Burggraf von Meißen

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Der Burggraf von Meißen (zunächst lateinisch Præfecti civitatis oder auch nur Præfecti, später Burggravii) war der Kommandant der Burg Meißen.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] 929-936: ostfränkischer Burgkommandant

Ein erster namentlich nicht überlieferter Burgkommandant (Vorläufer des Burggrafen) wurde beim Bau der Burg Meißen durch König Heinrich I. im Jahr 929 mit einer Burgbesatzung hinterlassen. Die Grenz-Burg Meißen am Westende des Elbtalkessels war gegen die Nisani und Milzeni gerichtet, nachdem die Hauptburg Gana der Glomaci (= Daleminzier) kurz zuvor gefallen war.

936 starb König Heinrich I. Daraufhin fühlten sich weder die Sorben noch die Böhmen an die Verträge mit ihm gebunden. Die Burg Meißen wurde vom Herzog von Böhmen erobert.

[Bearbeiten] 936-965: böhmische Burggrafen

[Bearbeiten] 965 - 982: Wigbert, Thietmar und Gunther Markgrafen von Meißen

Ein Burggraf unter den Markgrafen Wigbert (965976), Thietmar I. (976979) und Gunther von Merseburg (981982) ist nicht belegt, aber sehr wahrscheinlich. Das Amt des Burggrafen existierte damals schon (in Regensburg wurde wahrscheinlich zum Jahreswechsel 960/961 die Burggrafschaft Regensburg mit einem "prefectus Ratisbonensis" als Burggrafen gegründet). Schon 984 werfen die kriegerischen Ereignisse um die Burg Meißen ein Schlaglicht der Geschichte dorthin, wodurch die Annalen vom Tod des Burggrafen Rikdag berichten. Man kann davon ausgehen, daß es auch die 19 Jahre zuvor (seit 965) einen Burgkommandanten (Burggrafen) gegeben hatte, einen Teil der Jahre oder vielleicht sogar die ganze Zeit diesen Rikdag, da nur über dessen Tod, aber nicht über dessen Einsetzung berichtet wird.

Johann Christian Hasche führt dazu aus ("Versuch einer Geschichte derer Burggrafen zu Meissen, oder Diplomatische Annalen derselben", Dresden 1793):

S. 13 "Meissen war ein Hauptpaß des Landes und konn=

te in so turbulenten Zeiten nicht ohne Schloßbe=

satzung bleiben, da Boͤhmen, Pohlen und die Mil=

ziener bestaͤndig einfielen und die besiegten Wen=

den zum Aufruhr aufwiegelten, der Markgraf

aber oft wider den Feind ausziehen, und die Gren=

ze des Landes nicht nur vertheidigen, sondern auch

erweitern mußte. Das machte einen eignen Kom=

mendanten zu Meissen nothwendig. Zwar wissen

wir keinen aus jenen Zeiten zu nennen, aber da=

ran ist entweder ihre Geringfuͤgigkeit bei der Ent=

stehung schuld, wo sie nicht Gelegenheit hatten,

sich durch glaͤnzende Thaten beruͤhmt zu machen,

oder die Kuͤrze ihrer Amtsverwaltung, oder auch

S. 14 die Unachtsamkeit der alten Schriftsteller ... "

[Bearbeiten] 984: Burggraf Rikdag

Zum Jahr 984 ist der Burggraf Rikdag den Annalisten ein Eintrag wert.

Thietmar von Merseburg erwähnt neben dem Markgrafen Rikdag auch Rikdag, den Hüter der Stadt Meißen (Rigdagus ejusdem civitatis custos [Misni]). Da es den Begriff des "burggravii" noch nicht gab, wird Rikdag als erster überlieferter deutscher Burggraf von Meißen angesehen.

Der lateinische Text [nach den MGH SS rer. = Scriptores rerum Germanicarum, Nova series (SS rer. Germ. N. S.), Bd. 9: "Die Chronik des Bischofs Thietmar von Merseburg und ihre Korveier Überarbeitung". S. 136 ] lautet:

"Post haec Heinricus Bolizlavum, ducem Boemiorum, in cunctis suimet necessitatibus semper paratum, cum suis adiit honorificeque ab eo succeptus cum exercitu eiusdem a finibus suis per Niseni et Deleminci pagos usque ad Mogelini ducitur. Deindeque cum nostris obviam sibi pergentibus ad Medeburun proficiscitur. Wagio vero miles Bolizlavi, duces Boemiorum, qui Heinricum cum exercitu comitar, cum ad Misni redeundo perveniret, cum habitatoribus eiusdem pauca locutus Frithericum, Rigdagi marchionis tunc in Merseburg commorantis amicus et satellitem, ad aecclesiam extra urbem positam venire ac cum eo loqui per internuntium postulat. Hic ut egreditur, porta post eum clauditur, et Ricdagus, eiusdem civitatis custos et inclitus miles, iuxta fluvium, qui Tribisa dicitur, ab hiis dolose occiditur."


Übersetzt heißt es bei Thietmar (Übersetzung von Johann Christian Mauritz Laurent und J. Strebitzki in "Die Geschichtschreiber der deutschen Vorzeit", 11. Jahrhundert, Band 1, 2. Auflage, Verlag von Franz Duncker, Leipzig 1879):

Auch der Annalista Saxo schreibt zum Jahr 985:

Demzufolge starb der Markgraf Rikdag 985 (in Merseburg), während "der andere Rikdag" schon im Jahr zuvor (984) bei der Verteidigung von Meißen im Triebischtal gefallen war (nach Hasche bei der "984 erbauten St. Nicolaikirche an der Truͤbische").

Der Annalista Saxo bezieht sich dabei auf eine Stelle aus der Quedlinburger Chronik.

Für den Gau Nisan bedeutet das Jahr 984 eine weitere historische Zäsur: nachdem ab 965 im Schutz der deutschen Zwing-Burg Meißen eine deutsche Struktur im Gau aufgebaut wurde, deren Vorreiter römisch-katholische Missionare aus der Reichsabtei Hersfeld waren, dicht gefolgt im Jahr 968 vom neuen Bischof von Meißen (mit Zehntforderungen ab 971), zerbrach nun diese deutsche Gauverfassung bis zum Jahr 1142, als der Herzog von Böhmen den Gau Nisan (und den Gau Milsca = Gau Budissin um Bautzen) an den deutschen König abtreten mußte. Einerseits wiederholte sich hiermit die Geschichte aus der Frühzeit des Elbtalkessels, als im Jahr 9 n. Chr. die römische Herrschaft über den Elbtalkessel (mit der Siedlung Loupfourdon, lateinisch: Lupfurdum) nach nur wenigen Jahren schlagartig zusammenbrach. Andererseits ging ab 984 die Entwicklung von Nisan und erst recht der Oberlausitz um Bautzen mit der Entwicklung im Aufstandsgebiet des Großen Slawenaufstandes von 983 konform, wobei sich in all diesen westslawischen Gebieten für gut 150 Jahre noch keine deutsche Herrschaft etablieren konnte. Diese Kongruenz wird in der herrschenden Geschichtswissenschaft viel zuwenig beachtet, weil der Raum Dresden und die Oberlausitz zu kleinteilig für die Deutsche Geschichte sind.

Der Burggraf Rikdag gehörte zu jenen Kräften, welche diese Entwicklung aufhalten wollten und fand somit den Tod. Er gehörte nicht mehr jener Ära an, in der aus dem Herzogtum Böhmen sich das Königreich Böhmen mit den umfangreichen Ländern der böhmischen Krone entwickelte.

[Bearbeiten] Johann Christian Hasche: Versuch einer Geschichte derer Burggrafen zu Meissen

Johann Christian Hasche: "Versuch einer Geschichte derer Burggrafen zu Meissen, oder Diplomatische Annalen derselben", Dresden 1793:

7 "Was der Name *) eines Burggrafen gramma=

tisch bedeute, ist leicht, nemlich einen Grafen,

der uͤber eine Burg, oder Festung, gesetzt ist, der=

gleichen man heutiges Tages einen Commandan=


Anm. *) Das Amt des Burggrafen ist aͤlter als der Na=

me. Dieser kommt bey uns erst 1143 vor, da

ihre Wuͤrde und Amt schon 939 documenti=

ret werden. Wittichind Lib. II. ad an. 939 sagt,

Dedi mandavit ad præfectos urbium, qui erant

in Oriente. Vorher hießen sie Præfecti und Comites urbis, ingleichen Castellani.


8 ten zu nennen pfleget; wir setzen nemlich nach der

alten deutschen Landesverfassung hier voraus, daß

ganz Deutschland, oder Ostfranken vor und zu

der Carolinger Zeit in Gowe, Gaue oder Graf=

schaften abgetheilt war, welche Graven die vor=

nehmsten Hofofficianten oder Richter des Volks

in einem gewissen Landstrich, und Aufseher der

Justitz= und Militairverfassung ihrer Provinz wa=

ren, worinne sie gemeiniglich eigne Patrimonial=


9 guͤter hatten *). Richtiger also waͤre ein Burg=

graf ein Mann, der den Burgbann von seinem

Oberherrn zum Lehn bekam. (s. hinten Capitel 3.)

Daß aber dieser Titel in nachfolgenden Zeiten et=

was mehr zu sagen gehabt, kam daher, weil ihre

Wuͤrde (ungefaͤhr in der Mitte des eilften Jahr=

hunderts) erblich ward, und sie also durch gute

Wirthschaft, Kauf, Anbauung und Verbesserung

verschiedener Grundstuͤcken, auch Heyrathen, Erb=

schaften und Zusammenfluß mancher politischen

Umstaͤnde maͤchtiger wurden. Auf Lateinisch

wurden sie Præfecti, **) Præfecti civitatis

(unstreitig die aͤlteste Benennung, die von 1060

bis 1284 vorkommt,) Castellani, ***) urbis

Comites und Burggravii genennet,


Anm. **) Doch muß man diesen Titel, wenn er ohne

weitern Zusatz steht, nicht mit unvorsichtiger All=

gemeinheit auf sie verwenden. Der scultetus ...

hieß auch so.

11

Aelteste ungewisse Zeit.

§. 3.
Die alten Geschichtsschreiber haben weder den

Ursprung der Burg zu Meissen, noch die Entste=

hung der Burggrafen, und die Namen der ersten

der Nachwelt aufbewahrt, daher muͤssen wir in

so weiter Entfernung nur rathen. Scripserunt

12 nulli, fecerunt fortiter omnes. Wahrschein=

  • Sie schrieben an niemanden, alle taten es tapfer.

lich war er urspruͤnglich Kommendant wider die

Milziener. Pet. Albinus *) will wissen, ver=

muthlich vom Fabritz **) verfuͤhret, daß der

Ursprung des Burggrafenthums unter Kaiser Otto

den III., des erstern Otto Enkel, falle; da aber

Ditmar ***) ausdruͤcklich sagt, daß Heinrich

nicht nur Meißen erbauet, sondern auch mit Be=

satzung versehen, quam ut hodie in usu ha-

betur præsidiis et impositionibus cæteris † )

munivit &c. welchem der saͤchsische Annalist

  • die er, wie es heute üblich ist, durch Belagerungen und andere Zwänge befestigte

Anm. † ) ... Wenn

wir auch einraͤumen wollten, daß præsidium al=

lerdings den Markgrafen mit bedeutete, so paßt

es doch nur genau auf den Burggrafen; der

Markgraf hatte wichtigere Dinge zu besorgen,

als bloßer Kommendant zu sein.

13 beim Eckard *) wörtlich beistimmt: so erhaͤlt

des seel. Hofraths Boͤhmens Meinung, hier waͤre

der erste Burggraf von ihm gesetzt worden, eine

nicht geringe Wahrscheinlichkeit, da sie eigentli=

ches Amt war, die Besatzung zu kommandiren.

Meissen war ein Hauptpaß des Landes und konn=

te in so turbulenten Zeiten nicht ohne Schloßbe=

satzung bleiben, da Boͤhmen, Pohlen und die Mil=

ziener bestaͤndig einfielen und die besiegten Wen=

den zum Aufruhr aufwiegelten, der Markgraf

aber oft wider den Feind ausziehen, und die Gren=

ze des Landes nicht nur vertheidigen, sondern auch

erweitern mußte. Das machte einen eignen Kom=

mendanten zu Meissen nothwendig. Zwar wissen

wir keinen aus jenen Zeiten zu nennen, aber da=

ran ist entweder ihre Geringfuͤgigkeit bei der Ent=

stehung schuld, wo sie nicht Gelegenheit hatten,

sich durch glaͤnzende Thaten beruͤhmt zu machen,

oder die Kuͤrze ihrer Amtsverwaltung, oder auch


14 die Unachtsamkeit der alten Schriftsteller, ob es

gleich immer wahr bleibt, daß sie erst unter Otto I.

eine voͤllige Bestimmung erhielten ...

Ein großes Heer alter und neuer Schrift=

steller ...

nehmen Friedrich Graf von Eilenburg **)

zum ersten Burggraf an ..., ich

aber behaupte ... : Rigdag sei um


Anm. **) Dieser hat als Untercommendant Meissen 2mal

gute Dienste geleistet. Einmal 984, wo ihm

Marggraf Rigdag, der nach Mersburg flohe,

die Stadt uͤberließ und 1010, wo ihm der Kai=

ser zum Interimsmarkgraf ernannte. - Er

hinterließ 3 Toͤchter. Seines Bruders Sohne

vermachte er Eilenburg eingenthuͤmlich mit der

Bedingung, daß sein uͤbrige Verlassenschaft sei=

nen Toͤchtern gehoͤren sollte. ... s. Ditmar


15 984 der erste Burggraf, deßen bewaͤhrte Schrift=

steller gedenken und den die Boͤhmen an der Trie=

bischbach erschlugen. Hier ist der Bewiß. Dit=

mar *) und der Saͤchsische Annalist, p. 343

nennen ihn ausdruͤcklich. ... Rigdagi marchionis ... ad ecclesiam extra urbem positam **) ... et Rigdagus ejusdem civitatis custos [Misni]

  • Rigdag, Markgraf ... und Rigdag, Hüter derselben Stadt [Meißen]

Da sind zwei Rigdage, der Markgraf und der Burggraf

Anm. **) war die 984 erbaute St. Nicolaikirche an der

Truͤbische.

16 * ) Des Annalisten Stelle

ist deutlicher. Beim Jahr 985 heißts: Rig-

dagum præclarum Marchionem, hoc de-

mum anno desunctum esse. Est qui eo

usum patre alterum hunc Rigdagum con-

iiciat, Misnæ civitates custodem. **) Nun

schweigen die aͤltern Jahrbuͤcher lange Zeit.


Anm. *) ... Der Burggraf ward 984 erschla=

gen, der Markgraf, der sich damals zu Merse=

burg befand, starb 985. S. Annal. Sax. und das

Cron. Quedlinb.


Johann Christian Hasche: "Versuch einer Geschichte derer Burggrafen zu Meissen, oder Diplomatische Annalen derselben", Dresden 1793

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