Louis Naumann
Dr. phil. Karl Louis Naumann, auch Carl Louis Naumann (* 27. März 1843 in Oberbobritzsch bei Freiberg/Sachsen; † 7. Juni 1900 in Wiesbaden) war ein deutscher Chemiker, Geschäftsmann, Unternehmer und Inhaber der Plauener Konservenfirma „Dr. L. Naumann“, zuletzt im Rang und mit Titel eines Königlich Sächsischen Kommerzienrates. Naumann gilt als einer der Wegbereiter der modernen Nahrungsmittelindustrie.
[Bearbeiten] Leben und Wirken
Karl Louis Naumann besuchte nach seiner Schulbildung die Universitäten Leipzig und Heidelberg. So war er im Wintersemester 1866 als Student bei Professor Robert Wilhelm Bunsen (1811–1899) am Lehrstuhl Chemie in Heidelberg eingeschrieben, wo er allerdings nur ein Semester blieb.[1]
Naumann beschäftigte sich vor allem mit Untersuchungen zu Gewürzpflanzen und deren Aromen und war der Erfinder mehrerer Extraktionsmethoden zur Herstellung von Gewürz- und Fruchtextrakten sowie von Gewürzsalzen. Naumann lernte zusätzlich zu seinen Studien auch verschiedene Handwerksberufe, so die der Bäckerei und Konditorei, der Fleischerei und der Zuckerwarenfabrikation.
Am 25. Januar 1872 gründete Louis Naumann die Firma „Dr. L. Naumann“.[2] Die Gewerbeanmeldung, die vom Rat der Stadt Dresden ausgestellt wurde, stammt vom 3. Februar 1872. Anfänglich als ein reiner Konservenhersteller gegründet, ließ Naumann hauptsächlich Obst-, Gemüse- und Fleischkonserven herstellen. Im Winter 1872/73 ließ Naumann die neue Fabrik im Dresdner Vorort Plauen bauen, die im März 1873 in der Wasserstraße (heute Hofmühlenstraße) 48b in Betrieb ging. Naumann produzierte hier – nun auch als Fabrik für Gewürz-Extrakte, Gewürzsalze und Fruchtextrakte – in unmittelbarer Nähe zur Hofmühle von Traugott Bienert (1813–1894). Bereits Ende 1873 wurde Karl Louis Naumann zum Königlichen Hoflieferanten für Gewürzextrakte ernannt, was den wirtschaftlichen Aufschwung mit beschleunigte.
Ab 1874 belieferte Naumann das zentrale Depot der sächsischen Armee in der Dresdner Albertstadt. 1875 war Naumann auf der Dresdner Gewerbe- und Industrieausstellung als führender Vertreter der deutschen Nahrungs- und Genussmittelindustrie vertreten. Zum Preisgericht bei dieser Ausstellung zählten u. a. die Professoren Lewicki und Hartig vom Polytechnikums Dresden.[3]
Aufgrund der seinerzeit revolutionären Technologie konnte Naumann seine Firma binnen kürzester Zeit zu einem der bedeutendsten Unternehmen der Konservenbranche in Europa entwickeln, das in den 1880er Jahren seine erste Blütezeit erlebte. 1886 verlegte Naumann die Fabrikation in die Betriebsstätte an der Chemnitzer Straße 42/Ecke Bamberger Straße.
Dr. Karl Louis Naumann erhielt für seine Produkte eine Vielzahl von Auszeichnungen und Medaillen auf verschiedenen Messen und Ausstellungen, so unter anderem:
- 1873: die Verdienstmedaille in Wien,
- 1874: die Silberne Medaille in Bremen,
- 1874: die Goldene Medaille der Prager-Kochkunst-Ausstellung und
- 1885: die Goldene Medaille auf der Kochkunst-Ausstellung in Berlin.
Bereits bis 1883 wurden Naumanns Produkte nach eigenen Angaben auf 50 Ausstellungen mit einem 1. Preis prämiert.
Ab 1886 war Naumann Alleinlieferant für Konserven und Gewürzextrakte für das sächsische Heer. Dies war auch der Grund für den erneuten Umzug des Unternehmens, das mittlerweile unter dem Namen „Dr. L. Naumann AG" firmierte, diesmal in die Albertstadt in das Industriegelände an der Königsbrücker Straße.[4] Die Produktpalette umfasste neben Konserven und Gewürzen auch Soßenpulver, Wurstgewürze, Backaromen, Lebensmittelfarben, Getränkegrundstoffe und natürliche Heilmittel, wie zum Beispiel „Cholosan“ ein alkoholhaltiges Rettichextrakt, das bei Gallensteinleiden hilfreich sein sollte und noch Jahrzehnte später in Apotheken erhältlich war.[5] Zu dieser Zeit wurden in der Saisonspitze bis zu 100.000 Konservendosen am Tag hergestellt und 70 bis 80 Ochsen und 300 Tonnen Hülsenfrüchte verarbeitet. Die Belieferung und die Weiterverladung an Kunden erfolgte über einen Gleisanschluss der ehemaligen Schlesischen Eisenbahn auf der Eisenbanhnlinie Dresden–Görlitz–Kohlfurt–Breslau. Dabei wurden 330 Arbeiter in der Konservenfabrik und ca. 250 bis 300 Arbeiter in der Blechdosen- und Kistenfabrik beschäftigt. Drei Dampfkessel und eine Dampfmaschine unterstützten die maschinelle Großproduktion.
Zahlreiche Patenturkunden zeugen vom Erfindungsreichtum des Unternehmens, das noch bis 1940 blühte und Niederlassungen beziehungsweise Geschäftspartner in allen europäischen Ländern hatte. Viele Produkte wurden weltweit geliefert. Naumann war Inhaber von acht weltweiten Patenten für natürliche Heilmittel.
Karl Louis Naumann war außerdem Mitglied des Plauener Gemeinderates. Bekannt wurde Naumann auch durch sein 1886 erschienenes Kochbuch:
- „Systematik der Kochkunst. Internationales Koch-Lehrbuch für Haushaltungen aller Stände. Zur Benützung beim Ertheilen von Unterricht sowie zum Selbststudium, desgleichen zur Orientierung für Aerzte“.
Nach seinem Tod wurde Karl Louis Naumann im Krematorium in Offenbach/Main eingeäschert.
Naumanns Unternehmen wurde von seinen Nachkommen weitergeführt, auch die Belieferungen an die spätere kaiserliche Armee Deutschlands wurden ausgebaut. So fanden sich noch 2010 auf einer Expedition in das Gebiet des Hererokrieges im damaligen Deutsch-Südwestafrika (heute Namibia) und Botswana Gulasch- und Rindfleischdosen von der Dr. L. Naumann KG aus Dresden-Plauen.[6]
Die Firma bestand dann ab 1945 als privates Unternehmen unter dem Namen „Dr. L. Naumann & Jean Olbricht K.G.“ als metallverarbeitender Betrieb und Lieferant für Aromen noch bis 1972,[7] bevor es zu DDR-Zeiten unter dem Namen „Naroma“ verstaatlicht und 1995 unter Leitung des Sohnes von Jean Olbricht, Ralf Olbricht im sächsischen Leisnig reprivatisiert wurde. Seit 2011 firmiert das Unternehmen unter „OlbrichtArom GmbH & Co. KG“ und wirbt mit dem Slogan „Aromen-Manufaktur seit 1872“.
Gewerbeanmeldung („Anzeigebescheinigung“) von Dr. Carl Louis Naumann von 1872
Kochbuch „Systematik der Kochkunst“ von 1886
[Bearbeiten] Einzelnachweise
- ↑ Studenten R. W. Bunsens in Heidelberg nach dem Datum der Inskription im Fach Chemie (Anlage) in: Eine Bibliothek als beredte Zeugin eines umfassenden Wandels des wissenschaftlichen Weltbilds, Universität Heidelberg, pdf-Datei
- ↑ Andere Quellen nennen bereits 1865 als Gründungsjahr. Die heutige Nachfolgefirma „OlbrichtArom“ gibt aber auch das Jahr 1872 als Startjahr für das Unternehmen an.
- ↑ Vom Brauerhandwerk zur Brauindustrie: die Geschichte der Bierbrauerei in Dresden und Sachsen, 1800–1914, Holger Starke, Böhlau Verlag, Onlinevorschau auf Google Books, S. 288, ISBN 3-412-17404-1
- ↑ „Dr. L. Naumann, A.-G.“ (Aktiengesellschaft – d.V.), Dresden-N. 15, Industriegelände
- ↑ Cholosan auf digisrv-1.biblio.etc.tu-bs.de
- ↑ Ergebnisse der Suchexpedition 2010, Bwana Tucke-Tucke auf www.bwana.de, inkl. Foto
- ↑ Dr. L. Naumann & Jean Olbricht KG, Dresden auf www.archiv.sachsen.de
[Bearbeiten] Quellen
- Dresdner Geschichtsblätter, Band 3, 1901-1904, Onlineausgabe der SLUB Dresden, S. 19
- Dipl.-Ing. Uwe Hessel: Dr. L. Naumann, Dresden-Plauen, WIMAD e.V. Verein für Wissenschaftler und Ingenieurtechnische Mitarbeiter Dresden
- Aroma und Farbe für jedes Maß in: Süßwaren 5/2009 auf www.suesswarentechnik.de
- Konservenfabrik Naumann auf www.dresdner-stadtteile.de (Archivversion)