Karl August Lingner
Karl August Lingner, auch bekannt als der Odolkönig, war ein sächsischer Großindustrieller und Dresdner Stifter.
[Bearbeiten] Biographie
K.A. Lingner wurde am 21. Dezember 1861 als dritter Sohn eines Kaufmanns in Magdeburg geboren. 15-jährig ging Lingner in das märkische Gardelegen und arbeitete als Handlungsgehilfe in einen Warenladen. 1883 zog es Lingner nach Paris. Sein Vorhaben, Musik am Pariser Konservatorium zu studieren, scheiterte ebenso wie seine Tätigkeit als Handelsvertreter für deutsche Firmen. Mittellos kehrte er 1885 nach Deutschland zurück.
In Dresden fand er zunächst eine Anstellung als Korrespondent in der Nähmaschinenfabrik Seidel & Naumann. Mit dem Techniker G.W. Kraft (1855-1929?) gründete Lingner 1888 die Firma Lingner & Kraft. Die Produktion in einem Gartenhaus auf der Wölfnitzstraße 11 umfasste u.a. Rückenkratzer, Stahllineale und Federreiniger. 1892 verließ Kraft das Unternehmen. In den Jahren 1891/92 bot der Chemiker Dr. Richard Seifert (1861-1919) Lingner die Vermarktung eines Antiseptikums an und eröffnete ihm den Zugang zu den maßgebenden Arbeiten der modernen Bakteriologie. Da die Mundhöhle als die Haupteintrittspforte krankheitserregender Bakterien galt, entschloss sich Lingner zur Herstellung eines Mundwassers. Mit der Herstellung des „Odol“ (lat. odus, Zahn und oleum, Öl) kam Lingner dem Bedürfnis breiter Bevölkerungsschichten nach Schutz vor den unsichtbaren Bakterien nach, sein Produkt fand daher reißenden Absatz.
Am 3. Oktober 1892 gründete Lingner das „Dresdner Chemisches Laboratorium Lingner“. Die Produktion wuchs ständig, letztendlich wurde das Stammhaus der Lingner-Werke auf der Nossener Straße 2/4 etabliert und ein weltweites Fabrikations- und Betriebssystem aufgebaut. Lingner entwickelte „Odol“ zu einer unverwechselbaren Marke und fand als Mitbegründer der Markenartikelindustrie und modernen Werbung Eingang in die allgemeine Industriegeschichte.
Innerhalb weniger Jahre erwirtschaftete Lingner „aus dem Nichts kommend“ ein zweistelliges Millionenvermögen. Dies ermöglichte ihm einen vorzüglichen Lebensstil, nur die wenigsten Fürsten und Adligen konnten mithalten. Fortan begleiteten Neid und Missgunst den Erfolgreichen, der u.a. die Villa Stockhausen in Dresden und das Schloss Tarasp in der Schweiz zu seinem Immobilienbesitz zählte.
Lingner war Mitglied im elitären Kaiserlichen Motorjachtklub und sorgte für Aufsehen mit seiner Motorjacht auf der Kieler Woche. Standesgemäß lenkte Lingner als Vorsitzender des Sächsischen Automobilklubs einen Mercedes. Rauschende Feste, sein Orgelspiel, zwei uneheliche Kinder und augenscheinliche Männerfreundschaften bewirkten Aufsehen, Bewunderung und Ablehnung.
Durch die Beschäftigung mit dem Desinfektionswesen seiner Zeit kam Lingner zum Studium der sozialhygienischen Literatur. Er erkannte schnell die bestehende Unkenntnis der Bevölkerung bezüglich der Entstehung und Verbreitung von Erkrankungen und setzte in der Folge einen großen Teil seines Millionenvermögens für die hygienische Volksbelehrung und zur Unterstützung gemeinnütziger Einrichtungen ein. Hier seien insbesondere die Ausstellung „Volkskrankheiten und ihre Bekämpfung“ (1903) und die I. Internationale Hygieneausstellung (1911) in Dresden hervorgehoben. Letztere erreichte mit über 5 Millionen Besuchern die Dimension und Anerkennung einer Weltausstellung für Gesundheit. Die von Lingner entwickelte Ausstellungsmethodik macht ihn zum Vorreiter der modernen hygienischen Volksbelehrung.
Lingner verstand es, kompetente Mitarbeiter für seine gemeinnützigen Pläne zu begeistern bzw. moderne Projekte zu unterstützen. Genannt seien die „Kinderpoliklinik mit Säuglingsheim in der Johannstadt“ 1897, die erste Säuglingsklinik der Welt 1898, die „Zentralstelle für Zahnhygiene“ 1900, die „Öffentliche Zentralstelle für Desinfektion“ 1901, die Desinfektorenschule 1902, die Dresdner Lesehalle 1903 (heute: Chinesischer Pavillon (Weißer Hirsch)) und das Deutsche Hygiene-Museum 1912.
1910/11 begründete Lingner mit dem Sächsischen Serumwerk ein weiteres erfolgreiches Unternehmen in Dresden, er selbst belieferte die kämpfenden Truppen im Ersten Weltkrieg mit Heilsera. Mit der Gründung des „Politisch wissenschaftlichen Archives“ 1915 in Berlin versuchte Lingner die durch den Weltkrieg geschwächte internationale Position Deutschlandes zu stärken. Die Visionen zur Gründung einer europäischen Staatengemeinschaft konnte Lingner, der von Gustav Stresemann (1878-1926) als zukünftiger deutscher Botschafter gesehen wurde, nicht mehr verfolgen. Er starb am 5. Juni 1916 in Berlin nach einer Zungenkrebsoperation. Die testamentarisch begründete Lingner-Stiftung sicherte den Fortbestand seiner gemeinnützigen Einrichtungen. Seinen letzten Wohnsitz, die Villa Stockhausen, vermachte er der Stadt Dresden „zum Besten der Bevölkerung von Dresden und Umgebung“.
[Bearbeiten] Literatur
- FUNKE, Dr. Ulf-Norbert: Der Dresdner Großindustrielle Karl August Lingner (1861–1916) und sein gemeinnütziges Wirken, Dissertation, Dresden 1993
- BÜCHI, Walter A.: Karl August Lingner: Das große Leben des Odolkönigs, Edition SZ, 2006
[Bearbeiten] Weblinks
- Die deutschsprachige Wikipedia zum Thema „Karl August Lingner“
- http://www.diabetesgeschichte.de/Karl_August_Lingner.462
- http://geschichte.sachsen.de/pe/1074.htm
- http://love-odol.de/historie.html
- Odol in Brand-Erbisdorf