Lesemuseum
Als Lesemuseum oder Literarisches Museum wurden im späten 18. Jahrhundert und im frühen 19. Jahrhundert öffentliche Etablissements mit umfangreichen Sammlungen überwiegend älterer (antiquarischer) Bücher bezeichnet, die nach den Mitgliederwünschen regelmäßig auch um Neuerscheinungen, Periodika und Musikalien erweitert wurden. Sie waren eine gehobene Form der damals weit verbreiteten Leihbücherei.
Das aus einer 1795 in der Neustadt gegründeten Leihbücherei hervorgegangene "Arnoldische Museum" von Johann Christoph Arnold gehörte zu den ersten deutschen Lesemuseen und entwickelte sich damals zum umfangreichsten Lesemuseum in Deutschland mit Vorzimmer, Expedition seines Verlages (der damals noch in Pirna ansäsig war), Musikalienkabinett mit Instrumenten und Musikalien, einem Diskussionszimmer mit Landkarten, Lexika und Schreibutensilien, einem großen Lesezimmer und 20.000 Bände Leihbibliothek, dazu diverse Zeitschriften und Periodika.
Das Lesemuseum wurde unter Zuhilfenahme von Arnolds Leihbibliothek und Verlag (gemeinsam mit Pinther in Pirna, weil sich das bibliophile Dresden sperrte) im Jahr 1798 am alten Markt 7 eröffnet - dem Haus neben der Kreuzkirche in Richtung Schreibergasse.
1801 spaltete sich das Lesemuseum an konzeptionellen Differenzen. Auch die gemeinsame Verlagstätigkeit beider litt darunter. Während der gelernte und berufserfahrene Buchhändler Arnold seinen Schwerpunkt auf das Geschäft mit Büchern und Musikalien setzte, wollte der Prokurist Pinther vor allem mit der damals florierenden Geselligkeit Geld verdienen.
- "Als Mittelpunkt der bürgerlichen Geselligkeit bilden sich Etablissements, die Lesezirkel, Leihbibliothek, Spielsaal und Konditorei vereinigend, von den Unternehmern 'Museum' genannt werden. Solcher gibt es 1802 schon recht viele: Pinther in Dresden, Beygang in Leipzig, Campe in Hamburg, Eßlinger in Frankfurt a. M. erlauben ihren Stammgasten für einen Jahresbeitrag, der 1796 in Leipzig 12 Taler betrug, an allen Veranstaltungen ihres Instituts teilzunehmen."[1]
1801 wurde das "Arnoldische Lesemuseum" in den Goldnen Ring verlegt (am alten Markt 149). Hier gründete Johann Christoph Arnold 1802 auch den ersten Dresdner Journallesezirkel.
- "Lesemuseen bildeten mit ihrem großen Bestand an Zeitschriften und Büchern, langen Öffnungszeiten und der Möglichkeit zu Diskussionen im Gesprächszimmer ein kulturelles Zentrum. In ihrer Funktion gingen sie weit über die einer Leihbibliothek hinaus. Am Ausgang des Jahrhunderts der Aufklärung ermöglichten Leihbibliotheken mit ihren Nutzungsmöglichkeiten eine politische Emanzipation, wurden deshalb argwöhnisch beobachtet und waren oft im Visier der staatlichen Suche nach opposutionellen Schriften."[2]
Zwischen 1804 und 1808 ließ Arnold das Eckhaus zur Webergasse am alten Markt 148 nochmals aufstocken (es war bereits 1790 durch Christian Traugott Weinlig um ein Geschoss erhöht worden), um den erhöhten Platzbedarf des Lesemuseums zu befriedigen. 1809 finden sich gleich drei Einträge zu dem neu ausgebauten Haus, in das er eingezogen war und das dann bis zur Zerstörung 1945 Firmensitz blieb:
- "Die Arnoldische Buchhandlung",
- "Die Arnoldische Kunst= und Musikalienhandlung" und
- "Das Arnoldische Museum".
Die Benutzung dieses Lesemuseums war infolge des betriebenen immensen Aufwandes für die damaligen Verhältnisse nicht billig und kostete 12 Taler im Jahr.
Einen Einblick in die damalige sächsische Lesegewohnheit gibt der Reisebericht von Anne-Louise-Germaine Baronin von Staël-Holstein über Deutschland im Kapitel Sachsen:
- "Aus der Zahl der Bücher, die in Leipzig verkauft werden, kann man leicht auf die Zahl ihrer Leser schließen: Arbeitsleute aller Classen, Steinhauer sogar, ruhen sich aus, mit einem Buche in der Hand. In Frankreich kann man sich schwerlich eine Vorstellung davon machen, bis zu welchem Grade die Einsichten in Deutschland verbreitet sind. Ich habe Gasthalter und Thorschreiber kennen gelernt, welche die französische Literatur kannten. In Dörfern sogar findet man Leute, die im Griechischen und Lateinischen unterrichten könnten. Keine noch so kleine Stadt, die nicht eine beträchtliche Bibliothek hätte; und allenthalben kann man einige Männer nennen, die wegen ihrer Talente und Kenntnisse empfohlen zu werden verdienen. wollte man Frankreich und Deutschland in dieser Hinsicht mit einander vergleichen, so würde man zuletzt glauben müssen, beide Länder seyen durch dreijahrhundertlange Entfernung von einander geschieden. ... Die literarischen Städte Sachsens sind die, wo man das meiste Wohlwollen, die meiste Einfachheit antrift. Anderwärts hat an allenthalben die Wissenschaften als eine Zugabe des Luxus betrachtet; in Deutschland scheinen sie ihn auszuschließen. Die Neigungen, welche sie einflößen, geben eine Art von Aufrichtigkeit und Furchtsamkeit, die das häusliche Leben anziehend macht, nicht daß die Autor-Eitelkeit nicht ihren bestimmten Character bei den Deutschen haben sollte, aber sie heftet sich nicht an gesellschaftlichen Beifall. Der kleinste Schriftsteller will etwas mit der Nachwelt zu schaffen haben; aber indem er sich nach seiner Bequemlichkeit, in den Raum gränzenloser Betrachtungen verliert, wird er minder von Menschen geklemmt, und ist daher weniger gegen sie aufgebracht."[3]
[Bearbeiten] Anmerkungen
- ↑ In: Max Ulrich von Boehn: "Die Mode: Menschen und Moden im neunzehnten Jahrhundert." Band 1: 1790–1817. 3. Auflage, 1919, S. 163.
- ↑ In: Dresdner Heft 76: Verlage in Dresden: Konstantin Hermann: "Die Arnoldische Verlagsbuchhandlung", S. 23–29 (hier: S. 25).
- ↑ In: De l’Allemagne (druckreif 1810, veröffentlicht 1813, übersetzt udT Deutschland 1815, Reutlingen, in der J. J. Mäcken'schen Buchhandlung).