Wilhelmine Reichard

Stadtwiki Dresden - Freiraum für Ideen und Wissen über Dresden
Wechseln zu: Navigation, Suche
Ballon mit dem Konterfei und der Aufschrift "Wilhelmine" über Rockau im Sommer 2014
Freital - Stadt der Wilhelmine Reichard

Johanne Wilhelmine Siegmundine Reichard (* 2. April 1788 in Braunschweig; † 23. Februar 1848 in Döhlen; gebürtige Schmidt) war die erste deutsche Ballonfahrerin.

Sie war verheiratet mit dem Physiker Johann Gottfried Reichard (1786–1844). 1811 unternahm sie von Berlin aus ihre erste Ballonfahrt, am 30. September 1811 von Dresden aus die dritte Ballonfahrt (Antrag auf Genehmigung StAD/RA), bis 1820 weitere 14 Fahrten. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin ihres Gatten auf dem Gebiet der Chemie; 1844 starb er.

Ihr Wohnhaus in der heutigen Freitaler Reichardstraße 9 wurde seit 1998 von dem Dresdner Ballonfahrer Mathias Schütze rekonstruiert.

[Bearbeiten] Leben und Werk

Johanne Wilhelmine Siegmundine wurde als Tochter des herzoglichen Mundschenks Schmidt in Braunschweig geboren. Sie verlebte hier ihre Kindheit und Jugend und heiratete 1806 in aller Stille Johann Carl Gottfried Reichard. Sein Vater leitete die Fürstenberger Porzellanmanufaktur. Gottfried Reichard hatte nach einer Buchdruckerlehre in Braunschweig ein Studium in Berlin begonnen. Dort erlebte er als Augenzeuge eine Luftreise des Professor Bourquet mit und begeisterte sich fortan für die Luftschiffahrt. 1806 nach Braunschweig zurückgekehrt, plante er hier seine erste Luftreise. Der Kriegsausbruch und die französische Besatzung von 1806 verhinderten dieses Unternehmen.

Schon 1788, im Geburtsjahr Wilhelmines, waren die Braunschweiger Bürger Zeugen einer Ballonfahrt gewesen. Am 11. August des Jahres überfuhr der Franzose Blanchart, damals berühmtester Ballonfahrer Europas, den 94 Meter hohen Südturm der Andreaskirche. Neben der Herzogin Philippine Charlotte mit ihrem Hofstaat waren viele Braunschweiger Zeugen dieses Spektakels. So ist es durchaus möglich, dass die Familie Schmidt mit ihrer vier Monate alten Tochter Wilhelmine ebenfalls zusahen.

Das Ehepaar Reichard siedelte nach Berlin über und finanzierte sich ein bescheidenes Leben durch den Privatunterricht Gottfrieds. Tatkräftig unterstützt von Wilhelmine entwickelten und bauten sie gemeinsam einen Heißluftballon. 1810 hatte Gottfried Reichard seinen ersten Start in Berlin. Wilhelmine teilte seine Leidenschaft für die Luftschiffahrt. Am 16. April 1811 gab Wilhelmine Reichard, mittlerweile Mutter von drei Kindern, mit 23 Jahren ihr Debüt als Aeronautin. Die Füllung des Ballons hatte ihr Mann "durch Zerlegung von Wasser mittels glühendem Eisen bewirkt". In einem Ballon von 10.000 Kubikfuß Fassungsvermögen stieg sie im Garten der Berliner Tierarznei-Schule vor einer größeren Menschenmenge auf. Sie erreichte eine beachtliche Höhe und landete 30 Minuten später wohlbehalten auf einer Wiese.

Sie selber berichtete später so: "In banger Sorge, unter wirklichem Zittern und Zagen, erwartete ich, nachdem ich den Entschluß gefaßt hatte ... eine Luftreise durchzuführen, die Stunde der Entscheidung. Jetzt sollte ich die lebensgefährliche Probe meiner Studien der Aeronautik ablegen. Jetzt beweisen, ob der gewagte Schritt aus dem Kreise weiblichen Wirkens durch entsprechenden Erfolg belohnt werden würde. Indessen die gefürchtete Stunde ging vorüber. 15.060 Pariser Fuß (ca. 4.900 Meter) gestiegen, ließ ich mich wieder herab. Die Probe war glücklich bestanden. An Stelle des Bangens und Zagens traten Mut und Zuversicht."

Einen Monat später erhob sie sich mit ihrem Ballon in Anwesenheit der königlichen Familie trotz Blitz und Donner. Die dritte Luftreise im Herbst lief in Dresden bei stürmischen Wetter so dramatisch ab, dass darüber eine Broschüre erschien, die die gefährliche Fahrt schilderte. Voller Sorge hatte ihr Mann sie vom Start abzuhalten versucht, auch unter Zuhilfenahme der Zuschauer. Vergeblich, die Luftschifferin hielt sich stets an ihr Programm; vorgeblich um ihr Publikum nicht zu enttäuschen. Sie galt darum als sehr mutig. Bei der Sturmfahrt soll der Ballon nach späteren Berechnungen eine Höhe von 8000 Metern erreicht haben. Er wurde beschädigt, stürzte ab, zerlegte und verfing sich letztendlich in einem Baum. Wilhelmine, die ob der großen Fahrhöhe bewusstlos geworden war, hatte damit mehr als Glück. Sie kam mit schweren Verletzungen davon. Von ihrer Sachkenntnis, Geistesgegenwart und Erfahrungen war sie überzeugt, deshalb verlor sie auch nicht den Mut, obwohl sie noch zweimal abstürzte. In den nächsten neun Jahren unternahm Wilhelmine Reichard 14 weitere Luftfahrten. Eine führte sie über ihre Vaterstadt Braunschweig nach Wolfenbüttel und die Asse zum Harz und zurück nach Königslutter Richtung Vorsfelde, schließlich landete sie bei Lehre.

Am 15. August 1818 veröffentlichte das "Braunschweiger Magazin" diesen Bericht: "Am 9ten August, nachmittags 5 Uhr, stieg Madame Wilhelmine Reichard von der Reitbahn aus in die Luft. Das schöne Wetter begünstigte die Reise dieser unbefangenen und allenthalben beliebten Frau. Sie stand in dem durchsichtigen, leichtgewundenen, mit Blumen umflochtenen Korbe, wie in einem Äthersessel, begrüßte das nicht zahlreiche Publikum mit dem Anstande, welchen die einfache und wahre Natur einflösst und erhob sich langsam, majestätisch und fast pfeilgerade zu einer Höhe von 6.150 Fuß (ca. 2.000 Meter) ... Um 6 1/2 Uhr sank sie ohne Beschwerlichkeiten auf dem Lehrwolt nieder und zwar, wie der Schmied Seinecke behauptet, der die Entfernung will abgemessen haben, näher an Lehre, als an Schandelah ..."

Ihr letzter Aufstieg fand 1820 in München während des Oktoberfestes statt. Einen zeitgenössischen Kupferstich, der dieses Ereignis festhielt, verwandte 1977/78 die Deutsche Bundespost als Vorlage für eine Jugend-Briefmarke. Zehn Jahre gefeiert, bewundert und geehrt, trat die erste deutsche Aeronautin danach still und bescheiden in den Kreis ihrer Familie zurück.

Ballonfahrten galten zu damaliger Zeit als Attraktion für zahlende Gäste, wissenschaftliche Ergebnisse sammelte man dabei eher zufällig. Die Luftreisen waren für das Ehepaar Reichard finanziell so erfolgreich, dass sie mit dem verdienten Geld 1821 eine chemische Fabrik gründeten. Bereits 1814 hatte sich die Familie im heutigen Freitaler Ortsteil Döhlen niedergelassen. Wilhelmine hatte neben ihrem Luftfahrtengagement acht Kinder zu Welt gebracht. Ihr Mann Gottfried war zum Professor ernannt worden. Die von beiden geleitete Fabrik florierte. Nachdem ihr Mann 1844 starb, leitete Wilhelmine Reichard das Unternehmen vier Jahre lang alleine. Am 22. Februar 1848 starb sie in Döhlen.

[Bearbeiten] Würdigungen

Straßenschild mit Zusatzschild

Ihr zu Ehren wurde die Hauptzufahrt zum Terminal des Dresdner Flughafens in Wilhelmine-Reichard-Ring benannt.[1]

[Bearbeiten] Literatur

[Bearbeiten] Einzelnachweise

  1. Benennung der Flughafenstraße in "Wilhelmine-Reichard-Ring" auf skybird-ev.de

[Bearbeiten] Weblinks

Meine Werkzeuge
Namensräume
Varianten
Aktionen
Navigation
Werkzeuge