Victor Klemperer

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Victor Klemperer im Jahr 1954
Grabstätte von Eva und Victor Klemperer auf dem Friedhof Dölzschen

Victor Klemperer (* 9. Oktober 1881 in Landsberg an der Warthe; † 11. Februar 1960 in Dresden), ein studierter Romanist, Germanist und Philosoph, als Professor 1920 nach Dresden an die TH Dresden (heute TU) berufen, lebte lange Zeit in Dresden und gilt durch seine zwischen 1933 und 1945 entstandenen fünftausend Seiten Tagebücher als ein Chronist des Alltags der Nazizeit, speziell in Dresden. Seine detaillierten Tagebücher aus dieser Zeit, die er bei einer Freundin in Pirna verstecken und retten konnte, sind ein erschütterndes Zeitdokument, welches das Leben der jüdischen, aber auch der übrigen Dresdner Bevölkerung in dieser Zeit eindringlich schildert. Klemperer schrieb auch vor und nach diesen Jahren Tagebücher, die ebenfalls veröffentlicht sind, die aber sein Leben vor allem in anderen Orten wiedergeben.

Victor Klemperer hatte jüdische Wurzeln, sein Vater war in Landsberg und Berlin Rabbiner. Klemperer war allerdings getauft und bekennender Protestant. Er sah sich vor 1933 immer als Deutscher, hatte im Ersten Weltkrieg für Deutschland gekämpft und hatte sogar nationale Tendenzen, die er nach 1933 zugunsten einer kosmopolitischen Einstellung ablegte. Er und seine Frau Eva waren nach 1933 ungezählten Schikanen ausgesetzt: Arbeitsplatzverlust, Zwangsumzug, Zwangsarbeit, Zwangsabgaben, Beschlagnahmungen, Verhaftung u.v.m. Nur knapp entging er 1945 einer vorgesehenen Deportation, nachdem er zuvor die Deportation und die verzweifelten Selbstmorde vieler Bekannter sowie ungezählter Ungerechtigkeiten in Dresden miterleben musste.

Im Chaos der Bomben im Februar 1945 konnten er und seine Eva aus Dresden und vor den Mordbanden der Gestapo fliehen. Damit gehörte Klemperer zu den wenigen Überlebenden der Dresdner Bürger mit jüdisch-geprägten Vorfahren. Auch er sollte mit den zuletzt in der Stadt verbliebenen jüdischen Einwohnern in ein KZ gebracht werden, aber dieser letzte Transport kam nicht mehr zustande. Zuvor gab es ca. neun Transporte mit jüdischen Bürgern, die zuerst in das KZ Theresienstadt im heutigen Tschechien und von dort zum größten Teil in Vernichtungslager transportiert wurden.

Neben einer erschreckend detaillierten Dokumentation der Grausamkeiten in seiner Umgebung (so schienen Morde aller Art nie ein großes Geheimnis zu sein) findet man in seinen Tagebüchern auch Bekundungen von hitlerkritischen Mitbürgern Dresdens, die auch oft, soweit es ging und im allgemeinen Klima der Angst und des Misstrauens möglich war, Hilfe oder auch nur Zuspruch aller Art leisteten.

Noch 1934 baute Klemperer an der Straße Am Kirschberg in Dresden-Dölzschen unter knappen ökonomischen Bedingungen ein Haus, aus dem er 1940 durch trickserische Umstände der ihn umgebenden Nazis herausgedrängt wurde. Durch Zwang mussten er und seine Frau in ein sogenanntes Judenhaus umziehen, eine erste Station auf ihrer beider Weg durch verschiedene Dresdner Judenhäuser. Noch heute steht das Haus in Dölzschen. Er ließ es vor allem für seine Frau Eva bauen, die nicht mehr in ihrem Beruf als Pianistin tätig sein konnte und sich in den Arbeiten im und um das Haus etwas verwirklichen konnte.

Spätestens mit dem Beginn des Zweiten Weltkriegs 1939 trat eine Mangelversorgung sowie Rationierung der deutschen Bevölkerung durch Markenzuteilung ein, die besonders jüdische Haushalte stark traf, da diesen weniger zugeteilt wurde. Auch dieser Aspekt des Lebens sowie die Reaktionen des Tausches und der Suche werden in seinen Tagebüchern ausführlich beschrieben.

Klemperer gilt durch sein Buch LTI – Lingua Tertii Imperii (Die Sprache des dritten Reiches) als philologischer Betrachter, der die in der Zeit des dritten Reiches entwickelte und benutzte Sprache dokumentiert und festhält. Anhand der analysierten Sprache versucht er das Unrechtssystem zu schildern. Sein Buchprojekt LTI war neben seiner Autobiographie, seinem Tagebuch und seiner Französischen Literaturgeschichte im 18. Jahrhundert eines der großen Buchprojekte, das ihm während der Zeit der Verfolgung und Unterdrückung half, nicht komplett den Verstand zu verlieren.

Victor Klemperer wurde wie seine erste Frau Eva auf dem Friedhof Dölzschen beigesetzt.

[Bearbeiten] Entzifferung und Herausgabe der Tagebücher

Klemperers Tagebücher entdeckte und entzifferte Mitte der 1980er Jahre Uwe Nösner, ein junger Redakteur der Dresdner Tageszeitung „Die Union“. Nösner betreute auch die Erstveröffentlichung der Tagebücher als Fortsetzungsserie in der Union unter dem Titel „Alltag einer Diktatur. Aus den Tagebüchern 1936 bis 1940“ (ab Mai 1987, Fortsetzung ab November 1988). Anschließend gab der Aufbau-Verlages die Tagebücher als gebundenes Exemplar heraus.[1]

[Bearbeiten] Gedenken

Heute tragen die Dresdner Volkshochschule, eine Straße im Stadtteil Zschertnitz sowie ein TU-Hörsaal[2] am Weberplatz Klemperers Namen.

Am 15. Juli 2014 wurde vor Klemperers Wohnhaus Am Kirschberg ein sogenanntes Denkzeichen für die Familie eingeweiht. Die Tafel informiert über Leben und Werk der Klemperers.[3]

Seit 13. Februar 1997 steht die Inszenierung „Ich will Zeugnis ablegen. Aus den Tagebüchern Victor Klemperers“ auf dem Spielplan des Staatsschauspiels. Auf einer Oldtimer-Busfahrt durch Dresden liest der Schauspieler Hanns-Jörn Weber Auszüge aus den Aufzeichnungen des Romanisten.

Die TU Dresden ehrt seit 2008 jedes Jahr die besten Absolventen der Geistes- und Sozialwissenschaften mit der Victor-Klemperer-Urkunde.[4]

[Bearbeiten] Quellen und Literatur

  1. Axel Helbig/Kerstin Leiße: Der Dresdner Dichter und Autor Uwe Nösner ist tot. In: DNN 18.10.2018, S. 7. DNN 28.12.2021, S. 18.
  2. http://www.medienservice.sachsen.de/medien/news/158654
  3. Pressemitteilung der Stadt Dresden, 11.7.2014
  4. Pressemitteilung der TU Dresden, 15.12.2009. „Seit dem letzten Jahr werden außer den Besten der Fakultäten, die die Lohrmann-Medaille der TU Dresden erhalten, weitere Urkunden für vier Wissenschaftsbereiche vergeben.“

[Bearbeiten] Weblinks

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