Graf-von-Posadowsky-Wehner-Häuser
Die Graf-von-Posadowsky-Wehner-Häuser waren ein imposantes, geschlossen bebautes Wohnkarree in Dresden-Löbtau, auf der Südostseite des damaligen Crispiplatzes (heute Ebertplatzes), nahe der Löbtauer Brücke. Sie wurden von 1902 bis 1905 als erstes Großbau-Projekt des erst vier Jahre alten Dresdner Spar- und Bauvereins errichtet. Im engeren Sinne trugen nur die dem Crispiplatz zugewandten Fronthäuser (Crispiplatz 3-9) den Namen des Vizekanzlers.
[Bearbeiten] Zu den Häusern
Nach nur zehnmonatiger Bauzeit wurden die ersten sechs Häuser am 27. September 1903 eingeweiht. Die restlichen Gebäude der Anlage, 13-14 Häuser entlang der Siebenlehner Straße (Nr. 2-4), der damaligen Hohenzollernstraße (Nr. 36-52) (heute Oederaner Straße) und der ab 1904 Delbrückstraße genannten Bismarckstraße (Nr. 1-5) (heute nicht mehr existent), wurden in den folgenden zwei Jahren errichtet. Auf einem 8240 qm großen Gelände entstanden bis 1905 also insgesamt 19-20 Häuser mit 298 Kleinwohnungen, nach Plänen der Architekten Schilling & Graebner. Im Durchschnitt hatte jede Wohnung etwa 50 qm Wohnfläche.
In die Bauplanung von Anfang an einbezogen waren zudem eine zentrale Badeanstalt, eine Kindereinrichtung, eine Bücherei sowie ein Saal bzw. Kasino. Auch der bewußt freiere, einer lebens- und gesundheitsförderlichen Nutzung durch die Bewohner zugedachte Innenhof, fand damals große Beachtung.[1] In den für die Kindereinrichtung vorgesehenen Räumen fand am 29. September 1905 die Eröffnung eines Kindergartens und eines Horts für Mädchen statt; auch eine Haushaltungschule für konfirmierte Mädchen sei eingerichtet worden.[2]
[Bearbeiten] Vorgeschichte und Bedeutung
Der besonderen Erwähnung wert ist diese Wohnanlage, da ihr, nicht ohne Grund, eine wegbahnende Wirkung für den genossenschaftlichen Wohnungsbau zugesprochen wird.[3]
Ohne sich von der ablehnenden Haltung seitens der Dresdner Stadtverwaltung und der sächsischen Landesregierung entmutigen zu lassen, suchte der Dresdner Spar- und Bauverein beim Deutschen Reich bzw. im Reichsamt und beim Staatssekretär des Innern, Graf v. Posadowsky-Wehner, nach Unterstützung für das geplante Bauvorhaben, und hatte damit Erfolg. Nicht nur wurde dem Dresdner Spar- und Bauverein das Bauland in Löbtau vom Sächsischen Finanzministerium für insgesamt 270.000 M, die das Reichsamt des Innern (Wohnungsfürsorge-Fonds) zahlte, "zugesprochen". Zwischen dem Reichsamt und dem Dresdner Spar- und Bauverein wurde der gerade mal achte Erbbaupachtvertrag des Reiches überhaupt geschlossen, infolgedessen der Verein, gegen einen Jahreszins von 5870 Mark auf 80 Jahre, über das Baurecht verfügen konnte, obwohl ihm das Land nicht gehörte.[4]
Darüber hinaus gewährte das Reichsamt dem Dresdner Spar- und Bauverein noch eine Hypothek in Höhe von 200.000 Mark, welche ihn in die Lage versetzte, die bei der Landesversicherungsanstalt Sachsen übliche, 3-prozentige Hypothek aufzunehmen, um den Bau tatsächlich auszuführen. Konkrete Zahlen nannte der Vereinsvorsitzende Dr. Arthur Becker auf der Hauptversammlung 1904 als er von einem "Realkredit in Höhe von über einer 1/2 Million Mark" sprach.[5]
[Bearbeiten] Einweihung
Die Feierlichkeiten am 27. September 1903 waren ein beachtliches Ereignis, zu dem neben dem Kronprinz Friedrich August III. eine Vielzahl von Amtsträgern der Sächsischen Regierung und anderer Landesanstalten wie der Landesversicherunganstalt und der Postdirektion erschienen. Hier ein Satz aus der paraphrasierten Weiherede Dr. Beckers:
Die Bedeutung der neuen Schöpfung des Spar- und Bauvereins sei indes in erster Linie darin zu suchen, daß dabei das wiedergewonnene Erbbaurecht in Anwendung gelange, das die bisher nicht vorhandene Möglichkeit gebe, den Besitz vom Grund und Boden von dem des auf ihm errichteten Bauwerkes zu trennen. Allerdings beschränke das Erbbaurecht die Kreditwürdigkeit, aber auch in dieser Beziehung habe der Herr Staatssekretär des Innern Graf v. Posadowsky-Wehner, dem man schon das Eintreten des Reiches für die Baugenossenschaften zu danken habe, einen Ausweg gefunden, indem das Reich eine zweite Hypothek gewährt und dadurch die Gewinnung der weiter erforderlichen Baugelder als erste Hypothek gesichert habe, die dankenswerterweise von der Landesversicherung-Anstalt Königreich Sachsen gegeben worden sei.[6]
Folgerichtig wurde für die Häuser, und als Dank für dessen Engagement, der Name Posadowsky-Wehners gewählt. Bis in die 30er Jahre des 20. Jahrhunderts lagen der Mehrheit der von gemeinnützigen Bauvereinigungen realisierten Wohnungsbauten Erbbaurecht-Verträge zugrunde.
[Bearbeiten] Weitere Geschichte
Von Posadowsky-Wehner selbst nahm die nach ihm benannte Wohnanlage erst 1914, zum 10-jährigen Jubiläumsfest, in Augenschein. Im Anschluss besichtigte er auch die anderen größeren Anlagen des Dresdner Spar- und Bauvereins in Striesen, der Antonstadt und in Pieschen.[7]
1945 wurde diese Wohnanlage vollständig zerstört.
[Bearbeiten] Literatur
- Karl-Heinz Löwel et al. (Hrsg.): Wohnungsgenossenschaften in Dresden. Ein Fünfzigjähriges Jubiläum. Herausgegeben von der Arbeitsgemeinschaft Dresdner Wohnungsgenossenschaften. Michel Sandstein Verlag, Dresden 2004
[Bearbeiten] Quellen
- ↑ SLUB, Digitale Sammlungen, 1913, Erläuterungen der Zentralstelle für Wohnungsfürsorge und Verband der gemeinnützigen Bauvereinigungen im Kgr. Sachsen, Seite 24.
- ↑ SLUB, Digitale Sammlungen, Dresdner Neueste Nachrichten, DNN 1905-09-29, Seite 3.
- ↑ SLUB, Digitale Sammlungen, Dresdner Nachrichten, DN 1928-04-05, Seite 6.
- ↑ SLUB, Digitale Sammlungen, Dresdner Nachrichten DN 1902-11-30, Seite 2.
- ↑ SLUB, Digitale Sammlungen, Dresdner Nachrichten DN 1904-04-22 Seite 2.
- ↑ SLUB, Digitale Sammlungen, Dresdner Nachrichten DN 1903-09-28 Seite 1.
- ↑ SLUB, Digitale Sammlungen, Dresdner Nachrichten DN 1914-03-30 Seite 2.