Rikdag (Burggraf von Meißen)
Rikdag († 11. Oktober 984) war der erste deutsche Burggraf von Meißen, dessen Name belegt ist. Rikdag starb im Kampf gegen die Truppen des böhmischen Herzogs Boleslav II.
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[Bearbeiten] Burggrafen vor Rikdag
Ein Burggraf unter den Markgrafen Wigbert (965–976), Thietmar I. (976–979) und Gunther von Merseburg (981–982) ist nicht belegt, aber sehr wahrscheinlich (in Regensburg wurde wahrscheinlich zum Jahreswechsel 960/961 die Burggrafschaft Regensburg mit einem "prefectus Ratisbonensis" als Burggrafen gegründet). Schon 984 werfen die kriegerischen Ereignisse um die Burg Meißen ein Schlaglicht der Geschichte dorthin, wodurch die Annalen vom Tod des Burggrafen Rikdag berichten. Man kann davon ausgehen, daß es auch die 19 Jahre zuvor (seit 965) einen Burgkommandanten (Burggrafen) gegeben hatte, einen Teil der Jahre oder vielleicht sogar die ganze Zeit diesen Rikdag, da nur über dessen Tod, aber nicht über dessen Einsetzung berichtet wird.
[Bearbeiten] Johann Christian Hasche: Versuch einer Geschichte derer Burggrafen zu Meissen
Johann Christian Hasche führt dazu aus ("Versuch einer Geschichte derer Burggrafen zu Meissen, oder Diplomatische Annalen derselben", Dresden 1793):
S. 13 "Meissen war ein Hauptpaß des Landes und konn=
te in so turbulenten Zeiten nicht ohne Schloßbe=
satzung bleiben, da Boͤhmen, Pohlen und die Mil=
ziener bestaͤndig einfielen und die besiegten Wen=
den zum Aufruhr aufwiegelten, der Markgraf
aber oft wider den Feind ausziehen, und die Gren=
ze des Landes nicht nur vertheidigen, sondern auch
erweitern mußte. Das machte einen eignen Kom=
mendanten zu Meissen nothwendig. Zwar wissen
wir keinen aus jenen Zeiten zu nennen, aber da=
ran ist entweder ihre Geringfuͤgigkeit bei der Ent=
stehung schuld, wo sie nicht Gelegenheit hatten,
sich durch glaͤnzende Thaten beruͤhmt zu machen,
oder die Kuͤrze ihrer Amtsverwaltung, oder auch
S. 14 die Unachtsamkeit der alten Schriftsteller ... "
[Bearbeiten] 984: Burggraf Rikdag
Zum Jahr 984 ist der Burggraf Rikdag den Annalisten ein Eintrag wert.
Thietmar von Merseburg erwähnt neben dem Markgrafen Rikdag auch Rikdag, den Hüter der Stadt Meißen (Rigdagus ejusdem civitatis custos [Misni]). Da es den Begriff des "burggravii" noch nicht gab (auch der Begriff "Præfecti" ["civitatis"] ist erst seit 1060 belegt), wird Rikdag als erster überlieferter deutscher Burggraf von Meißen angesehen.
[Bearbeiten] Chronik des Thietmar von Merseburg
Übersetzt heißt es bei Thietmar (Übersetzung von Johann Christian Mauritz Laurent und J. Strebitzki in "Die Geschichtschreiber der deutschen Vorzeit", 11. Jahrhundert, Band 1, 2. Auflage, Verlag von Franz Duncker, Leipzig 1879):
- Buch III, Kapitel 15: "Denn als er (Kaiser Otto II.), nachdem er seine ehrwürdige Mutter in Pavia verlassen hatte, nach Rom kam, erkrankte er heftig. Als er nun sein Ende nahe fühlte, theilte er seine ganze Baarschaft in vier Theile, von denen er einen den Kirchen, einen anderen den Armen, einen dritten seiner geliebten Schwester Mathilde, welche, als eine andächtige Magd Christi, Aebtissin zu Quedlinburg war, und einen vierten endlich seinen trauernden Dienst- und Kriegsleuten schenkte. Nachdem er darauf vor dem Papste und andern Mitbischöfen und Priestern in lateinischer Sprache gebeichtet und von ihnen die ersehnte Absolution erlangt hatte, verschied er am 7. December, und ward bestattet, wo der östliche Eingang zur Vorhalle der Kirche St. Peters allen Gläubigen offen steht, und wo unser Herr Christus in dem trefflichen Standbilde dargestellt ist, welches alle Vorbeikommenden segnet."
- Buch III, Kapitel 16: "Sein erhabener Sohn (Kaiser Otto III.), der ihm [im Jahre 980] in einem Walde Namens Ketil geboren war, wurde am Weihnachtsfeste des nächsten Jahres von den Erzbischöfen Johannes von Ravenna und Willigis von Mainz zu Aachen zum Könige gesalbt. Gleich nach Vollendung dieses heiligen Amtes kam ein Gesandter mit der Trauerbotschaft an und störte die große Freude. Manches Herz ward von unaussprechlichem Schmerze bewegt, denn erst wenn die Tugend der Erde entrückt ist, vermissen wir Menschen sie, obwohl wir sie in unserer Gebrechlichkeit und in unserem Zweifelmuthe gar häufig verfolgen, so lange sie noch unter uns weilt. ... Herzog Heinrich [von Baiern] (= Heinrich der Zänker) ward seiner Haft zu Utrecht entlassen, und empfing aus der Hand des Erzbischofs Warin von Köln, dessen zuverlässiger Treue der Kaiser seinen Sohn anvertraut hatte, das königliche Knäblein, um es groß zu ziehen, oder vielmehr seiner Würde zu entsetzen."
- Buch IV, Kapitel 1: "1. Im Jahre der Fleischwerdung des Herrn 984 begab sich die Kaiserin Theuphano, die Mutter des dritten und leider letzten der Ottonen, mit einem vom Schmerze der frischen, schrecklichen Wunde erfüllten und über die Abwesenheit des einzigen Sohnes blutenden Herzen zur Kaiserin-Wittwe Ethelheid nach Pavia, und ward von derselben tiefbewegt empfangen und liebevoll getröstet. Herzog Heinrich [von Baiern] kam mit dem ehrwürdigen Bischofe Poppo, dessen Aufsicht er lange Zeit untergeben gewesen war, und dem einäugigen Grafen Ekbert nach Köln, und empfing, wie gesagt, den König als dessen gesetzlicher Vormund aus den Händen des oben genannten Erzbischofs Warin, der ihm, so wie alle anderen, deren Gunst der Herzog zu gewinnen wußte, seinen Beistand fest zusicherte. ... Dieser (Heinrich der Zänker) sandte, als er zu Magadaburg den Palmsonntag feiern wollte, an alle Große der Umgegend das Gesuch und Gebot, daselbst zusammenzukommen, und unterhandelte mit ihnen, daß sie sich ihm unterwerfen und ihn zum Herrscher erheben möchten. Auf diesen Plan gingen die meisten Fürsten mit dem Vorbehalte ein, daß sie von ihrem Herrn und Könige, dem sie ja früher gehuldigt hätten, die Erlaubniß einholen müßten; dann könnten sie ruhig dem neuen Könige dienen. Einige aber gingen wegen seines Unwillens fort und sannen im Verborgenen darauf, das Beabsichtigte auf gewandte Weise ganz zu vereiteln."
- Buch IV, Kapitel 2: "Von Magadaburg begab sich Heinrich nach Quidilingeburg, wo er die demnächst eintretende Osterfeier beging. Dort versammelten sich in großer Anzahl die Fürsten des Reiches; einige aber, die daselbst nicht erscheinen wollten, schickten Abgeordnete, um auf alles sorgfältig Acht geben zu lassen. Während dieses Festes ward Heinrich von den Seinen als König begrüßt und mit kirchlichen Lobgesängen geehrt. Dorthin kamen die Herzoge Miseco [von Polen], Mistui [der Obotriten] und Bolizlav [von Böhmen] mit unzähligen anderen, und sicherten ihm, indem sie ihm als ihrem Könige und Herrn huldigten, jeglichen Beistand zu. Viele der anwesenden Fürsten jedoch, die aus Furcht vor Gottes Zorn nicht wagten, ihre Treue zu brechen, entfernten sich allmählich und eilten nach Hesleburg, wo ihre Genossen zusammenkamen, die nun schon eine offene Verbindung gegen den Herzog eingingen."
- Buch IV, Kapitel 3: "Der Herzog (Heinrich der Zänker) aber begab sich, nachdem alle Bischöfe und einige Grafen in Baiern sich ihm zugewandt hatten, auf diese seine Bundesgenossen vertrauend, ins fränkische Gebiet und lagerte auf der zu Bisinstidi [Bisenstädt] gehörigen Ebene, um sich mit den Fürsten jener Gegend zu besprechen. Dorthin kam Erzbischof Willigis von Mainz, nebst dem Herzoge Konrad und den übrigen Großen. Als aber Herzog Heinrich, der diese auf alle ihm nur [S. 87] irgend mögliche Weise zu gewinnen suchte, von ihnen einstimmig zur Antwort erhielt, sie würden von der ihrem Könige geschworenen Treue zeitlebens nicht weichen, so sah er sich aus Besorgniß vor dem drohenden Kampfe gezwungen, eidlich zu versichern, daß er am 29. Juni nach Rara kommen und das königliche Kind ihnen und der Mutter überliefern wolle. Darauf begaben sich alle wieder heim, in verschiedener Stimmung, die einen erfreut, die andern niedergeschlagen."
- Buch IV, Kapitel 4: "Darauf besuchte Heinrich mit seinem Anhange Bolizlav, den Herzog der Böhmen, der ihm in jeder Noth stets zu helfen bereit war, und ihn auch nun ehrenvoll aufnahm, und ihn von seinem Heere durch die Gauen Niseni und Deleminci bis nach Mogelini geleiten ließ. Dann zog Heinrich mit den Unseren, die ihm entgegen kamen, nach Medeburun [Magdeborn]. Wagio aber, einer von den Rittern des Böhmenherzogs Bolizlav, welcher Heinrich mit dem Heere begleitet hatte, besprach sich, als er heimkehrend nach Misni [Meißen] kam, ein wenig mit den Einwohnern der Stadt und ließ darauf Fritherich, des damals in Merseburg sich aufhaltenden Markgrafen Rigdag Freund und Vasallen, durch einen Mittelsmann auffordern, zu ihm nach der außerhalb der Stadt gelegenen [St. Nicolai] Kirche hinzukommen, um sich mit ihm zu unterreden. So wie dieser die Stadt verließ, wurde das Thor hinter ihm geschlossen, und Ricdag, der Burggraf von Meißen, ein trefflicher Ritter, von jenen an dem Flusse Tribisa [Trübische] hinterlistig erschlagen. Die Stadt Misni [Meißen] aber, bald nachher von Bolizlav mit einer Besatzung versehen, nahm denselben bald darauf als ihren Herrn in ihren Mauern auf."
- Buch IV, Kapitel 5: "Er vertrieb auch auf Anhalten der wankelmüthigen Menge den Bischof Wolcold [von Meißen], der sich zum Erzbischof Willigis begab, von dem er gütig aufgenommen wurde. Denn er hatte denselben wie einen Sohn erzogen, und ihn, als er für die östlichen Lande zum Bischof geweiht ward, dem zweiten Otto, dessen Unterricht er leitete, eifrig als seinen Nachfolger empfohlen. Dies behielt Willigis stets im Gedächtniß, und erkannte es immer mit der größten Dankbarkeit an, und das vor allem nun, wo dem Bischofe darum zu thun war. Er ließ ihn seinem Wunsche gemäß zu Erpesfordi [Erfurt] auf's beste verpflegen. Nachdem Wolcold sich dort lange aufgehalten hatte, kam er, als nach dem Tode des Markgrafen Ricdag Ekkihard demselben gefolgt und Bolizlav nach Böhmen zurückgekehrt war, wieder zu seinem Bischofsitze. Späterhin ward auch Bolizlav sein treuer Freund, und so feierte auch Wolcold zu Prag die Einsetzung des heiligen Abendmahls. Wie er aber den Tag darauf, am Charfreitage, das Gedächtniß des Leidens Christi, wie sich's gehörte, beging, wurde er vom Schlage getroffen hinweg getragen; und ward auch Zeit seines Lebens nicht wieder gesund, obwohl er sich mitunter wieder etwas erholte. Er war 23 Jahre lang Bischof gewesen, als er am 23. August aus diesem Leben schied."
Der entscheidende lateinische Text [nach den MGH SS rer. = Scriptores rerum Germanicarum, Nova series (SS rer. Germ. N. S.), Bd. 9: "Die Chronik des Bischofs Thietmar von Merseburg und ihre Korveier Überarbeitung". S. 136 ] lautet:
- Buch IV, Kapitel 5 (ehemals Kapitel 4): "Post haec Heinricus Bolizlavum, ducem Boemiorum, in cunctis suimet necessitatibus semper paratum, cum suis adiit honorificeque ab eo succeptus cum exercitu eiusdem a finibus suis per Niseni et Deleminci pagos usque ad Mogelini ducitur. Deindeque cum nostris obviam sibi pergentibus ad Medeburun proficiscitur. Wagio vero miles Bolizlavi, duces Boemiorum, qui Heinricum cum exercitu comitar, cum ad Misni redeundo perveniret, cum habitatoribus eiusdem pauca locutus Frithericum, Rigdagi marchionis tunc in Merseburg commorantis amicus et satellitem, ad aecclesiam extra urbem positam venire ac cum eo loqui per internuntium postulat. Hic ut egreditur, porta post eum clauditur, et Ricdagus, eiusdem civitatis custos et inclitus miles, iuxta fluvium, qui Tribisa dicitur, ab hiis dolose occiditur."
[Bearbeiten] Der "Annalista Saxo" zu Rikdag
Auch der Annalista Saxo schreibt zum Jahr 985:
- "Rigdagum præclarum Marchionem, hoc demum anno desunctum esse. Est qui eo usum patre alterum hunc Rigdagum coniiciat, Misnæ civitates custodem."
Demzufolge starb der Markgraf Rikdag 985 (in Merseburg), während "der andere Rikdag" schon im Jahr zuvor (984) bei der Verteidigung von Meißen im Triebischtal gefallen war (nach Hasche bei der "984 erbauten St. Nicolaikirche an der Truͤbische").
Der Annalista Saxo bezieht sich dabei auf eine Stelle aus der Quedlinburger Chronik.
[Bearbeiten] Lüneburger Necrolog zum 11. Oktober
- "Vielleicht der Ridaggus, dessen Ermordung das Necrol. Luneb. zum 11. Oktober notiert (vgl. Wedekind, Noten 3, 76)." In: MGH SS rer. = Scriptores rerum Germanicarum, Nova series (SS rer. Germ. N. S.), Bd. 9: "Die Chronik des Bischofs Thietmar von Merseburg und ihre Korveier Überarbeitung". S. 137, Anm. 8.
[Bearbeiten] Bedeutung für den Gau Nisan (um Dresden)
Für den Gau Nisan bedeutet das Jahr 984 eine weitere historische Zäsur: nachdem ab 965 im Schutz der deutschen Zwing-Burg Meißen eine deutsche Struktur im Gau aufgebaut wurde, deren Vorreiter römisch-katholische Missionare aus der Reichsabtei Hersfeld waren, dicht gefolgt im Jahr 968 vom neuen Bischof von Meißen (mit Zehntforderungen ab 971), zerbrach nun diese deutsche Gauverfassung bis zum Jahr 1142, als der Herzog von Böhmen den Gau Nisan (und den Gau Milsca = Gau Budissin um Bautzen) an den deutschen König abtreten mußte. Einerseits wiederholte sich hiermit die Geschichte aus der Frühzeit des Elbtalkessels, als im Jahr 9 n. Chr. die römische Herrschaft über den Elbtalkessel (mit der Siedlung Loupfourdon, lateinisch: Lupfurdum) nach nur wenigen Jahren schlagartig zusammenbrach. Andererseits ging ab 984 die Entwicklung von Nisan und erst recht der Oberlausitz um Bautzen mit der Entwicklung im Aufstandsgebiet des Großen Slawenaufstandes von 983 konform, wobei sich in all diesen westslawischen Gebieten für gut 150 Jahre noch keine deutsche Herrschaft etablieren konnte. Diese Kongruenz wird in der herrschenden Geschichtswissenschaft viel zuwenig beachtet, weil der Raum Dresden und die Oberlausitz zu kleinteilig für die Deutsche Geschichte sind.
Der Burggraf Rikdag gehörte zu jenen Kräften, welche diese Entwicklung aufhalten wollten und fand somit den Tod. Er gehörte nicht mehr jener Ära an, in der aus dem Herzogtum Böhmen sich das Königreich Böhmen mit den umfangreichen Ländern der böhmischen Krone entwickelte.