Richard Steinhart

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Stolperstein für Sonja Steinhart (Bernhardstraße 39)
Gebäude Kesselsdorfer Straße 17 um 1920

Der jüdische Kaufmann Richard Steinhart (26. Mai 1873 in Merseburg-15. Juli 1943 in Theresienstadt)[1] führte etwa drei Jahrzehnte lang ein Kaufhaus in Löbtau an der Kesselsdorfer Straße.

Etwa 1906 eröffnete Richard Steinhart eine Galanteriewarenhandlung im Gebäude Kesselsdorfer Straße 9 (stadtauswärts auf der linken Straßenseite, östliche Ecke Gröbelstraße). Anfang der 1910er Jahre wandelte er das Geschäft an der Kesselsdorfer Straße 9 offenbar zu einem Kaufhaus um. Als Ladenfläche nutzten Steinharts die erste Etage und zeitweise auch das Erdgeschoss. Im 2. Stockwerk wohnte vermutlich die Familie.

Etwa 1925/26 kaufte Richard Steinhart eine Immobilie schräg gegenüber an der Kesselsdorfer Straße 4 dazu. Dort richtete er ein Zweiggeschäft ein. Außerdem beherbergte das Gebäude im Laufe der Jahre weitere Einzelhandelsgeschäfte, etwa das Sanitätshaus „Frauenheil“, ein Schokoladengeschäft und eine Strumpfwarenhandlung.[2] Im Obergeschoss wohnte wohl die Familie von Steinharts Tochter Emily.

Etwa 1929 zog das Kaufhaus aus der Nummer 9 einige Häuser weiter an die Kesselsdorfer Straße 17 (östliche Ecke Poststraße, heute Brache „Postwiese“). Steinharts Kaufhaus bot „Haus- und Küchengeräte, Lederwaren, Geschenkartikel, Spielwaren, Linoleum, Herrenartikel, Strümpfe, Handarbeiten und Trikotagen“ an und warb mit dem Spruch „Hart wie Stein präg’ Dir ein: Steinhart muß Dein Kaufhaus sein.“[3] Neben Steinharts Kaufhaus befanden sich im Erdgeschoss der Kesselsdorfer Straße 17 noch mehrere andere Geschäfte: eine Filiale des Waaren-Einkaufs-Vereins zu Görlitz, eine Tabakhandlung von Bernhard Schneider, die Geschäftsräume von Richard Steinhart, eine Zweigstelle von „Oestreichs Schuhhäuser“ (Inhaber Heino Oestreich), eine zoologische Handlung von Arthur Heinze, die „Schuhreparatur-Anstalt“ von Georg Hönig, die Frisörin Frida Werner sowie Läden von Richard Schmieder, August Uhl und Louis(e) Wolf. Die Lichtspiele Musenhalle zeigten seit 1929/30 im Gartengebäude seine Filme.[4]

Nachdem die Familie Steinhart nach dem Umzug des Kaufhauses eine Zeitlang weiter im 2. Obergeschoss des Hauses Kesselsdorfer Straße 9 gewohnt hatte,[5] zog sie 1930/31 in die Südvorstadt an die Bernhardstraße 39, Erdgeschoss.[6] Im Garten des Hauses pflanzte Richard Steinhart einen Baum, den er in Form einer Harfe gestaltete. Im Nachbarhaus wohnte die ebenfalls jüdische Kaufmannsfamilie Erich und Toni Schapira mit ihren Kindern Hans und Ingeborg.

Steinharts Kaufhaus lief sehr gut bis 1933. Ab diesem Zeitpunkt unterlag es immer mehr Restriktionen: Nicht-Juden durften nicht mehr dort einkaufen, aber der Chef durfte auch keine Angestellten entlassen. Dadurch sanken die Gewinne immer weiter. Laut Enkel Ron blockierten die Nazis ab 1933 auch die Bankkonten, sodass Juden nicht mehr an ihr Geld herankamen. 1938 musste Richard Steinhart sowohl das Geschäft als auch seine Gewerbeimmobilie an der Kesselsdorfer Straße 4 zu einem sehr niedrigen Preis verkaufen.[7] Steinharts verkauften ihre Wohnung an die Kaufmannsfamilie Krautwald. Das Gebäude überstand den Krieg trotz Bombentreffer. Seit etwa 2011 wurde es saniert und zu mehreren Eigentumswohnungen umgestaltet. Der Harfenbaum im Garten fiel den Bauarbeiten zum Opfer.

[Bearbeiten] Schicksal der Familie Steinhart

Die Eheleute Richard und Bertha Steinhart (geb. 1875) hatten drei Kinder: die Söhne Kurt (geb. 1903) und Werner (geb. 21. März 1909) und die Tochter Emma/Emily.

Richard und Bertha blieben mit Tochter Emily und deren Kindern bis Anfang 1940 in Dresden. Sie hatten bereits ein Visum für Panama, waren jedoch besorgt wegen der Hitze und hatten möglicherweise auch noch Hoffnung, dass der nationalsozialistische Spuk bald beendet sein würde. Daher entschieden sie sich, nach Berlin in ein Altersheim für jüdische Bürger zu ziehen. Die Familie von Tochter Emily verließ Deutschland etwa 1940, kurz vor Onkel Kurt, in Richtung Amerika.

Bertha und Richard Steinhart wurden im August 1942 von Berlin ins Konzentrationslager Theresienstadt deportiert. Richard Steinhart starb am 15. Juli 1943 im Lager. Seine Frau Bertha wurde am 16. Mai 1944 (?) nach Auschwitz deportiert und dort umgebracht.

Richards Sohn Kurt hatte mit seiner Frau Sonja (geb. als Sonja Goldschmidt am 18. November 1910 in Braunschweig) zwei Kinder: Marion (geb. 26. Juli 1931) und Gert (geb. 3. Oktober 1937). Familienvater Kurt wurde in der Reichspogromnacht 1938 verhaftet und drei Tage später ins Konzentrationslager Buchenwald deportiert. Seine Frau und die beiden Kinder blieben in Dresden. Gegen eine Geldzahlung und unter der Maßgabe, sofort zu emigrieren, wurde Kurt nach drei Wochen wieder entlassen. Er ging nach Frankreich (Paris) und musste Frau und Kinder in Dresden zurücklassen. Sie mussten in das Judenhaus Strehlener Straße 52 ziehen und wurden 1942 für mehrere Monate im Judenlager Hellerberg einquartiert. Sie mussten bei Zeiss Ikon arbeiten. Am 3. März 1943 wurden Sonja, Gert, Marion und Sonjas Mutter Jenny Goldschmidt (geb. 1882) vom Güterbahnhof Dresden-Neustadt aus nach Auschwitz-Birkenau deportiert und umgebracht. Kurt wurde in Paris am 28. März 1942 verhaftet und in ein Lager gebracht. Er wurde etwa zwei Monate später in Auschwitz ermordet.

Sohn Werner, promovierter Politikwissenschaftler, heiratete am 5. November 1938 Marga Goldblum (geb. 6. Oktober 1918 in Gelsenkirchen). Das Paar war das letzte, das in der Dresdner Synagoge getraut wurde, ehe diese in der Pogromnacht am 9. November niedergebrannt und zerstört wurde. Sie emigrierten rechtzeitig in die USA. Werner und Marga Steinhart bekamen zwei Söhne: Ronald (Ron) und Richard (Rick). Beide kamen in Amerika zur Welt.

ehem. Ladengeschäft von Rosa und Walter Steinhart am Trachenberger Platz
Stolpersteine für Rosa und Walter Steinhart am Trachenberger Platz

Walter und Rosa Steinhart

Walter Steinhart wurde am 5. September 1880 in Weiden in der Oberpfalz geboren, seine Ehefrau Rosa, geb. Steinhart, am 17. Juni 1885 in Tachau/Eger in westlichen Böhmen, dem heutigen Tachov in der Tschechischen Republik. Rosa Steinhart war die Schwester von Ida Fränkel, geb. Steinhart.

Walter Steinhart war Kaufmann und als Handelsvertreter und Buchhalter tätig. Zusammen mit Emil
 Kahlenberg war er Inhaber der Firma Walter Steinhart, einem Spezialgeschäft für Haus- und Küchengeräte in der Trachenberger Straße 23. 
Im Gemeindeblatt der Israelitischen Religionsgemeinde wurde ihm und seiner Frau Rosa zur 
Silberhochzeit am 4. April 1938 gratuliert. Rosa Steinhart versuchte durch Zimmervermietung zum Lebensunterhalt beizutragen. Am 20. Januar 1937 wurde Kathi Steinhart auf der Trachenberger Straße 23 zum 94. Geburtstag gratuliert. 
Es ist zu vermuten, daß es sich um die Mutter oder
 Schwiegermutter von Rosa Steinhart handelte, die
 1937 verstarb.

1940 hatte Walter Steinhart einen Schlaganfall
 mit Lähmungserscheinungen. Auch Rosa befand
 sich in schlechtem Gesundheitszustand und erhielt 
deshalb auf Grund einer Verordnung zusätzliche
 Lebensmittel wie Butter, die sonst für Juden verboten war.


Das Ehepaar Walter und Rosa Steinhart musste in 
das „Judenhaus" Bautzner Straße 20 ziehen. Von dort 
wurden sie am 23./24. November 1942 in das „Judenlager Hellerberg" in der Dr.-Todt-Straße (heute Radeburger Straße) in Dresden deportiert. Am 2./3. März 1943
 erfolgte die Deportation vom Bahnhof Dresden-Neustadt nach Auschwitz-Birkenau. Dort wurden Walter und Rosa Steinhart am 3. März 1943 ermordet. Im Jahr 2017 wurde Rosa Steinhart zu Ehren eine Straße in Pieschen benannt.

[Bearbeiten] Stolpersteine

Am letzten Wohnsitz der Familie Steinhart an der Bernhardstraße 39 wurde am 11. Juni 2011 ein Stolperstein für Sonja Steinhart verlegt. Die Stolpersteine für Walter und Rosa Steinhart wurden im Dezember 2012 in der Trachenberger Str. 23 verlegt. 2013 sollen weitere für die übrigen ermordeten Familienmitglieder folgen.

[Bearbeiten] Film

In dem Film „The Harp Tree“ (Der Harfenbaum) dokumentiert der Amerikaner Mark Birnbaum die Suche von Ron und Rick Steinhart nach den Familienorten in Europa und stellt somit das Schicksal der Familie Steinhart im Nationalsozialismus vor.

[Bearbeiten] Quellen und Weblinks

  1. Richard Steinhart war nach dem Ersten Weltkrieg Bürger Dresdens und Träger des sächsischen Ehrenkreuzes für freiwillige Wohlfahrtspflege. Quelle: Adressbuch 1919, 1. Teil, S. 759.
  2. Adressbuch 1926/27, 3. Teil, S. 344. Adressbuch 1930, 3. Teil, S. 364.
  3. Werbeannonce aus den 1930er Jahren, Quelle unbekannt
  4. erstmals aufgeführt im Adressbuch 1930, 3. Teil, S. 362
  5. Adressbuch 1929, 1. Teil, S. 791, 3. Teil, S. 345. Adressbuch 1930, 3. Teil, S. 362
  6. Adressbuch 1930, 1. Teil, S. 805. Adressbuch 1931, 1. Teil, S. 783.
  7. Adressbuch 1939, 5. Teil, S. 399.
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