Kapelle Briesnitz

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Die Lage und die Geschichte der Kapelle Briesnitz sind nicht befriedigend geklärt.

Sie war auf jeden Fall deutlich verschieden von der Briesnitzer Kirche.

Da die relativ umfangreichen sorbisch-orthodoxen Quellen erst aus der Hussitenzeit stammen, wurde zeittypisch kein Patrozinium erwähnt.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Nach 1223 bis um 1260: möglicherweise Interimsbau zwischen Marienkirche und neuer Kirche Briesnitz

Die Kapelle Briesnitz folgte möglicherweise der 1223 zerstörten Marienkirche auf dem Gelände der Burg Bresnice nach, kann aber auch außerhalb des Burggeländes gestanden haben.

[Bearbeiten] Lateinische Messe

Da nach der Vertreibung der Akademie Nisan aus Kayticz im Jahr 1212 offiziell nur noch lateinische Gottesdienste im Gau Nisan möglich waren, wurde die Kapelle Briesnitz zunächst durch den römisch-katholischen Priester von Briesnitz bedient.

Sehr wahrscheinlich fungierte sie nach der Zerstörung der Marienkirche Briesnitz im Jahr 1223 bis um 1260 (Bau der neuen Briesnitzer Kirche auf einem 150 m vom ehemaligen Burgkern entfernten Bergsporn) als Interimsbau für den lateinischen Gottesdienst.

[Bearbeiten] 1204: der Tradition nach Bau des neuen Briesnitzer Kirchturmes

[Bearbeiten] Nach 1260: möglicherweise Friedhofskapelle

Die Zeit der Kapelle Briesnitz zwischen 1260 und 1409 liegt völlig im Dunkel der Geschichte. Sie wurde weder damals von westlichen noch von östlichen Quellen erwähnt. Wahrscheinlich ist es, daß sie als Friedhofskapelle weitere Verwendung fand. Der Innere Briesnitzer Friedhof (Kirchfriedhof) um die neue Briesnitzer Kirche wurde ab etwa 1273 belegt (der Äußere Briesnitzer Friedhof erst ab 1886).

[Bearbeiten] 1409 bis 1412: Peter von Dresden und Einführung der alttschechischen Messe durch Andreas von Bresnice

In den Jahren 1409 bis 1412 wirkte Peter von Dresden mit seinen Gesellen Nikolaus und Friedrich auch in der Kapelle Briesnitz. Das Dorf Briesnitz war damals noch überwiegend von sorbisch sprechenden Bauern bewohnt.

Unterstützt wurden Peter von Dresden und seine Gesellen Nikolaus und Friedrich durch den Priester Andreas von Bresnice, der nun volkssprachliche (alttschechische) Gottesdienste abhielt. Jan Hus hatte um 1400 eine am Prager Dialekt seiner Zeit orientierte Schriftsprache eingeführt und zur genaueren Wiedergabe der tschechischen Laute die beiden diakritischen Zeichen háček und čárka erfunden. Er überarbeitete auch Übersetzungen aller Teile der Bibel. Das damals zeittypische Alttschechisch war dem Altsorbischen noch sehr ähnlich, während das seinerzeit rund 550 Jahre alte Kirchenslawische bereits zu unverständlich war.[7]

Die für die römisch-katholische Kirche wie für die österreichischen Habsburger als Anwärter auf die königlich-böhmische Wenzelskrone gleich gefährliche reformatorische Hussitenbewegung führte am 28. November 1414 zur Verhaftung von Jan Hus trotz königlichen Geleitbriefes auf dem Konstanzer Konzil (auf Anordnung von [Gegen-] Papst Johannes XXIII.) und zur Verbrennung desselben am 6. Juli 1415 auf dem auf dem Brühl in Konstanz (zwischen Stadtmauer und Stadtgraben) - zusammen mit seinen Schriften, obwohl der Papst selbst schon im März aus Konstanz geflohen war.

[Bearbeiten] 1412: Vertreibung des Peter von Dresden

1412 wurden zwar Peter von Dresden und seine Gesellen Nikolaus und Friedrich durch den römisch-katholischen Bischof von Meißen Rudolf von der Planitz vertrieben, aber der Priester Andreas von Bresnice führte unbeirrt den volkssprachlichen Gottesdienst weiterhin durch. Die Vertreibung wirkt sogar wie eine Propaganda für den alttschechischen Gottesdienst, der dadurch erheblichen Zulauf aus der altsorbischen Bevölkerung erhielt. Es kamen sogar altsorbische Bauern aus der Meißner Gegend, um der alttschechischen Messe beizuwohnen.[8]

[Bearbeiten] 1420er Jahre: Einführung des Laienkelches

In den 1420er Jahren führte Andreas von Bresnice - beeinflußt von den Kalixtinern - den Laienkelch (der Hussiten) in der altsorbischen Gemeinde ein. Die Kalixtiner (auch: Calixtiner) nannten sich nach lateinisch "calix" (der Kelch) auf tschechisch "kališníci". Die deutsche Entsprechung war "Kelchner". Zuletzt und deshalb in der historischen Draufsicht überwiegend wurden die Kelchner als Utraquisten bezeichnet - von lateinisch "communio sub utraque specie" (Abendmahl in beiderlei Gestalt – d.h. auch mit Kelchkommunion, wobei sowohl Brot als auch Wein gereicht wurden).[9]

[Bearbeiten] 1429 / 1430: keine Zerstörung durch die Hussiten wegen des alttschechischen Gottesdienstes

Noch um 1429 / 1430 wurde hier kein lateinischer Gottesdienst durchgeführt, weswegen die Kapelle Briesnitz von den Hussiten verschont wurde. Die Gottesdienstsprache hatte sich zeittypisch von Kirchenslawisch zu Alttschechisch verschoben. Dabei wurde auch der Laienkelch (Hussitenkelch) gereicht.[10]

Auch eine Zerstörung der Kirche Briesnitz ist im Gegensatz zu 1223 in dieser Zeit zumindest nicht prominent rezipiert. Dies könnte auf die Verschonung von Briesnitz zurückzuführen sein, während im Gegensatz dazu die lateinischen Gottesdienstorte (vor allem die Dorfkirchen) um Dresden - bis hin vor die Stadtmauer (vgl. Maternikapelle und auch Altendresden) - offenbar weitestgehend gründlich zerstört wurden.

[Bearbeiten] 28. Oktober 1430 (oder 1431): Märtyrertod des Andreas von Bresnice und Verbot der alttschechischen Messe

Am 28. Oktober 1430 (oder 1431) erhielt der heilige Andreas von Bresnice (nach sorbisch-orthodoxer Lesart "die Krone des Martyriums" von meißnischen Söldnern. Für die römisch-katholische Kirche war er ein "verdammter Ketzer". Mit seinem Martyrium fand der volkssprachliche Gottesdienst in der Kapelle Briesnitz zunächst ein jähes Ende.[11]

[Bearbeiten] Nach dem 15. Juli 1539: evangelische Messen in Deutsch

Nach der Kirchenvisitation ab dem 15. Juli 1539 wurde auch in Briesnitz die evangelische Messe in Deutsch gehalten und das Abendmahl in beiderlei Gestalt ausgeteilt - somit auch in der Kapelle Briesnitz.[12]

[Bearbeiten] 1559: Letzte Erwähnung

Eine letzte Erwähnung fand die Kapelle im Jahr 1559.[14] Im gleichen Jahr wurde auch die bischöfliche Gerichtsbarkeit aufgehoben.[15]Kurz danach scheint der damals rund 330 Jahre alte Bau abgebrochen worden zu sein. Sein Standort ist nicht gesichert, könnte aber auf dem Gelände der ehemaligen Burg gelegen haben, deren Wallanlagen bedeutend größer waren als bislang ergraben. So deuten Geländemerkmale im Pfarrgut Altbriesnitz 4 auf weitere Wälle und Gräben hin.[16]

Die Kapelle Briesnitz könnte sogar in den Mauern der Marienkirche Briesnitz weiter existiert haben. Einige Mauerreste und Fundamente dieser Kirche bezog man nach den archäologischen Befunden um 1550 in einen Scheunenbau ein, der bis ins 18. Jahrhundert existierte.

[Bearbeiten] Anmerkungen

  1. "Deren [der Burgbefestigung Briesnitz] zu Beginn des 13. Jahrhunderts erfolgte Zerstörung, der kein Wiederaufbau folgte, wird mit einem für die Region wichtigen Ereignis in Verbindung gebracht, als 1223 Ludwig der Heilige von Thüringen im Raum Dresden an die 20 Befestigungen zur Sicherung des Wettiner Besitzes geschliffen haben soll, was mit dem Dendrodatum des späten Wallausbaues von 1198 korrespondiert, das einen zeitlichen Hinweis darauf gibt, dass anschließend der Wall bis zur Verschlackung nieder brannte." In: Interessengemeinschaft Briesnitz e.V. (Hrsg.): "Den Vorfahren auf der Spur. Ausgrabung der Burg Briesnitz" (= "Zum 75. Geburtstag eine herzliche Gratulation für Helmut Köhler"), Druckerei & Verlag Dieter Freund, Dresden (Omsewitzer Grund 5) 2007, ISBN 978-3-00-020997-0, S. 38.
  2. DIE KIRCHE ZU DRESDEN-BRIESNITZ auf kirchspiel-dresden-west.de (abgerufen am 13. Mai 2024).
  3. DIE KIRCHE ZU DRESDEN-BRIESNITZ auf kirchspiel-dresden-west.de (abgerufen am 13. Mai 2024).
  4. MÜLLER, Johannes: „Die Anfänge des sächsischen Schulwesens“ in Neues Archiv für sächsische Geschichte und Alterthumskunde, 8. Band 1887, S. 8
  5. Adreßbuch für Dresden und seine Vororte, 1904
  6. DIE KIRCHE ZU DRESDEN-BRIESNITZ auf kirchspiel-dresden-west.de (abgerufen am 13. Mai 2024).
  7. sorbisch-orthodoxer Prolog zu Peter von Dresden.
  8. sorbisch-orthodoxer Prolog zu Peter von Dresden.
  9. sorbisch-orthodoxer Prolog zu Andreas von Bresnice.
  10. sorbisch-orthodoxer Prolog zu Andreas von Bresnice.
  11. sorbisch-orthodoxer Prolog zu Andreas von Bresnice.
  12. Martin Bernhard Lindau: Geschichte der königlichen Haupt- und Residenzstadt Dresden. 2. verbesserte Auflage, Dresden 1885 (SLUB Digitalisat), S. 287f. (abgerufen am 12. Mai 2024).
  13. DIE KIRCHE ZU DRESDEN-BRIESNITZ auf kirchspiel-dresden-west.de (abgerufen am 13. Mai 2024).
  14. Friedrich Böttcher: "Die Geschichte des Dorfes Briesnitz." Mit Fotos von Wilhelm Liebert u. a.; Manuskript von 1933, seit 1955 im Stadtarchiv Dresden; hrsg. vom IG Briesnitz e. V. im November 1995.
  15. "Nach der Reformation (1539) wurden die Vorwerke des Bischofs und des Archidiakons verstaatlicht und das Land an Bauern verteilt. 1559 wurde auch die bischöfliche Gerichtsbarkeit aufgehoben." In: DIE KIRCHE ZU DRESDEN-BRIESNITZ auf kirchspiel-dresden-west.de (abgerufen am 13. Mai 2024).
  16. Interessengemeinschaft Briesnitz e.V. (Hrsg.): "Den Vorfahren auf der Spur. Ausgrabung der Burg Briesnitz" (= "Zum 75. Geburtstag eine herzliche Gratulation für Helmut Köhler"), Druckerei & Verlag Dieter Freund, Dresden (Omsewitzer Grund 5) 2007, ISBN 978-3-00-020997-0, S. 32.
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