilla. Daraufhin ließ Drahomíra Ludmilla von ihren Gefolgsleuten ermorden. Als sich der Bayernherzog Arnulf mit dem deutschen König Heinrich I. verständigte, ließ Drahomíra alle bayrischen Priester und Missionare aus Böhmen ausweisen. Der Tributvertrag mit Bayern wurde beendet.
922 überfiel Arnulf der Böse wegen des ausbleibenden Tributes (und der Ausweisung der bayerischen Geistlichen) Böhmen. Aquilina mußte aus Sicherheitsgründen in Prag Zuflucht suchen.
Nach der Christianslegende ließ Fürst Bořivoj I. in Levý Hradec nach seiner Rückkehr aus Mähren die erste Kirche Böhmens bauen. Er weihte sie dem Hl. Clemens von Rom, einem in Mähren beliebten Heiligen, und setzte hier den Priester Kaich ein, den er von dort mitgebracht hatte. Levý Hradec war der ursprüngliche Sitz der frühen Přemysliden-Herrscher. Noch am Ende des 9. Jahrhunderts verlegte zwar Bořivoj seinen Sitz in die Prager Burg. Prag, Budeč und Levý Hradec blieben aber auch weiterhin die drei wichtigsten Zentren in Mittelböhmen.
Aquilina war 925 aus Levý Hradec (heute auf dem Gebiet von Žalov, 10 km nördlich von Prag) nach Nisan gekommen, weil der böhmische Herzog Wenzel von Böhmen seine Mutter Drahomíra von Böhmen vertrieben hatte, Ludmillas Reliquien nach Prag holen ließ und in diesem Zusammenhang den bayerischen Geistlichen die Rückkehr nach Böhmen gestattete, welche erneut die kirchenslawische Liturgie bekämpften.
Gleich in ihrem Ankunftsjahr 925 besiegte Aquilina ihrer Vita nach einen Drachen, der in der Drachenschlucht bei Trachau hauste, als er nahe an den Ort zur Drachenbucht, einem damaligen Elbarm, zum Saufen kam. Der Drache hatte die slawischen Dorfbewohner tyrannisiert, indem er ihre Rinder als Futter verlangte (die [Wein]Berge Roter Ochse und Weiße Kuh gehen angeblich auf diese Legende zurück). Aqulina hatte zunächst versucht, ihn durch Zureden zu beschwichtigen, wurde aber dann zum Kampf gezwungen. Sie wurde durch göttlichen Beistand vor dem Feuer des Drachens geschützt und tötete ihn, indem sie drei Kreuzzeichen mit einem heiligen Kreuz aus Jerusalem über ihn schlug (nach anderer Version: mit einem Stück vom Kreuz Christi)
- möglicherweise eine Vermengung mit dem Stück vom Holz Christi, welches 1204 in Konstantinopel durch die Kreuzfahrer geraubt wurde und über Österreich 1234 als Brautgabe nach Dresden kam und später zur Umbenennung der Nikolaikirche in Kreuzkirche führte - für dieses Stück Holz vom Kreuz Christi wurde eine Kapelle an die Kirche angebaut, deren Name - Kapelle zum Heiligen Kreuz oder Kreuzkapelle - am 10. Juni 1388 durch Neuweihe auf die ganze Kirche überging).
- 1234: Constantia von Österreich, Gemahlin des Landesherrn Heinrich III., stiftet der Nicolaikirche eine Kreuzesreliquie, für die zunächst eine Seitenkapelle angebaut wird.
Ebenfalls bereits 925 erbauten durch Aquilina bekehrte Nisaner eine Kapelle nördlich der Elbe in Kaditz, um Gottesdienste abhalten zu können. Die Verbindung zur Kapelle in Briesnitz (südlich der Elbe) war durch die noch vielarmige unregulierte Elbe sehr unsicher.
926 schloß König Heinrich I. durch Austausch eines adligen Ungarn und Tributzahlungen einen 9-jährigen Waffenstillstand mit den Magyaren. Auf dem Reichstag von Ingelheim wurden wahrscheinlich langfristige Abwehrmaßnahmen wie die Burgenordnung und der Aufbau der Panzerreiterabteilung beschlossen.
927 war König Heinrich I. mit seiner sächsischen Basis allein nicht in der Lage, die hohen Kosten für die Ungarnkriege und -tribute zu decken. Der königliche Heerführer Thietmar (von Ostfalen) überschritt im Schutz des Waffenstillstandes mit den Magyaren die Saale und brandschatzte die slawische Burg Dupzk (die spätere "brandanburg" von 961 = Bernburg) und wahrscheinlich weitere Burgen wie Wettin und Rothenburg (Saale). Damit wurde die Invasion der slawischen Gebiete im Osten Sachsens zur Erschließung neuer Einnahmequellen eingeleitet. Auch Daleminzien und Nisan gerieten so in den Focus ostfränkisch-sächsischer Interessen.
928 drang König Heinrich I. in das slawische Gebiet östlich der Elbe ein. Er schlägt die Wilzen bei Lenzen (Prignitz) an der Elbe, zog weiter gegen die Liutizen und erobert im Winter deren Brandenburg an der Havel (nicht zu verwechseln mit der brandanburg = Bernburg an der Saale).
929 schlugen die deutschen (eigentlich: ostfränkischen) Truppen unter König Heinrich I. die Daleminzier, eroberten, plünderten und brandschatzten deren Hauptburg Gana, töteten alle Erwachsenen, führten die Minderjährigen in die Sklaverei und gründeten an strategisch wichtiger Stelle die Burg Meißen. Heinrich zog über Nisan weiter nach Prag, wo sich Herzog Wenzel als Verhandlungspartner behaupten konnte und durch Unterwerfung und Tributzahlungen das alte Verhältnis zum Ostfränkischen Reich wiederherstellte. Daraufhin wurde Wenzel noch im gleichen Jahr (nach anderer Meinung erst 935) von seinem Bruder Boleslav I. ermordet.
Am 15. Juni 929 mußte Aquilina erneut vor ostfränkischen Soldaten fliehen, diesmal aus dem Heer des Königs Heinrich I. (Herzog der Sachsen).
Aquilina konnte sich noch mit der Fähre nahe der Elbfurt (am Ausgang der heutigen Münzgasse) vor den anrückenden bewaffneten Lateinern in Sicherheit bringen, wurde jedoch auf dem Weg nach Norden im Wald eingeholt.
Bei dem Versuch, sie zu vergewaltigen, ereignete sich nach ihrer Vita das göttliche Wunder, daß ihre Kleidung wie Pech am Körper klebte und die Soldaten auf Befehl ihres Hauptmanns von ihr abließen. Der gebildete Hauptmann hatte die Göttlichkeit des Wunders erkannt. So wurde Aquilinas Jungfräulichkeit bewahrt.
Unwürdig einer scharfen Strafe durch das Schwert wurde Aquilina in der Elbe ertränkt. Nachdem die Soldaten Heinrichs I. nach Prag weitergezogen waren, wurde Aquilina in der Nähe der Furt (Münzgasse) beerdigt.