Wagio

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Wagio (auch Wok) war böhmischer Heerführer unter dem Herzog von Böhmen Boleslav II. im Jahr 984.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Anfang Juni 984: Sicheres Geleit für Heinrich den Zänker in den sorbisch bewohnten Gauen Nisan und Daleminzien durch Wagio

Im Juni 984 erschien Heinrich der Zänker bei seinem einstigen Verbündeten im Kampf um mehr Macht im Reich der Deutschen, Boleslav II. von Böhmen. Er wurde dort ehrenvoll aufgenommen, bekam jedoch nicht die Unterstützung des ganzen böhmischen Heeres.

Statt dessen gab ihm ein kleineres böhmisches Heer sicheres Geleit durch die sorbisch bewohnten Gaue Nisan und Daleminzien bis nach Alt-Mügeln an der Döllnitz bei Oschatz, wo ihn seine Anhänger erwarten.[1]

[Bearbeiten] Vorgeschichte

Aus seinem Glauben an das "gottgewollte Königtum der Linie der Heinriche" leitete Heinrich der Zänker einen "legitimen Anspruch auf uneingeschränkte Teilhabe an der Königsgewalt im Reich ab", weswegen ihn Bischof Folkmar von Utrecht nach einem missglückten Aufstandsversuch seit 978 (oder schon 977) im Auftrage von Kaiser Otto II. gefangenhielt. Dieses "gottgewollte Königtum der Linie der Heinriche" erfüllte sich, indem sein Sohn Heinrich II. sieben Jahre nach seinem Tod deutscher König und neunzehn Jahre nach seinem Tod sogar römisch-deutscher Kaiser wurde. Nach dem Tod des Kaisers Otto II. wurde Heinrich der Zänker nicht nur freigelassen, sondern bekam von Erzbischof Warin von Köln auch noch den jungen König Otto III. ausgehändigt. In Ablehnung der griechischstämmigen Kaiserwitwe Theophanu liefen auch die Erzbischöfe von Trier und Metz, die sächsische Geistlichkeit, der Anführer der Abodriten, die Herzöge von Böhmen und Polen und bei Heinrichs Ankunft in Bayern auch die dortigen Bischöfe zu dem Zänker über, der sich darauhin öffentlich als Vormund und Reichsverweser für Otto III. ausrufen ließ. Als nächster Vetter Ottos II. erhob Heinrich gegenüber ihr Ansprüche auf die Vormundschaft des jungen Königs Otto III. Heinrich der Zänker ließ sich am Palmsonntag in Magdeburg und am Ostersonntag in Quedlinburg zum König ausrufen und huldigen. Selbst sein ehemaliger Aufseher Bischof Folkold von Utrecht wechselte die Seiten und wurde sogar Heinrichs Verhandlungsführer gegenüber Theophanu. Der Hoftag in Rara (Rohr bei Meiningen) entschied aber deutlich gegen ihn, und Heinrich der Zänker mußte den dreijährigen Otto III. an seine Mutter, Kaiserinwitwe Theophanu, übergeben.

Daraufhin versuchte er erneut eine militärische Lösung und begab sich zu seinem ehemals festesten Verbündeten, dem Böhmenherzog Boleslav II.

Mehr als sicheres Geleit war von dem aber nicht mehr zu erwirken. Der Heerführer der Böhmen war Wagio. Als sich die Böhmen und der Zänker trennten, zog der Zänker mit seinen Anhängern nach Magdeborn südöstlich von Leipzig - und Wagio wieder zurück nach Böhmen.

[Bearbeiten] Ende Juni 984: Wagio erobert auf dem Rückweg mit seinem Heer Meißen

Im Einvernehmen mit dem Zänker eroberte Wagio die Burg Meißen.

Markgraf Rikdag wurde entmachtet (er befand sich gerade in Merseburg und sah sein Meißen nie wieder) und Bischof Volkold aus dem Amt gejagt. Rikdag, der Burggraf von Meißen, wurde in einen Hinterhalt außerhalb der Stadt gelockt und an der Triebisch in der Nähe der Johanniskirche durch die Truppen Wagios meuchlings erschlagen (nicht wie oft rezipiert in der Nähe der Nikolaikirche - diese stammt aus dem 12. Jahrhundert[2]). Die Besetzung dauerte bis 985 (nach anderer Meinung bis 986).[3]

§. 4.
Boleslaw der Zweyte nimmt Meißen ein.
1. Der fromme Boleslaw hielt es im J. C. 984 mit de=
nen, welche dem Heinrich (der des Herzogthumes Bay=
ern entsetzt wurde) Beistand geleistet haben.
2. Der Herr der Boͤhmen nahm sodann Meißen ein,
welches Boleslaw dem Markgrafen Eckard im J. C.
985 wieder zuruͤckstellte.[4]


Nach K. Ottos II. Tode († 983, 7. Dec.) gelang
es dem Herzog Heinrich von Bayern, sich seiner Haft zu
Utrecht zu entledigen, und bald die Vormundschaft über
den kaum erst vierjährigen Otto III., bald die Krone von
Deutschland selbst in Anspruch zu nehmen. Auch jetzt fand
er an Boleslaw und Méčislaw treue Bundesgenossen, die
ihm jede Hilfe zusagten und leisteten. Der zu Ostern 984
in Quedlinburg von einigen Reichsfürsten mit vielem Ge=
pränge anerkannte neue König kam hierauf selbst nach
Böhmen, wo er mit vielen Ehren empfangen, glänzend
bewirthet, und dann von einem auserlesenen Heere, unter
der Anführung des Feldherrn Wok, auf der Reise nach
Magdeburg bis Mügeln geleitet wurde. Auf dem Rück=
wege bemächtigte sich Wok durch einen Uiberfall und durch
Einverständniſʒ der Burg Meißen, und nahm das umlie=
gende Land für Boleslaw II. in Besitz. Doch wurde schon
im folgenden Jahre 985, wo Heinrich seinen Kronansprü=
chen für immer entsagte und dafür in sein Herzogthum
wieder eingesetzt ward, Burg und Land Meißen von Bole=
slaw wieder zurückgestellt.[5]


Die Eroberung dieser wichtigen frühdeutschen Burg gelang insbesondere:

[Bearbeiten] Chronik des Thietmar von Merseburg zu den Ereignissen 983/984

Übersetzt heißt es bei Thietmar (Übersetzung von Johann Christian Mauritz Laurent und J. Strebitzki in "Die Geschichtschreiber der deutschen Vorzeit", 11. Jahrhundert, Band 1, 2. Auflage, Verlag von Franz Duncker, Leipzig 1879):

Der entscheidende lateinische Text [nach den MGH SS rer. = Scriptores rerum Germanicarum, Nova series (SS rer. Germ. N. S.), Bd. 9: "Die Chronik des Bischofs Thietmar von Merseburg und ihre Korveier Überarbeitung". S. 136 ] lautet:

[Bearbeiten] Bedeutung und Folgen für den Gau Nisan (um Dresden)

Für den Gau Nisan bedeutet das Jahr 984 eine weitere historische Zäsur: nachdem ab 965 im Schutz der deutschen Zwing-Burg Meißen eine deutsche Struktur im Gau aufgebaut wurde, deren Vorreiter römisch-katholische Missionare aus der Reichsabtei Hersfeld waren, dicht gefolgt im Jahr 968 vom neuen Bischof von Meißen (mit Zehntforderungen ab 971), zerbrach nun diese deutsche Gauverfassung bis zum Jahr 1142, als der Herzog von Böhmen den Gau Nisan (und den Gau Milsca = Gau Budissin um Bautzen) an den deutschen König abtreten mußte. Einerseits wiederholte sich hiermit die Geschichte aus der Frühzeit des Elbtalkessels, als im Jahr 9 n. Chr. die römische Herrschaft über den Elbtalkessel (mit der Siedlung Loupfourdon, lateinisch: Lupfurdum) nach nur wenigen Jahren schlagartig zusammenbrach. Andererseits ging ab 984 die Entwicklung von Nisan und erst recht der Oberlausitz um Bautzen mit der Entwicklung im Aufstandsgebiet des Großen Slawenaufstandes von 983 konform, wobei sich in all diesen westslawischen Gebieten für gut 150 Jahre noch keine deutsche Herrschaft etablieren konnte. Diese Kongruenz wird in der herrschenden Geschichtswissenschaft viel zuwenig beachtet, weil der Raum Dresden und die Oberlausitz zu kleinteilig für die Deutsche Geschichte sind.


[Bearbeiten] Anmerkungen

  1. "Otto III. - RI II,3 n. 956h2 - 984 (Anfang Juni), ‒ Heinrich wird in Böhmen von Herzog Boleslaw ehrenvoll aufgenommen, doch dürfte seine Bitte um Beistellung einer größeren Truppenmacht nicht erfüllt worden sein. Auf Befehl des Herzogs geleitet ihn ein Heer der Böhmen durch die Gaue Niseni und Daleminzien nach Alt-Mügeln an der Döllnitz bei Oschatz, wo ihn seine Anhänger erwarten, mit denen er nach Magdeborn (sö. v. Leipzig) zieht. Überlieferung/Literatur: Thietmar IV c. 5, S. 136: honorificeque ab eo susceptus cum exercitu eiusdem a finibus suis per Niseni et Deleminci pagos usque ad Mogelini ducitur. Deindeque cum nostris obviam sibi pergentibus ad Medeburun proficiscitur. Kommentar. Zur Lage von Mogelini = Alt-Mügeln vgl. Geppert, Burgen u. Städte, 222; Hey, Slavische Siedlungen, 268. ‒ Zur Lage von Medeburum = Magdeborn vgl. Holtzmann, Thietmar, 86, Anm. 2. ‒ Zur Zeitbestimmung vgl. Jbb. O. III. Exkurs II. Bürstadter Tagung. 428f. RI II,3 n. 956h2, in: Regesta Imperii Online, URI: http://www.regesta-imperii.de/id/0984-06-00_1_0_2_3_0_58_956h2 (Abgerufen am 27.10.2024).
  2. Die Verbreitung des Nikolai-Patroziniums in Europa begann im 11. Jahrhundert mit der Übertragung der Reliquien des hl. Nikolaus von Myra nach Bari in Italien im Jahre 1087. Er war vor allem im 12. und 13. Jahrhundert ein "Modeheiliger", so dass es sowohl einfache Dorfkirchen, Stadtkirchen, Bettelsordenskirchen, Bergbaukirchen als auch Kaufmannskirchen gibt, die dem hl. Nikolaus geweiht sind.
  3. "Otto III. - RI II,3 n. 956l2 - 984 (Juni) - Meissen: Die Truppen des böhmischen Herzogs trennen sich in Alt-Mügeln von Heinrich und kehren nach Böhmen zurück. Ihr Anführer Wagio besetzt auf listige Art Meissen, gewinnt durch Überredung die Bewohner, lockt den Grafen Friedrich von Eilenburg, den Freund und Vasallen des Markgrafen Rigdag zu einer Unterredung aus der Stadt heraus in die Nikolaikirche und läßt dann den Burggrafen Rigdag meuchlings an der Tribische, einem Nebenfluß der Elbe, erschlagen." (nach Thietmar IV c. 5, S. 136) RI II,3 n. 956l2, in: Regesta Imperii Online, URI: http://www.regesta-imperii.de/id/0984-06-00_1_0_2_3_0_61_956l2 (Abgerufen am 26. Oktober 2024).
  4. Johann Mehler: "Urspruͤngliche, chronologische Geschichte Boͤhmens." Prag 1806, S. 82.
  5. František Palacký: "Geschichte von Böhmen. Größtentheils nach Urkunden und Handschriften. Erster Band. Die Urgeschichte und die Zeit der Herzöge in Böhmen bis zum Jahre 1197. Prag in Commission bei Kronberger und Weber. 1836. Drittes Buch. Böhmen als Herzogthum unter dem Einfluſʒe Deutschlands. Vom Jahre 895 bis 1197." S. 233.
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