Filmbühne Wölfnitz

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Gasthof Wölfnitz um 1910

Die Filmbühne Wölfnitz befand sich in der ersten Etage im ehemaligen Ballsaal des Gasthofes Wölfnitz, Kesselsdorfer Straße 114, also innerhalb der heutigen Wendeschleife Wölfnitz, gegenüber des kleinen Straßendreiecks am Nordende der Wendel-Hipler-Straße. Diese Gastwirtschaft war um 1810 entstanden, als die Straße zur Chaussee ausgebaut wurde. Im Jahr 1879 hatte der Gastwirt Friedrich August Köhler einen Saal anbauen lassen. Eine direkte Straßenbahnanbindung (Linie 7) erleichterte ab 1909 die Anreise zur Gaststätte und später zum Kino.[1]

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Tanzsaal zum Filmtheater mit etwa 800 Plätzen umgestaltet, da alle Löbtauer Lichtspielhäuser zerstört waren.[2] Willy Schulze, Besitzer der Löbtauer Kinos und anderer Dresdner Lichtspielhäuser, rettete aus seiner zerstörten Li-Mu das Kinogestühl, aus einem anderen seiner Häuser stammte die Leinwand. Damit stattete er den Saal des Wölfnitzer Gasthofes aus und zeigte dort Filme.[3] Vermutlich 1948 wurde Schulze enteignet und starb noch im selben Jahr. Zunächst bewirtschaftete der Kreislichtspielbetrieb das Kino, später gehörte es zur Bezirksfilmdirektion Dresden.

Der Eingang zum Kino befand sich an der Straßenseite in der Mitte des Gebäudes, ein großer Baum an der linken Hausseite verdeckte ihn fast. (Der Eingang zur Gaststätte befand sich rechts an der Straßenfront des Hauses.)[4] Nach dem Ende der Kinovorstellung verließ man den Saal über eine außen angebaute Treppe, die in den Garten führte.[5] Nach den Erinnerungen einer damaligen Kinobesucherin verfügte der Zuschauerraum aufgrund seiner früheren Nutzung als Tanzsaal nicht über eine Steigung.[6]

Ein Brand während einer Kindervorstellung[7] zerstörte am Vormittag des 20. Februar 1985 den Kinosaal.[8] Alle Gäste und Mitarbeiter kamen mit dem Schrecken davon, allerdings erlitten zwei Feuerwehrleute während der Löscharbeiten Brandverletzungen. Ein Problem bei der Löschung waren zuasphaltierte Hydranten, so dass die Löschwasserzuführung verzögert aus 700m Entfernung herbeigeholt werden musste[9].

Der ehemalige Filmvorführer Iwailo Schmidt (der aber nicht in der Filmbühne arbeitete und den Brand fälschlicherweise auf 1984 datiert[10]) beschreibt die Katastrophe: "Die Endabschaltung der Kaschierungswinde versagte und der Motor erhitzte sich so sehr, dass der Vorhang in Flammen aufging. An der Decke befanden sich PVC-Verkleidungen. Die entstandene Hitze ließ diese schmelzen, sodass die von der Saaldecke heruntertropfenden brennenden Kunststofftropfen innerhalb weniger Minuten den ganzen Saal in ein höllisches Flammenmeer stürzten."[11]

Laut Frank Apel, seit 1985 Mitarbeiter der Bezirksfilmdirektion Dresden, lösten hingegen trockene Holzverkleidungen, die sich in der Nähe des Schornsteins befanden und durch die Hitze Feuer fingen, den Brand aus.[12] Die Sächsische Zeitung schreibt 25 Jahre später: "Als Ursache des Brandes werden bauliche Schäden am Schornstein der Heizanlage ermittelt, die zur Entzündung der hölzernen Dachkonstruktion führten."[13]

Das Dach brach während des Brandes in sich zusammen[14]; der Vorführraum mit den Bauer B8-Projektoren blieb bestehen.

1988 wurde das gesamte Gebäude abgerissen. Heute steht dort ein Netto-Supermarkt.

Siehe auch: ehemalige Kinos

[Bearbeiten] Quellen

  1. Die Straßenbahnlinie dürfte nicht die 12 gewesen sein, wie hier angegeben: Hausblicke, Mitgliederjournal der EWG Dresden, 3/2006, S. 3.
  2. Friedrich Reichert: Löbtau - größter Vorort und eines der Zentren nach 1945. In: Stadtmuseum Dresden (Hrsg.): Dresdner Geschichtsbuch, Band 13. Dresden 2008. S. 126.
  3. Der Beginn der Filmvorführungen ist unklar: Helas/Kukula geben 1945 an, Carola Zeh datiert ihn auf 1948. Kukula, Ralf/Helas, Volker: Ballhäuser in Dresden. Dresden 2007. S. ?. Carola Zeh: Lichtspieltheater in Sachsen. Hamburg 2007. S. 199.
  4. Information von Peter Hoos, Enkel des Zookaspers Egon Gäble, 8.11.2012.
  5. Erzählung von Frau Kieschnick, Jg. 1945, auf dem 7. Dresdner Geschichtsmarkt 2011. Willy Schulze war der Bruder des Großvaters von Frau Kieschnick.
  6. Information von Frau Lommatzsch, Mitarbeiterin des Pfarrbüros St. Antonius, 5.4.2011.
  7. Gespräch mit Frank Apel am 16. Juni 2009
  8. Geschichte der Kesselsdorfer Straße bei www.dresdner-stadtteile.de (Archivversion)
  9. Zeitzeuge Herr Ludwig Jenchen, Geschichtswerkstatt Dresden-West, Gespräch am 14. Juli 2011
  10. 1985 als Brand- und Schließungsjahr bestätigt neben SZ-Artikel und -Foto auch eine ehemalige Dresdner Filmvorführerin: Janett Gnauk: Möglichkeiten, Entwicklungstendenzen und Grenzen der kombinierten Veranstaltungstätigkeit in den Einrichtungen des Lichtspielwesens. Abschlussarbeit an der Fachschule für Klubleiter "Martin Andersen Nexö" Meißen-Siebeneichen. Dresden 1988. S. 9. In: Sächsisches Hauptstaatsarchiv, 11471, Nr. 9017
  11. Iwailo Schmidt: Der unsichtbare Filmstar. Eine Liebesgeschichte aus der Epoche des Kinos. Dresden 2008. S. 93. ISBN 978-3-00-024764-4
  12. Gespräch mit Frank Apel am 16. Juni 2009
  13. SZ online, 22.2.2010
  14. Sächsische Zeitung vom 21.2.1985, S. 2, Foto auf S. 8

[Bearbeiten] Weblinks

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