Metternich in Dresden
Clemens Wenceslaus Nepomuk Lothar Graf von Metternich-Winneburg zu Beilstein (* 15. Mai 1773 in Koblenz; ab 1813 Fürst; † 11. Juni 1859 in Wien) war ein Diplomat in kaiserlich-österreichischen Diensten, der seine außergewöhnliche Karriere als Gesandter in Dresden (1801 bis 1803) startete und es bis zum uneingeschränkten Außenminister (1809) und sogar leitenden Minister (1821 Staatskanzler) des Kaisertums Österreich brachte. Nach dem Waffenstillstand von Pläswitz (4. Juni 1813) zwischen den Allierten Königreich Preußen und Russisches Kaiserreich fand am 26. Juni 1813 im chinesischen Zimmer des Palais Brühl-Marcolini in Dresden das europäische Geschichte schreibende Treffen zwischen Napoleon und Metternich statt, wobei Metternich den noch neutralen Kaiser von Österreich Franz I. vertrat.
[Bearbeiten] 1801 bis 1803: Kaiserlich Königlicher und österreichischer Gesandter in Dresden
Bereits die Studienjahre Metternichs an den Universitäten in Straßburg und Mainz (1788 - 1791) sowie seine Zeit in der österreichischen Verwaltung der Niederlande 1791 - 1794 sind gekennzeichnet durch wiederholte Flucht vor der Französischen Revolution, weswegen der Kampf gegen ihre Folgen das gesamte Leben Metternichs ausgefüllt und geprägt hat.
Den eigentlichen Beginn von Metternichs politischer Karriere verdankte er vor allem der Protektion von Fürstin Eleonore von Liechtenstein (geb. Maria Eleonora Euphemia Walburga Anna Nothgera zu Oettingen-Spielberg; 1745-1812), einer sehr engen Vertrauten von Kaiser Joseph II. (1741-1790). Als Kammerfräulein der Kaiserin Maria Theresia (1717-1780) wurde sie durch Heirat Füstin von Liechtenstein, verbrachte die Winter aber weiterhin in Wien. Dort bildete die schöne Fürstin den Mittelpunkt des 1768 entstandenen Zirkels der "Fünf Fürstinnen", in dem Kaiser Joseph II. über zwei Jahrzehnte lang Entspannung von den Regierungsgeschäften fand. Er verliebte sich auch in sie und wollte sie unbedingt zu seiner Mätresse machen, was sie allerdings ablehnte. So blieben sie bis zu seinem Tod freundschaftlich verbunden, während Mätressen regelmäßig verjüngt wurden.
Am Sonntag, den 27. September 1795 hatte Metternich gegen sehr viele Widerstände die Nichte der Fürstin Maria Eleonora Euphemia Walburga Anna Nothgera von Liechtenstein, die Gräfin Maria Eleonore von Kaunitz-Rietberg, auf dem Kaunitzschen Besitz Austerlitz in Mähren geheiratet, die Tochter von Ernst Christoph von Kaunitz-Rietberg, dem Landeshauptmann in Mähren, der die Schwester Maria Leopoldine der Fürstin von Liechtenstein geheiratet hatte, die ebenfalls Kammerfräulein der Kaiserin Maria Theresia gewesen war.[1]
Gräfin Maria Eleonore von Kaunitz-Rietberg war aber auch Enkelin des Staatskanzlers und Gründers des österreichischen Staatsrats Wenzel Anton von Kaunitz-Rietberg, der bereits Metternichs Vater gefördert hatte. So blieben alle entscheidenden Ämter in der Hand derselben Familien. Metternich heiratete also die Enkelin der Förderers seines Vaters.
Nach dem Tod von Kaiser Joseph II. mußte die Fürstin Eleonore von Liechtenstein allerdings erst auf den Rücktritt des Leitenden Ministers Johann Amadeus Franz von Thugut im Jahr 1801 warten, bis sie Metternich protegieren konnte. Johann Amadeus Franz von Thugut wurde die Verantwortung für die fortgesetzten militärischen Niederlagen und erheblichen Gebietsverluste für Österreich angelastet, weswegen die Wiener ihn bereits als "Thuschlecht" verspotteten.
- "Für die Metternich aber ist der Rücktritt Thuguts von höchster Bedeutung; nun ist ihr ärgster Feind aus dem Wege geräumt. Ihr Beschützer, Graf Ludwig Cobenzl, Bruder jener Gräfin Rombeck, in deren Salon der junge Metternich ein so beliebter Gast ist und auf die er gleichwie auf so viele andere Frauen den angenehmsten Eindruck gemacht hat, wird nun Minister des Äußern. Und wirklich, Ende Jänner 1801 wird der junge, achtundzwanzigjährige Clemens Metternich, der keinerlei diplomatische Studien gemacht hat und noch dazu gar kein Österreicher ist, sogleich zum Gesandten in Dresden ernannt, ohne auch nur Sekretär gewesen zu sein. Der Name Kaunitz und der Ruhm, der sich an ihn knüpft, die nun hinter ihm stehende Clique der Cobenzl, Liechtenstein und der ihr angegliederten Familien hat gesiegt, das Sprungbrett für eine atemraubende Laufbahn ist gegeben und die Zeit wird zeigen, daß Metternich zu springen versteht."[2]
Wie zuvor schon sein Vater konnte Metternich durch Protektion als Diplomat in österreichische Dienste zu treten.[3] Ohne dass er sich zuvor in untergeordneten Positionen bewährt hatte, wurden ihm 1801 – achtundzwanzigjährig – gleich mehrere Missionsposten angeboten. Metternich entschied sich für die Stelle eines Kaiserlich Königlichen österreichischen Gesandten in Dresden.[4]
Eine entscheidende Rolle spielte dabei, daß sich Metternichs Taufpate, der Kurfürst und Erzbischof von Trier, Clemens Wenzeslaus von Sachsen, im Januar 1801 mit seinem Hofstaat (wie bereits 1796/1797) als Flüchtling vor den französischen Revolutionstruppen bei dessen Neffen, dem Kurfürsten von Sachsen, Friedrich August dem Gerechten, in Dresden aufhielt (am 7. Juli 1801 kehrte er in die bischöfliche Residenz Schloß Oberdorf im Bistum Augsburg zurück). Clemens Wenzeslaus von Sachsen war auch der Namensgeber von Clemens Wenceslaus Nepomuk Lothar Graf von Metternich-Winneburg zu Beilstein. Die Revolutionsarmee Frankreichs hatte 1794 zunächst sein Kurfürstentum Trier besetzt, und dann 1799 auch noch das Bistum Augsburg, wo er in Personalunion ebenfalls Bischof war. 1801 hatte auch Metternichs Vater seine Besitzungen am Rhein an Frankreich abtreten müssen.[5]
Durch diese hohe Protektion verdrängte Metternich zunächst erst einmal den Geschäftsträger Joseph Andreas von Buol-Berenberg, der zwar in Dresden blieb, aber Metternich untergeordnet die meisten der anfallenden Arbeiten verrichten mußte. Erst nach dem Weggang Metternichs 1803 war Joseph Andreas von Buol-Berenberg wieder alleiniger Geschäftsträger in Dresden.
Über seinen Amtsantritt schreibt die Illustrirte Zeitung:
- "Das Erbe eines berühmten Namens, mit der Erinnerung an Leben und Thaten ausgezeichneter Vorfahren, treffliche Aeltern, welche durch Lehre und Beispiel von Jugend auf alle Fähigkeiten und Kräfte auf ein glänzendes und erhabenes Ziel richten; sorgfältige Erziehung, das richtige Maß des Unterrichts bei reichen Naturanlagen sind Gaben des Glücks und mächtige Hebel zur Größe. Sie alle, in reichster Fülle, brachte Metternich mit in den Staatsdienst, wo die Weisheit und das Verdienst seines hochgestellten Vaters die künftige Carrière des Sohns umsichtig und sicher angebahnt hatte. Als nun das Vertrauen eines mächtigen Monarchen ihn selbstthätig in die Weltbegebenheiten einer wechsel- und verhängnißvollen Zeit einzugreifen berief, konnte der junge 28jährige Diplomat sogleich fest und imposant auftreten auf einem so gewaltigen Postamente, wie seine Geburtsgaben, seine, bei solchen Geburtsgaben seltene, geistige Errungenschaft, und außerdem die Macht des vollendeten Systems der altgeprüften Habsburgischen Politik es ihm beim Antritt seines schwierigen Amtes unterlegten."[6]
Egon Caesar Conte Corti äußert sich dazu ausführlich in seinem umfangreichen zweibändigen Standardwerk "Metternich und die Frauen". Cortis Bücher und Biographien heben sich heute noch von anderen Werken ähnlicher Art in spezifischer Weise ab: einerseits enthalten sie zahlreiche Originalaussagen von Zeitzeugen, die zu Cortis Zeit noch lebten. Andererseits beinhalten die Werke historisch einzigartige Quellen: verschiedene adelige und hochadelige Häuser gewährten Conte Corti – als einzigem Autor und ihresgleichen, weil ebenfalls adelig – Zugang zu ihren geheimen Privatarchiven, die mittlerweile wieder verschlossen sind bzw. von denen einige im Zweiten Weltkrieg zerstört wurden.
- "Von der Ernennung bis zum Eintreffen in Dresden vergehen noch einige Monate; erst am 4. November des Jahres 1801 kommt das junge Ehepaar Metternich in Dresden an. Es ist nicht gerade ein politisch weltbewegender Standort, doch ist diese Stadt immerhin interessant, weil sich von dem polnisch-sächsischen Königtum her dort immer noch große Familien aus Polen aufhalten und auch vielfach hohe Persönlichkeiten aus Rußland dorthin gelangen. Die einen, weil sie im Augenblick in Ungnade waren, die anderen um den Ereignissen im Westen näher zu sein, einiges darüber erfahren und weiterberichten zu können. Rußland liebt es in jener Zeit, solche Kundschafter auf Reisen zu schicken und nützt dazu auch mit Vorliebe schöne Frauen, die oft von girrenden Männern wichtige Dinge leichter in Erfahrung bringen, als so mancher geeichte und gelernte Diplomat. Trotzdem, weltentscheidende Politik wird in Dresden nicht gemacht und darum hat man den jungen Metternich zunächst dorthin gesandt, weil er da nicht viel verderben kann, wenn er sich als nicht geeignet erweisen sollte. Man will einmal beobachten, wie der junge Mann sich in der Stellung eines Gesandten benimmt und ihn auf diese Weise ausprobieren. So denkt zumindest der mächtige Graf Colloredo. In Dresden herrscht damals Kurfürst Friedrich August III., dessen Bruder und Thronfolger Anton die Schwester des Kaisers Franz, Erzherzogin Marie Therese, zur Gattin erwählt hat. Demzufolge wird der junge Vertreter Österreichs bei dem Thronfolgerpaar ausnehmend herzlich aufgenommen und die Erzherzogin hat zudem ihre besondere Freude an dem eleganten und hübschen Kavalier, der heiter und lustig zu erzählen weiß und dabei doch als Gesandter ein würdevolles Auftreten zeigt. Nur findet die hohe Frau gleich von Anfang an, daß das Ehepaar sich scheinbar über viele Vorurteile hinwegsetzt und besonders Clemens für schöne Frauen trotz seiner jungen Ehe bemerkenswert hohes Interesse zeigt. Dazu ist viel Zeit und Gelegenheit, denn die Amtspflichten sind nicht allzu groß und die Berichte an die Staatskanzlei erfordern demgemäß nur wenig Zeitaufwand."[7]
[Bearbeiten] Der Salon der Fürstin Izabela Czartoryska
Die Księżniczka (= Fürstin) Izabela Dorota Fortunata Czartoryska geb. Gräfin von Flemming (auch Isabella; * 3. März 1746 in Warschau; † 17. Juni 1835 in Wysock) war eine polnische Aristokratin (gehörte also zur Szlachta) und die Ehefrau des Fürsten Adam Kazimierz Czartoryski. Durch ihre Ehe (die sie pockennarbig begann) verbanden sich zwei der wohlhabendsten und politisch einflussreichsten Familien Polens. Ihr Mann wurde mehrfach als zukünftiger König von Polen angesehen.
Izabela Czartoryska wirkte als Schriftstellerin, Philanthropin, Mäzenin, Salonnière und Kunstsammlerin.
Ihr Hauptwohnsitz war damals eigentlich Puławy an der Weichsel, sie hielt sich aus Sicherheitsgründen aber bevorzugt in Dresden auf, wo ihr Onkel Karl Georg Friedrich von Flemming Geheimer Kabinettsminister des Auswärtigen und als General der Infanterie der Sächsischen Armee für Militärkommandoangelegenheiten zuständig gewesen war. Ihr Vater Georg Detlev von Flemming diente bereits unter August dem Starken als sächsisch-polnischer General der Artillerie.
Seit 1798 ließ sie aber in Puławy einen Sibyllentempel nach dem Vorbild des Tempels der Vesta in Tivoli erbauen. Dieser Tempel wurde mit der polnischen historischen Sammlung der Izabela Czartoryska bestückt und 1801 eröffnet, in dem Jahr, als Metternich nach Dresden kam. Izabela Czartoryska begründete damit die Sammlungen des späteren Czartoryski-Museums, des ersten polnischen Nationalmuseums. Als engagierte Patriotin wurde sie zu einer der populärsten Figuren der polnischen Geschichte.
- "Um so mehr stürzt sich Clemens sofort mitten in das gesellschaftliche Leben und faßt vor allem gleich in der polnischen Kolonie festen Fuß. Damals weilt die Fürstin Isabella Czartoryska in Dresden, die Gemahlin des berühmten Fürsten Adam, der zeitlebens mit Sicherheit darauf gerechnet hatte, von seinen Landsleuten zum Könige erwählt zu werden. Dieser ungeheuer reiche polnische Magnat hatte wegen des von ihm im Jahre 1794 gegen Rußland erregten Aufstandes, der durch den General Suworow niedergeschlagen worden war, aus seiner Heimat fliehen müssen. Fürst Adams wunderschöne, außerordentlich temperamentvolle Frau, die ein bewegtes Leben hinter sich hatte, machte Dresden zu ihrem Hauptquartier, während ihr Gatte in ganz Europa umherreiste und für sein Vaterland Freunde zu werben versuchte. Auch ihr gefällt der jugendliche kaiserliche Vertreter. Metternich erinnert sich der Mahnungen, die älteren Damen nicht zu vernachlässigen; ganz besonders dann nicht, wenn sie zu jenen gehören, die in ihrer Jugend große Erfolge in Liebesdingen gefeiert haben und es einfach nicht über sich bringen, sich mit ihrem wachsenden Alter abzufinden. Zu ihnen gehört die Fürstin Isabella und dazu ist sie die steinreiche Gemahlin eines hochgebildeten, stolzen Patrioten mit einer Feuerseele wie Adam Czartoryski, der zwar im Augenblick in Petersburg in Ungnade, doch ein Freund des gefühlvollen Thronfolgers Alexander ist, für dessen anmutige badische Gemahlin Elisabeth er glühend schwärmt. Eine solche Bekanntschaft muß gepflegt werden; so weiß die sechsundfünfzigjährige Matrone den jungen Diplomaten zu schätzen und hilft ihm wo sie kann."[8]
[Bearbeiten] Die Affäre mit Fürstin Katharina Pawlowna Bagration und Metternichs Tochter Marie-Clementine Bagration (nach ihm benannt)
Da der Geschäftsträger Joseph Andreas von Buol-Berenberg Metternich fast alle Arbeit abnahm, nutzte Metternich seine Zeit für eine Affaire mit Katharina Bagration.
Fürstin Katharina Pawlowna Bagration, am 7. Februar 1783 geborene Gräfin Katharina Pawlowna Skawronskaja, wurde auf Anordnung des Zaren Paul I. siebzehnjährig am 2. September 1800 in der Kirche von Schloss Gattschina bei Sankt Petersburg mit dem gut doppelt so alten General Fürst Pjotr Iwanowitsch Bagration (1765 – 1812), dem ältesten Sohn des Fürsten Iwan Bagration aus der königlichen Dynastie der georgischen Bagratiden, verheiratet. Die Ehe, die allen Berichten zufolge zwangsläufig unglücklich verlief, blieb kinderlos.
Im Jahr 1801 annektierte Zar Paul I. das Königreich Georgien, das unter König Herakleios II. aus dem Hause Bagration mit der Zarin Katharina II. einen Schutzvertrag geschlossen hatte. Eine Verschwörung gegen den Zaren, der sich mit Napoleon Bonaparte gegen Großbritannien verbünden wollte und an der General Bagration beteiligt gewesen war, zwang das Ehepaar zur Flucht aus Russland.
Im März 1801 kehrte der Fürst – nach der Ermordung des Zaren – allein nach Sankt Petersburg zurück, da Katharina wegen einer Lungenentzündung in Dresden bleiben musste. Diese Krankheit war sehr wahrscheinlich nur vorgetäuscht, um den ungeliebten Ehemann erst einmal loszuwerden (auch in den folgenden Jahre schützte sie ständig Krankheiten vor, um nicht nach Rußland zurück zu müssen, und machte ihre Kutsche zu einer "Wohnkutsche" mit Bett).
Einige Wochen wohnte sie 1801 bei einem Freund ihres Mannes, dem Fürsten Czartoryski und dessen Frau, der Schriftstellerin Izabella von Flemming.
Hier begegnete Fürstin Bagration dem österreichischen Gesandten und Diplomaten Graf Klemens Wenzel Lothar von Metternich (1773–1859) und stürzte sich bedenkenlos in eine Liebesaffäre. Aus der Dresdner Zeit stammt auch der Spitzname, den man der Fürstin ihrer stets gewagten Dekolletés wegen und vor allem wegen ihrer Kleider aus indischer durchsichtiger Mousseline verlieh: Hinter vorgehaltener Hand nannte man sie den "Nackten Engel". Die Beziehung endete, als Metternich nach Wien zurückgerufen wurde. Aus der Liaison mit dem Grafen Metternich ging eine Tochter, Marie-Clementine Bagration (* 10. November 1803[9][10] in Dresden; † 26. Mai 1829 in Paris), hervor. Clementine lebte ab 1814 bei der Familie Metternich, bis sie am 12. Juli 1828 den dänischen Grafen Otto von Blome (1795 – 1884) heiratete. Sie starb im Jahr darauf, acht Tage nach der Geburt ihres einzigen Kindes.
- "In ihrem [Izabelas] Salon lernt er alles kennen, was eigentlich nicht nach Dresden gehört, aber doch dort weilt und von hoher Geburt, reich und schön ist. Vor allem eine entzückende junge Frau, die ihren Gemahl, den russischen General Peter Fürsten Bagration nur selten und vorübergehend sieht. Der Gatte stammt aus der Familie der Bagratiden, die eine Zeitlang über Georgien herrschten; er hat sich in vielen Schlachten ausgezeichnet, gehörte aber dann zu den unzähligen Russen, die bei dem halb wahnsinnigen Zaren Paul I. in Ungnade fielen. So muß auch er im Auslande weilen und hat seine ihm im Jahre 1800 angetraute, nun bei Metternichs Erscheinen in Dresden im neunzehnten Lebensjahr stehende Frau ebendort untergebracht. Fürstin Katharina Pawlowna Bagration ist eine geborene Gräfin Skawronskij, aus jener Familie, deren Glück auf die schöne Tochter eines lettischen Bauern namens Samuel Skawronskij zurückgeht. Diese war zuerst bei einem Pastor in Marienburg Magd gewesen, heiratete dann einen schwedischen Dragoner und wurde nach der Einnahme dieser Stadt durch die Russen die Geliebte des Fürsten Menschikow, der sie später an Peter den Großen abtrat. Der Zar ließ sich in der Folge mit ihr trauen und damit war die stolze Laufbahn der Familie eröffnet. Der Urgroßvater der Fürstin Bagration war der einzige Bruder jener Frau gewesen, die nach Peters des Großen Tod ihrem Gatten unter dem Namen Katharina I. auf dem Throne gefolgt war. Von daher stammt das Hauptvermögen der steinreichen Fürstin, doch ist sie zudem noch mütterlicherseits eine Nichte Grigorij Potemkins, des Günstlings und Liebhabers der Kaiserin Katharina II. und hatte auch aus dieser Verwandtschaft ungeheure Reichtümer geerbt. Katharina Bagration ist also eine ziemlich nahe Verwandte des nach der Ermordung Paul I. am 23. März 1801 zur Regierung gelangten Zaren Alexander I. Der General Bagration war unter Paul I. in Ungnade gefallen, jetzt, sagt sich Clemens Metternich, kann das alles anders werden und sein Nachfolger gerade für diejenigen Familien Neigung empfinden, die von seinem starrsinnigen Vater schlecht behandelt wurden; man muß sich also auch von der politischen Seite gesehen mit dieser jungen Frau, die verführerisch hübsch und dabei sehr kokett und zugänglich scheint, gut stellen und das fällt nicht schwer für einen jungen, lebenshungrigen, bildschönen Mann, der seine Ehefesseln nicht allzu genau nimmt. Besonders, wenn er sich vor Augen hält, daß diese süße kleine Frau mit ihrem Teint von rosig überhauchtem Alabaster ein ausdrucksvolles Gesicht mit sinnlichen Lippen besitzt. Sie ist eher klein geraten, ihre entzückend geformte Figur zeigt aber, wie Graf de La Garde[11] sagt, »orientalische Fülle vereint mit andalusischem Liebreiz«. Die Fürstin kennt die Wirkung ihrer Erscheinung, liebt es, ihre Reize zu zeigen und in der diplomatischen Gesellschaft gibt es so manche weibliche Mitglieder, die sich darüber entrüsten, daß ihre Ballkleider besonders tief ausgeschnitten sind. Wenn man daraus schließt, daß die junge Frau nicht allzu prüde und zurückhaltend ist, so geht man nicht fehl. Clemens Metternich erobert sie im Fluge und die Gräfin Eleonore, die klug genug ist, um alles, was um sie herum vorgeht, sofort zu durchschauen, muß mit einiger Bitternis sehen, daß die Russin ihres Gatten Geliebte geworden ist. Und wirklich, das Verhältnis hat Folgen. Die schöne junge Frau bringt im Jahre 1802 eine Tochter zur Welt, an deren Erscheinen ihr Gatte wegen langer Abwesenheit nur unschuldig sein kann und die Katharina Bagration ganz ungescheut Clementine nennt. Aber nicht nur Erotik ist es, die Clemens an die Fürstin knüpft. Sie hat eine ausgesprochene Schwäche für Politik, zeigt nachhaltiges Interesse für alle Vorgänge in der hohen Diplomatie; wo es darüber etwas zu erfahren gibt, ist sie zu finden. »Sie erhört alles und alle«, spottet die böse Welt. Was sie erfährt, bespricht sie dann mit ihrem Liebhaber, der auf diese Weise auch zu manch wertvoller Nachricht gelangt. Der englische Gesandte Lord Elliot führt ein großes Haus, alle schönen Frauen und ernsten Männer treffen sich bei ihm, Jagd und Spielpartien, Bälle und Diners fesseln die zur Gesellschaft gehörenden Persönlichkeiten und geben Clemens Gelegenheit, seine bestrickende Erzählergabe glänzen zu lassen. Es bewährt sich nun Kaiser Josephs Wort über die beste Art Damen zu erobern."[12]
[Bearbeiten] Der Salon der Herzogin Dorothea von Kurland
Dorothea von Kurland, geboren als Gräfin Anna Charlotte Dorothea von Medem (* 3. Februar 1761 in Mesothen, Herzogtum Kurland und Semgallen; † 20. August 1821 in Löbichau, Herzogtum Sachsen-Gotha-Altenburg), war eine Herzogin von Kurland, Diplomatin und Salonnière.
Sie war eine Nichte der bekannten deutschbaltischen Dichterin, Schriftstellerin und Kirchenlieddichterin Elisa von der Recke (* 20. Mai 1754 in Schönberg, Kurland (lettisch: Skaistkalne, heute Gemeinde Bauska, Lettland); † 13. April 1833 in Dresden).
Elisa von der Recke lebte ab 1797 fast ausschließlich in Dresden - zunächst am Alten Markt 9[13], im gleichen Haus wie Anton Graff, der sie im gleichen Jahr portaitierte.
- "Ein Salon zählt den jungen österreichischen Diplomaten [Graf Metternich] am häufigsten zu seinen Gästen, jener im Hause einer gleichfalls Rußland nahestehenden, überaus reichen Familie. Auch deren Glück geht auf die Liebesneigung eines Mitgliedes der Zarenfamilie, diesmal einer Frau, der Kaiserin Anna I., zurück. Die Herzogin Dorothea von Kurland, geborene Gräfin Medem, Witwe nach Peter, einstigem Herzog von Kurland, weilt mit ihren vier Töchtern hier. Der Stammvater dieses Hauses war ein Förster, nach anderen ein Student im Dienste der Herzoge von Kurland namens Ernst Karl Bieren oder Bühren, der seinen Namen später in Biron französisierte. Er wurde von Anna, der Witwe des kurländischen Herzogs Friedrich Wilhelm, zum Sekretär und Kammerjunker gemacht, bald auch zu ihrem Liebhaber erwählt und später durch sie zum Herzog von Kurland erhoben. Als Anna 1730 Zarin wurde, überließ sie Biron die Regierung so weitgehend, daß er jahrelang über das weite russische Reich gebot. Während seiner Günstlingszeit sammelte er ungeheure Reichtümer. Die Herzogin Dorothea von Kurland nun ist die Witwe eines eben im Jahre 1800 verstorbenen Nachkommen jenes Mannes, von dem man wissen will, daß er ein Sohn der Zarin Anna gewesen. Herzog Peter hatte im Jahre 1795 gegen gewaltige finanzielle Entschädigung auf das Herzogtum Kurland verzichtet und sich nach Sagan zurückgezogen, welches in Schlesien gelegene Herzogslehen er im Jahre 1786 gekauft hatte. Nach seinem Tod war das Vermögen auf seine Witwe und die vier reizenden Töchter übergegangen, Grund genug, daß auf Freiersfüßen wandelnde junge Leute hohen Adels aufhorchen. Die zweite Tochter Pauline gewinnt im Jahre 1800 einen zwar kleinen, aber doch regierenden Fürsten. Aber in Sagan war es zu einsam, die Herzogin Dorothea muß daran denken, auch ihre anderen Töchter günstig zu verheiraten und das ist auf einem fernabliegenden, einsamen Schlosse viel schwieriger. Ihre Älteste, Wilhelmine, hatte schon eine bittere Erfahrung gemacht. Außerordentlich klug, frühreif, besitzt sie wundervolle Züge, über die eine majestätische Anmut ausgegossen ist. Ihre herrliche Erscheinung berückt in frühester Jugend alle Welt. Der Ruf ihrer Schönheit war auch bis an den preußischen Hof gedrungen. Prinz Louis Ferdinand, ein Neffe Friedrichs des Großen und liebenswürdiger, schmucker Mann, dem allerdings das Geld durch die Hände rann, interessierte sich für die reizende, reiche Erbin. Blauäugig, blond, mit ragender Gestalt, ein Liebling aller Frauen, so schilderte man ihn und weckte damit den Ehrgeiz des jungen Mädchens. Schon wurde der Besuch des Prinzen angesagt, da mischte sich der König von Preußen Friedrich Wilhelm ein, der anfangs nichts gegen die Werbung hatte, und verbot sie. Tief gekränkt heiratete die Prinzessin, die des fürstlichen Werbers wegen schon den Antrag des Sohnes des berühmten Generals Suworow verworfen hatte, »par dépit« unmittelbar darauf am 23. Juni 1800 den Prinzen Julius Rohan, einen Mann aus jener Familie, die sich der Abstammung nach höher dünkt als die Bourbonenkönige von Frankreich und deren Wappenspruch das stolze Wort »Roy ne puys, Duc ne daygne, Rohan suys« (König kann, Herzog mag ich nicht sein, bin ein Rohan) trägt. Von Liebe ist da nicht viel zu merken. Bei ihm hat die große Partie eine ziemliche Rolle gespielt, bei ihr ist es mehr gekränkter Stolz gewesen. So ist auch diese junge Frau neuen Abenteuern umso eher zugänglich, als das Blut in den Adern der Mutter sowohl, wie aller vier Töchter noch viel feuriger kreist, als sonst bei jungen Leuten. Beweis dafür, daß sich die dritte Schwester Jeanne schon im sechzehnten Lebensjahre romantisch von einem Musikus entführen ließ und erst »unbeschreiblich verstört«, durch nachgesandte Offiziere wieder heimgeholt werden konnte. Doch die Folgen konnten nicht verhindert werden. Das war im Jahre 1799 gewesen, zwei Jahre vor der Übersiedlung der Herzogin Dorothea nach Dresden, die hauptsächlich deswegen erfolgte, weil man dort einen befreundeten Hof mit allen sich daraus ergebenden gesellschaftlichen Vorteilen zur Verfügung hatte. Zudem war es nach der verunglückten Brautschaft Wilhelmines mit dem preußischen Prinzen und dem unglückseligen Abenteuer der kleinen Jeanne vorteilhaft, einen Luftwechsel vorzunehmen. Die Mutter Dorothea verzieh ihrem dritten kleinen Töchterchen bald, umsomehr, als man die Sache schnell durch eine im März 1801 abgeschlossene Heirat mit einem allerdings etwas abenteuerlichen Neapler Prinzen verdecken konnte. Sie hatte selbst für Erotik ziemlich viel übrig und war jetzt, wo sie schon in die Vierzig ging, nach wie vor eine Frau von ungewöhnlichem Liebreiz und aus innerstem Wesen hervorgegangener Anmut, die fast noch genau so aussah wie im Jahre 1785, als sie Angelika Kauffmann während ihres Aufenthaltes in Rom malte. Die Herzogin von Kurland hat ihre wundervoll geformte, wenn auch nicht große Gestalt, ebenso wie ihre schönen Augen, den schwellenden Mund und ihre perlengleichen Zähne den Kindern vererbt. Sie hat ihnen Weltläufigkeit vermittelt und sie Sprachen gelehrt, deren sie mehrere fließend beherrschen. Da die Töchter außerdem auch von Natur aus klüger sind als ihre Mutter, haben sie es bald heraus, daß diese in Liebesdingen auch nicht allzu zurückhaltend gewesen war. Es fällt daher der Herzogin schwer, in dieser Beziehung zügelnd in das Leben der Töchter einzugreifen, denn es ist ihr schon mehrfach geschehen, daß die schlimmen Kinder sich etwas freche Bemerkungen erlaubten. So vermag sie auch der unverhohlenen Bewunderung ihrer ältesten Tochter Wilhelmine für Metternich nicht allzusehr entgegenzutreten und Rohan hat nicht viel zu reden, er ist zunächst froh, eine so reiche, schöne Frau aus großem Hause sein eigen zu nennen, allerdings nur zu nennen. Wilhelmine hat nach dem Tode ihres Vaters Sagan geerbt und so gewöhnt man sich allmählich, sie nicht Kurland und auch nicht Rohan, sondern vornehmlich Herzogin von Sagan zu rufen. Ihr entgeht natürlich Metternichs Verhältnis zur Fürstin Bagration ebensowenig, wie jedermann sonst in Dresden. Diese Beziehung läßt ihn damals ihr gegenüber etwas zurückhaltend erscheinen, immerhin berückt sie ihn durch ihren Geist und Witz, wie er findet, durch ein »überraschend kluges Urteil und unerschütterliche Ruhe«, wodurch sie sich allen anderen Frauen, denen er in Dresden begegnet, überlegen erweist. Verführerisch wirkt dieser schwarze Lockenkopf aber doch, der »liebt comme l'on dîne«[14] das ist gar kein Zweifel und in der Zukunft kann er noch sehr gefährlich werden."[15]
[Bearbeiten] Die Rolle von Metternichs Gattin Gräfin Lorel Metternich-Kaunitz in Dresden
- "Es ist zu erwarten, daß bei so vielen Versuchungen und der geringen Widerstandskraft, die Clemens Metternich schönen Frauen gegenüber aufbringt, die Gräfin diese Haltung ihres Mannes übelnehmen könnte. Aber nein. Eleonore Metternich ist nicht von eifersüchtiger Natur, als grande dame setzt sie sich über die Schwächen ihres Gatten hinweg, umsomehr, als Kinder für sie ein Band bedeuten, das die Ehe unauflöslich macht. Sie überwindet sich selbst und behandelt ihren Mann nun mit einer Art überlegenen Ironie, die den schönen Clemens manchmal nicht wenig in Verlegenheit bringt. Sie begreift schließlich die anderen Frauen und sagt selbst einmal in späteren Jahren wie entschuldigend: »Ich kann überhaupt nicht verstehen, wie irgendeine Frau ihm widerstehen kann.«[16] Wenn sie sich im Spiegel betrachtet, muß sie sich eingestehen, daß sich ihre Reize mit denen anderer Damen nicht messen können und ihr Gatte hat niemals in leisester Weise gezeigt, daß er sie etwa verlassen wolle, um eine neue Ehe anzufangen, so weit hält ihn die Konvention streng in Schranken. An seinem allein am Leben gebliebenen, freilich auch gesundheitlich zarten Töchterchen hängt er mit größter Zärtlichkeit und Liebe. Gräfin Eleonore ist auch entschlossen, ihm noch weitere Kinder zu schenken und ihn so unauflöslich an sich zu fesseln, mag er daneben flirten so viel er will. Clemens verteidigt sich seiner Frau gegenüber auch damit, daß sein Beruf es erfordert, Damen den Hof zu machen, um durch sie sowohl Nachrichten zu erfahren, als sich auch Verbindungen zu schaffen, die dem allerhöchsten Dienste zugute kommen. So findet sich Lorel mit der Lage ab und bemüht sich, ihm in seinen politischen Bestrebungen und seiner Laufbahn in jeder Weise zu helfen. Je höher er steigt, desto stolzer wird auch ihre Stellung in der Welt, desto leichter wird sie auch über äußeren Glanz und Verbindungen in der Welt verfügen und eine große Rolle spielen können. Die Bemerkung ihres Gatten, »Tröpfe allein behaupten, daß das Herz nicht mehrerer gleich starker Neigungen fähig ist«, die sie sicher auch einmal von ihm gehört hat, gibt ihr zu denken. Aber noch ist sie zu sehr in ihren Gatten verliebt, von dem sie wieder ein Kind unter dem Herzen trägt, als daß sie auf die Idee käme, diesen Gedankengang etwa auf sich selbst anzuwenden."[17]
[Bearbeiten] Kontakte mit den konservativen Theoretikern Adam Müller von Nitterdorf und Friedrich Gentz
In seiner Zeit als Gesandter in Dresden kam Metternich auch mit dem eher konservativen Theoretiker Adam Müller von Nitterdorf in Kontakt und freundete sich mit dem ebenso gesinnten Friedrich Gentz an.[18]
- "Im Sommer 1802 macht nun der junge Gesandte die Bekanntschaft eines Mannes, von dem er es gewiß nicht lernen wird, sich in Liebesdingen zu bescheiden: der achtunddreißigjährige Friedrich von Gentz wird ihm im Salon des englischen Gesandten Elliot vorgestellt. Der sehr begabte Mann der Feder ist von einfacher Herkunft, sein Vater ein preußischer Münzbeamter, seine Mutter eine Französin namens Ancillon. In dem Kinde aus dieser Ehe hat sich deutsche Gründlichkeit, französischer Charme und leichter Sinn zu einer hervorragenden Mischung genialer Tüchtigkeit und leichtester Lebensauffassung entwickelt. Es ist ein Mann, der, genau so wie Metternich »ohne Frauen« oder besser gesagt ohne viele Frauen nicht leben kann.[19] Bis 1802 in preußischen Diensten, hat er sich, so wie es ihm durch seine besonderen Unterhaltungs- und Geistesgaben gelang, in der ersten Gesellschaft Fuß zu fassen, von seiner aus einfacheren Verhältnissen stammenden Gemahlin scheiden lassen. Seither ist er überall dort zu finden, wo eine schöne Frau die Menschen berückt und sieht sich in dieser Eigenschaft eines Sinnes mit Clemens Metternich, der ihm von Haus aus sehr gefällt, genau so wie der Diplomat Gentzens geschmeidiges Wesen und vor allem seine ausgezeichnete Feder schätzen lernt. Der gewandte Schriftsteller ist damals gerade drauf und dran, in österreichische Dienste zu treten und so ist der Ausgangspunkt für eine lebenslange, enge Beziehung dieser beiden Männer zueinander gegeben. Von Metternich wird er bei der Fürstin Czartoryska eingeführt, mit ihm besucht er das Haus der Herzogin von Kurland, dort gewinnt Gentz die Eindrücke über diese Familie. Sie sind vorerst nicht gerade die besten, denn er findet die Herzogin »schön und fein, liebenswürdig aber nicht« und von den Töchtern – er spricht da nur von den drei älteren, denn die kleinste ist erst acht Jahre alt – meint er: »Diese sind ungezogene kleine Dirnen … die jüngste (also wohl Jeanne) gefällt mir – als Kammermädchen, marchande de modes oder dergleichen – nicht übel, aber es ist nichts Fürstliches, nichts Edles in der ganzen Rasse.« Den Gatten dieser Jeanne, den sogenannten Herzog von Accerenza – man sagt, er hätte sich diesen Titel selbst verliehen – findet er »ein vollkommenes Rindvieh«.[20] In seinem bescheidenen Zimmer im Gasthof »Zum Engel« vereint Gentz täglich, wie er stolz bemerkt, alles was Dresden nur an interessanten Leuten besitzt und da wird »über den Zustand von Europa« beratschlagt.[21] Gentz ist auch einer der ersten, die Clemens zu der am 15. Jänner 1803 erfolgten Geburt eines Sohnes Viktor Glück wünschen, der nun zur größten Freude Metternichs den Verlust seiner ersten beiden Söhne ersetzt. Überhaupt ist diese Zeit für die Familie glückbringend. Kaiser Franz, der sich mehr und mehr mit Metternichs Vater versöhnt, da er auf Thugut nicht mehr hört und seine übrige Umgebung seit der Kaunitzheirat den Metternich wieder gewogener geworden ist, schenkt ihm die Abtei Ochsenhausen im Württembergischen mit allen ihren Einkünften und dem Reichsfürstentitel für seine Person, allerdings auch ein wenig aus egoistischen Gründen, weil er seine Virilstimme für die Kaiserwahl braucht. Clemens ist in diesen Jahren für Gentz nach dessen eigener Beteuerung einer der »liebsten Menschen auf Erden« geworden. Weniger zufrieden ist er aber mit der Gräfin: »Sie steht bei weitem nicht auf gleicher Linie mit ihm, aber ich bin ihr doch auch gut«, meint er da.[22] Das ist nicht nur Gentzens Urteil, sondern auch das der maßgebenden Leute in Wien. Man hat dort sehr genau beobachtet, wie sich Metternich und seine Frau benehmen, denn der Name Kaunitz bedeutet in der Welt so viel wie Freundschaft mit Frankreich und deshalb hat man daran gedacht, den Schwiegerenkel des großen Kanzlers vielleicht einmal nach Paris zu senden, für welchen Posten man krampfhaft einen geeigneten Mann sucht. »Der Graf Metternich ist jung«, meint damals Colloredo[23] in einem vertrauten Briefe an Thugut zu einer Zeit, da man beschlossen hatte, Clemens von Dresden auf einen wichtigeren Posten zu versetzen, »aber er ist nicht ungeschickt. Man muß einmal sehen, wie er sich in Berlin benehmen wird. In Dresden war man zufrieden mit ihm, aber nicht so sehr mit Madame.« Das hängt einmal mit der Tatsache zusammen, daß Lorel in Dresden meist in Erwartung war und dann, daß sie sich doch vielfach über ihres Mannes ungebundenes Benehmen kränkte und manchmal zu Hause blieb, wenn sie ihn hätte zweifellos begleiten sollen. Jedenfalls hat sie sich in der sächsischen Hauptstadt nicht so gut unterhalten und wohlgefühlt wie Clemens und dies besonders nicht in dem Sommer, wo der Dienst das Verlassen Dresdens verbot. In solcher Zeit war diese Stadt fast wie ausgestorben und Gräfin Lorel fühlte sich, wie Gentz sagt,[24] »in einem kleinen Eckchen ihres großen Hauses einsam und gelangweilt«."[25]
[Bearbeiten] Denkschrift "Instruktionsentwurf für den Gesandten in Dresden"
In Dresden fand Metternich durch den Arbeitseifer seines Geschäftsträgers Joseph Andreas von Buol-Berenberg auch die Zeit und Muße, neben seiner Affaire mit dem "Nackten Engel" auch noch eine hundertseitige Denkschrift mit dem Titel "Instruktionsentwurf für den Gesandten in Dresden" abzufassen. Darin führte er erstmals den Gedanken aus, nur ein starkes Österreich könne das europäische Gleichgewicht auf Dauer garantieren.[26]
[Bearbeiten] Literatur
- Heinrich Srbik: Metternich. Der Staatsmann und der Mensch, 2 Bde. München 1925, Bd. 3: Metternich. Der Staatsmann und der Mensch. Quellenveröffentlichungen und Literatur. Eine Auswahlübersicht von 1925–1952. Bruckmann, München o. J. [1954]. Nachauflage: 3 Bände, Bruckmann, München 1957.
- Srbiks Arbeit über Klemens Wenzel Lothar von Metternich gilt noch immer als ein Standardwerk. Er prägte den Begriff "Metternichsches System". Srbik sah Metternich als einen Konservativen aus vorrevolutionärer Zeit, der auf die Verteidigung des monarchisch-ständischen gegenüber dem revolutionär-egalitären Prinzip abzielte. Auch wenn er die "reine Monarchie" propagierte und das konstitutionelle System ablehnte, war er nach Srbik doch auch Feind einer monarchischen Willkürherrschaft. Diese war für Metternich vielmehr an das Recht gebunden.
[Bearbeiten] Weblinks
- Clemens Wenzel Lothar von Metternich (Q45662) auf Wikidata: österreichischer Staatsmann; alias K. W. Fürst von Metternich | Klemens Wenzel von Metternich | Fürst Metternich | Klemens Wenzel Nepomuk Lothar von Metternich | Klemens Wenzel Fürst von Metternich | Clemens Wenzel Lothar Fürst Metternich | Klemens Wenzel Lothar Nepomuk von Metternich | Klemens Wenzel Lothar von Metternich
- Klemens Wenzel Lothar von Metternich
- Treffen zwischen Napoleon und Metternich (Q106087771) - Treffen nach dem Waffenstillstand von Pläswitz am 26. Juni 1813 im chinesischen Zimmer des Palais Brühl-Marcolini in Dresden
- Die deutschsprachige Wikipedia zum Thema „Treffen zwischen Napoleon und Metternich“
[Bearbeiten] Anmerkungen
- ↑ "Der Heiratsvertrag wird nun aufgesetzt, alles genau vorbereitet und Fürstin Eleonore Liechtenstein, die sich ihrer Nichte zuliebe als erste mit allem abgefunden, erklärt sich bereit, die Ausstattung zu besorgen, die die schönste wird, die Wien seit langem gesehen. Der Trousseau wird ausgestellt und die hohe Gesellschaft Wiens bewundert die entzückenden Toiletten und Spitzen, die trotz aller Feindschaft und allen Schwierigkeiten doch irgendwie von Paris und Brüssel nach Wien kommen. Nun wird die Hochzeit für den 27. September 1795 auf dem Kaunitzschen Besitz Austerlitz in Mähren bereitet. Als erster Gast findet sich schon am 21. Eleonore Liechtenstein im Schlosse ein, erst vier Tage später kommen Vater und Mutter Metternich an, ängstlich bestrebt, nicht zu zeigen, wie innig froh sie sind, sondern geltend zu machen, daß es sich um eine ganz ebenbürtige Heirat handelt und sie keineswegs gegenüber der Familie der Braut zurückständen. Mit ihnen kommt ihre Tochter Pauline, die wohl ein braves und nettes Mädchen ist, aber im geraden Gegensatz zu ihrem Bruder häßlich und dick, im ersten Augenblick auf jeden einen wenig guten Eindruck macht. Man beabsichtigt, die Hochzeit nur ganz »en petit comité« zu veranstalten und erst dann später in Wien, wenn die großen Familien von ihren Schlössern zum Winteraufenthalt in die Residenz zurückkehren, mit einem nachträglichen großen Hochzeitsdiner das junge Paar in die Wiener Gesellschaft einzuführen. Demgemäß kommen nur mehr Eleonores Sohn Fürst Karl Liechtenstein mit seiner Frau Karl Liechtenstein 1765-1795, vermählt 1789 mit Gräfin Marianna Josepha von Khevenhüller.und ein Graf Sickingen, die als Zeugen fungieren. Die Stimmung ist keine gute; etwas gepreßt sitzt man beieinander, Clemens Metternich hat bei aller Freude einen Augenblick doch das Gefühl, in Ketten gelegt zu werden, wenn sie auch goldene sind. Lorel ist aber überglücklich und drängt das Gefühl leiser Sorge zurück, das sie zu erfassen droht, wenn sie ihren Bräutigam betrachtet. Denn sie ist klug und fürchtet, daß sie nicht imstande sein werde, ihm dieselbe unendliche Liebe einzuflößen, die Clemens in ihr zu erwecken verstanden hat. Aber sie drängt all diese Gedanken zurück und sagt sich, sie werde durch die Allmacht ihrer Liebe endlich ihren Gatten so sehr zu fesseln lernen, daß jene glückliche Ehe entsteht, die sich jedes Mädchen von diesem ernstesten Schritt im Leben erhofft. Sie sind ja beide noch so jung, die Braut zwanzig, der Bräutigam nur zwei Jahre älter, in ihrer Jugend werden sie übereinstimmen und Glück finden. So vergeht der 26. September mit der Unterzeichnung des Heiratskontraktes durch die Verlobten und ihre Väter und ernsten Abreden zwischen diesen beiden. Nach dem Souper versucht Karl Liechtenstein, der junge, blendend schöne Kavalier und einstige Liebling Kaiser Leopold II., eine etwas heitere Stimmung durch ein Lottospiel zu erzielen, wobei witzige Geschenke die Gewinne bilden und das Hauptgeschenk – eine Babypuppe – natürlich der Braut zugeschanzt wird. Der nächste Morgen, der 27. September, ist ein Sonntag; das Datum wurde gewählt, weil man es als Glückszeichen betrachtet, gerade an einem Sonntag in die Ehe zu treten. Wundervoll geschmückt wird die Braut zum Altar geführt und der Schloßkaplan vollzieht nach einer rührend-mahnenden Rede die Trauung. Nach dieser führt der Schloßherr persönlich noch sechs weitere Brautpaare aus dem Kreise seiner Gutsbauern zum Altar, die er bei dieser Gelegenheit fürstlich beschenkt und ausstattet. Dann folgt das Hochzeitsmahl: um das Schauessen des kaiserlichen Hofes bei solchen Gelegenheiten im Kleinen etwas nachzuahmen, ist die Tafel mit Vermeil-Service herrlich gedeckt und die gesamten Angestellten des Schlosses und Gutes, sowie die Bauern des Fürsten dürfen dabei zusehen. Dann schmaust alle Welt im Parke an riesiger Tafel, worauf ein Bauernball folgt. Der engere Kreis der Gäste und die Brautleute spielen nachmittags wieder Lotto und nehmen abends an einem Ballfest teil, zu dem die Nachbarn geladen sind. Tags darauf vereint das Frühstück das junge Paar und die Familie, worauf die ganze Hochzeitsgesellschaft noch an einer Fasanenjagd teilnimmt. Dann kehren die Gäste nach Wien zurück, während Ernst Kaunitz und die Neuvermählten in Austerlitz bleiben." Zit. nach: Egon Caesar Conte Corti (1886-1953): "Metternich und die Frauen". Band 1: "Von der französischen Revolution bis zum Wiener Kongress: 1789 - 1815". Europaverlag, Wien - Zürich 1948, Kapitel I. "Von der Jugendliebe zur Heirat".
- ↑ Egon Caesar Conte Corti (1886-1953): "Metternich und die Frauen". Band 1: "Von der französischen Revolution bis zum Wiener Kongress: 1789 - 1815". Europaverlag, Wien - Zürich 1948, Kapitel I. "Von der Jugendliebe zur Heirat".
- ↑ "Durch verwandtschaftliche Beziehungen wurde Metternich der Eintritt in den österreichischen Staatsdienst ermöglicht, sodass er 1801 Gesandter in Dresden wurde". Zit. nach: "15. Mai 1773: 250. Geburtstag von Klemens Fürst von Metternich". Artikel der Hessischen Landeszentrale für politische Bildung (2023).
- ↑ "Den eigentlichen Beginn von Metternichs politischer Karriere verdankte er vor allem der Protektion von Eleonore von Liechtenstein, einer Verwandten seiner ersten Frau Marie-Eleonore von Kaunitz-Rietberg. Ohne daß er sich zuvor in untergeordneten Positionen bewährt hatte, wurden ihm 1801 - dem Achtundzwanzigjährigen - mehrere Posten angeboten. Metternich entschied sich für die Stelle eines Gesandten in Dresden." Zit. nach: K.Ö.St.V. Gothia zu Wien im MKV: "Fürst Metternich", Eigenverlag, Wien 2013.
- ↑ "Franz Georg Reichsgraf, dann Reichsfürst von Metternich erwarb diese Würde 1803. Für die ausgezeichneten Dienste, welche er als Gesandter an mehren Höfen, als Wahlbotschafter Churböhmens, bei der Wahl und Krönung Kaiser Leopold II., als dirigirender Minister in den Niederlanden und auf dem Reichsfriedencongresse zu Rastadt als Principalcommissarius geleistet, und nachdem er 1801 seine Besitzungen am Rhein an Frankreich hatte abtreten müssen, wurde er durch die Reichsabtei Ochsenhausen, welche in ein reichsunmittelbares „Fürstenthum Winneburg“ verwandelt ward, entschädigt. Fürst Franz Georg war seit 1774 in kaiserlichen Diensten und seit 1771 vermählt mit Gräfin Beatrix Aloisia von Kagenegg, aus einem Breisgauischen uralten Dynastengeschlechte, welche ihm am 15. Mai 1773 zu Coblenz den ersten – und später einzig lebenden – Sohn geboren hatte, welcher zu Ehren seines ersten Taufpathen, des Prinzen Clemens Wenzeslaus von Polen u. Litthauen, Herzogs zu Sachsen, und seines großen Vorfahren, des Churfürsten von Trier, in der Taufe die Namen Clemens, Wenzeslaus, Nepomuk, Lothar erhielt." Zit. nach: "Fürst Metternich." In: Illustrirte Zeitung, Nr. 5 vom 29. Juli 1843, S. 65–66.
- ↑ Zit. nach: "Fürst Metternich." In: Illustrirte Zeitung, Nr. 5 vom 29. Juli 1843, S. 65–66.
- ↑ Egon Caesar Conte Corti (1886-1953): "Metternich und die Frauen". Band 1: "Von der französischen Revolution bis zum Wiener Kongress: 1789 - 1815". Europaverlag, Wien - Zürich 1948, Kapitel II. "Im fröhlichen Dresden und ernsteren Berlin".
- ↑ Egon Caesar Conte Corti (1886-1953): "Metternich und die Frauen". Band 1: "Von der französischen Revolution bis zum Wiener Kongress: 1789 - 1815". Europaverlag, Wien - Zürich 1948, Kapitel II. "Im fröhlichen Dresden und ernsteren Berlin".
- ↑ Stella K. Hershan: Der nackte Engel. Fritz Molden Verlag, München 1972, ISBN 3-217-00327-6.
- ↑ genealogy.euweb.cz: Online Gotha: Metternich
- ↑ Graf A. de La Garde-Chambonas, Fêtes et souvenirs du Congrès de Vienne. Paris 1843, I/88
- ↑ Egon Caesar Conte Corti (1886-1953): "Metternich und die Frauen". Band 1: "Von der französischen Revolution bis zum Wiener Kongress: 1789 - 1815". Europaverlag, Wien - Zürich 1948, Kapitel II. "Im fröhlichen Dresden und ernsteren Berlin".
- ↑ Dresden zur zweckmäßigen Kenntniß seiner Häuser und deren Bewohner 1797, S. 81
- ↑ Metternich an Gräfin Lieven. 5. Jänner 1819.
- ↑ Egon Caesar Conte Corti (1886-1953): "Metternich und die Frauen". Band 1: "Von der französischen Revolution bis zum Wiener Kongress: 1789 - 1815". Europaverlag, Wien - Zürich 1948, Kapitel II. "Im fröhlichen Dresden und ernsteren Berlin".
- ↑ Mémoires du Maréchal Marmont Duc de Raguse de 1792-1841. Paris 1857, VI/375.
- ↑ Egon Caesar Conte Corti (1886-1953): "Metternich und die Frauen". Band 1: "Von der französischen Revolution bis zum Wiener Kongress: 1789 - 1815". Europaverlag, Wien - Zürich 1948, Kapitel II. "Im fröhlichen Dresden und ernsteren Berlin".
- ↑ "1801 ging M. als österr. Gesandter nach Dresden, wo er sich mit Friedrich v. Gentz anfreundete." Zit. nach: Aretin, Karl Otmar Freiherr von, "Metternich, Clemens Fürst von" in: Neue Deutsche Biographie 17 (1994), S. 236-243 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118581465.html#ndbcontent .
- ↑ Eugen Guglia: "Friedrich von Gentz". Wien 1901, S. 11.
- ↑ Gentz an Brinckmann. Prag, 25. August 1803. "Briefe von und an Friedrich von Gentz." München und Berlin 1910. II/141.
- ↑ Gentz an Adam Müller. Dresden, 25. September 1802. Gentz, Briefe a. a. O. II/371.
- ↑ Gentz an Brinckmann. Wien, 16. November 1804. Gentz, Briefe a. a. O. II/245.
- ↑ Graf Franz Colloredo an Thugut. Juli 1803. Wien, Staats-Archiv.
- ↑ Gentz an Graf Ludwig Cobenzl. Teplitz, 11. August 1803. Wien Staats-Archiv.
- ↑ Egon Caesar Conte Corti (1886-1953): "Metternich und die Frauen". Band 1: "Von der französischen Revolution bis zum Wiener Kongress: 1789 - 1815". Europaverlag, Wien - Zürich 1948, Kapitel II. "Im fröhlichen Dresden und ernsteren Berlin".
- ↑ "In einem 100 Seiten umfassenden „Instruktionsentwurf für den Gesandten nach Dresden“ legte M. seine politischen Überlegungen dar. In dieser Denkschrift taucht zum ersten Mal die Idee auf, nur ein starkes Österreich könne ein europ. Gleichgewicht garantieren, die später zur Maxime seiner Außenpolitik wurde." Zit. nach: Aretin, Karl Otmar Freiherr von, "Metternich, Clemens Fürst von" in: Neue Deutsche Biographie 17 (1994), S. 236-243 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118581465.html#ndbcontent .