Dresdner Trümmerbahn
Als Trümmerbahn bezeichnete man die schienengebundenen Transportmittel, die nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges in Dresden eingesetzt wurden, um die Materialreste der zerstörten Gebäude auf Zwischenlagerplätze zur Wiederverwendung oder zu Endlagerstätten außerhalb der Innenstadt zu verbringen. Hauptsächlich kamen bewährte Feldeisenbahnen zum Einsatz mit provisorisch verlegten Schienen. Beladen wurden diese Bahnen überwiegend manuell, häufig auch durch Trümmerfrauen.
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[Bearbeiten] Ursache
Nachdem die größte Hitze der Brände nach den Luftangriffen 1945 abgeklungen waren, begannen erste manuelle Freilegungen von Straßen und Plätzen, um die Opfer zu bergen. Bis Kriegsende sollte zudem die Ruinenstadt zur Verteidigung als Festung eingerichtet werden. Am 8. Mai 1945 eroberte die Rote Armee das, was von der Stadt und seiner Trümmerwüste übrig war.
Mit der Trümmerbeseitigung konnte 1945 nur zögerlich begonnen werden. Zuerst mussten entlang von Straßen und Plätzen einsturzgefährdete Ruinen beseitigt und Fahrbahnen von Schutt beräumt werden. Beim Freilegen von Straßen deponierte man den Trümmerschutt auf den Fußwegen oder warf ihn in die Trümmergrundstücke. Sandsteine und Gesteinsbrocken schichteten die Enttrümmerer am Fahrbahnrand auf. Bis Mitte 1946 legte man so die wichtigsten Straßen frei. Dennoch blieben bis zur Großflächenenttrümmerung 51 Kilometer Straßenzüge gesperrt und weite Teile der Stadt waren weiterhin Sperrgebiet.
[Bearbeiten] Großflächenenttrümmerung in Dresden
Anfang 1946 begann man, die Trümmerberäumung zu planen und vorzubereiten. Gute Erfahrungen gab es dabei mit dem Einsatz von Feldbahnen. 1944 lief eine erste Trümmerbahn nach Luftangriffen in Berlin-Steglitz und im gleichen Jahr fuhren Trümmerbahnen in München. Dort wollte man die Trümmer möglichst schnell aus der Stadt entfernen.
In Dresden-Johannstadt fuhr die erste Trümmerbahn 1946 und verkippte Trümmerschutt auf den Elbwiesen. Die Enttrümmerung begann mit dem Hauptziel der Baumaterialgewinnung zur Instandsetzung beschädigter Gebäude und für erste Neubauten. Die Stadt sicherte sich durch verschiedene Anweisungen das Verfügungsrecht über Wertstoffe, die aus den Trümmern zu bergen waren.
Im Juli 1947 wurden die Kippstellen für den Trümmerschutt in Stadt- und Randgebieten festgelegt. 1949 begann die Großflächenenttrümmerung. Viele der wiederaufbaufähigen Ruinen von Baudenkmalen wurden trotz Protesten des Instituts für Denkmalpflege beseitigt.
Der Transport auf der Trümmerbahn geschah in drei Abschnitten:
- Die Schachtstelle war die Gewinnungsstelle der Trümmer. Dort wurden die Muldenkipper von Hand oder mit Diesel- bzw. Dampfbagger beladen.
- Die Züge stellte man an Betriebswechselbahnhöfen zusammen, um sie von dort über das Hauptfördergleis zur Kippe zu fahren.
- Eine Kippe war die Lagerfläche für die nicht mehr verwendbaren Trümmer. Sie bildete den Abschluss der Trümmerbahnstrecke.
Am 1. April 1951 übernahm der VEB Baubetriebe die Enttrümmerung. In jenem Jahr war schon etwa ein Drittel der Trümmerfläche beräumt. Die Belegschaft bestand Ende 1951 aus 4733 Mitarbeitern, davon 1475 Hilfsarbeiter und 920 Frauen. Neben den Trümmerbahnen nahm der Anteil von LKW ständig zu. Mitte 1951 waren es mehr als 100 Fahrzeuge, die von den Trümmerbahnen nicht erreichbare Enttrümmerungsstellen befuhren. Zeitweilig fuhren auch Straßenbahnen mit offenen Hängern Schutt ab.
Mit dem Jahr 1958 war die Flächenenttrümmerung in der Stadt Dresden abgeschlossen. Weite leere Flächen im Stadtgebiete verblieben, bis sie in den folgenden Jahren neu bebaut wurden. Einzelne Ruinen mussten in späterer Zeit noch beräumt werden. Manche von ihnen fristeten Jahre und Jahrzehnte einen Dornröschenschlaf hinter wilden Hecken und Bäumen, bis sie nach und nach endgültig verschwanden.
[Bearbeiten] Fahrzeuge
Die Baubetriebe im Bezirk mussten ihren Bestand an Baugerät, Schienen, Kippern und Loks melden. Zum Bau und zum Betrieb der Trümmerbahnen wurden Privatbetriebe herangezogen, die mit ihren Ausrüstungen und Facharbeitern später VEB wurden. Recht unterschiedlich waren Lok- und Wagenpark, der von verschiedenen Herstellern stammte. Es kamen etwa 40 verschiedene Dampf-, Diesel- und Akkuloks zum Einsatz, z. B. Gmeinder-Dieselloks, Dampfloks von Krauss und Hentschel sowie einige Elektroloks aus Bergwerken. Meist erhielten die Triebfahrzeuge weibliche Namen, die in weißen Buchstaben an die Lok geschrieben wurden. Gearbeitet wurde mit mindestens 600 Muldenkippern. Die Loren fassten im allgemeinen 0,75–2,0 m³.
[Bearbeiten] Gleisbau
Im Bereich der Schachtstellen verlegte man leichte Gleise, die je nach Arbeitsfortschritt meist von zwei Arbeitskräften an einen anderen Ort bewegt werden konnten („lose Gleise“ oder „fliegendes Gleis“). Das Vermessungsamt vom Rat der Stadt legte die weitere Trassenführung fest und markierte dessen Verlauf. Für die Hauptförderstrecken kamen vorrangig Nagelgleise zum Einsatz, bei denen Schienenprofile auf Holzschwellen genagelt wurden. Manche Strecke wurde auch komplett mit Rahmengleis (Brigadegleis) gebaut. Diese Schienen waren allerdings leicht verformbar und verursachten zahlreiche Entgleisungen. Die Gleisstücke wurden mit Laschen verschraubt. Überquerte die Bahntrasse befahrbare Straßen und Straßenbahnstrecken, so tiefte man die Gleise niveaugleich ein. Bei den Straßenbahngleisen schweißten Schlosser die Kreuzungsstücke an. Über unbefestigtem Gelände wurden Senken mit Feinschutt aufgefüllt. Das Gleis rückte beständig bis an den Kippenrand nach. Der Gleiskörper musste ständig unterhalten werden. Gleisstopferkolonnen gingen die Strecke ab, zogen Laschen nach oder stopften unter, um die Schienen zu stabilisieren. Stetige Ausbesserungen am Bahndamm erfolgten mit dem Transportgut. Die Bahn stoppte und die letzte Lore wurde verkippt. Den Schutt davon nahm man für das Unterstopfen des Gleisbettes.
Um 1949 waren etwa 200 Gleisbauer für die Trümmerbahnen im Einsatz. Nach 1957 wurde die letzte Strecke der Trümmerbahn zur Kippe Dobritz abgebaut.
[Bearbeiten] Hauptstrecken der Trümmerbahn
Die Dresdner Trümmerbahnen gliederten sich in mehrere, meist voneinander unabhängige Teilstrecken:
[Bearbeiten] Trümmerbahnlinie T 1
Beräumungsgebiet Altstadt (Innenstadt) - Kippe Ostragehege (von August 1949 bis Juni 1952)
Die Strecke verlief vom Zentrum (Altmarkt) über die Devrientstraße zum Ostragehege. Dies lag tief, im Höhenniveau der Magdeburger Straße, und die Schuttmassen wurden flach geschüttet. Später verwendete man einen Teil davon zum Bau des Heinz-Steyer-Stadions. An der Altmarkt-Ostseite befand sich ein Schuppen für vier bis fünf Loks. Ein Lokschuppen mit Werkstatt stand am Ferdinandplatz.
[Bearbeiten] Trümmerbahnlinie T 2
Beräumungsgebiet Johannstadt, Pirnaische Vorstadt und Altstadt - Kippe Käthe-Kollwitz-Ufer (von Mitte 1946 bis Mai 1952)
Die Strecke verlief ab Mitte 1946 von der Johannstadt bis auf die Elbwiesen. Dort nutzte man das Sportcasino als Lager für Dieseltreibstoff und einen Teil als Lokschuppen.
[Bearbeiten] Trümmerbahn (ohne Liniennummer)
Beräumungsgebiet Seevorstadt (Ost) - Kippe Ilgen-Kampfbahn (von Oktober 1946 bis März 1951)
Die Strecke führte vom Rathaus über den Georgplatz, weiter über (Portikusstraße -) Bürgerwiese zur Kippe Ilgen-Kampfbahn. Im Bereich dieser Kippe wurden weite Grünflächen westlich und südlich der Kampfbahn aufgefüllt und damit das Terrain wesentlich erhöht. Nach entsprechenden Forderungen des Grünflächenamtes war vorher der Mutterboden entfernt worden.
[Bearbeiten] Trümmerbahnlinie T 3
Beräumungsgebiet Südvorstadt -Kippen Lehmgruben Gostritz/ Prohlis (von Februar 1951 bis März 1953)
Die Strecke verlief in der Südvorstadt, quer über die Reichsstraße zur Dohnaer Straße und weiter zu den ehemaligen Lehmgruben bei Gostritz und Prohlis.
[Bearbeiten] Trümmerbahnlinie T 4
Beräumungsgebiet Seevorstadt (West), Wilsdruffer Vorstadt - Kippe Lehmgrube Plauen (von Januar bis Oktober 1952)
Die Strecke verlief von der Seevorstadt über die Münchner Straße zur Kippe Nöthnitzer Straße in Plauen. Gegenüber der Konsumverkaufsstelle an der Münchner Straße 38 stand ein kleiner Lokschuppen der Trümmerbahn, in dem die Loks gewechselt wurden.[1] Daneben gab es einen Kohlenschuppen und einen Wasserkran.
[Bearbeiten] Trümmerbahnlinie T 5
Beräumungsgebiet Neustadt, Antonstadt - Kippe Jägerpark (von Anfang 1951 bis August 1952)
Die Strecke verlief am Goldenen Reiter vorbei zur Elbwiese. Beim Linckeschen Bad führte das Gleis hoch zum Jägerpark und dort wurden Schießstände und Senken verfüllt.
[Bearbeiten] Trümmerbahn (ohne Liniennummer)
Beräumungsgebiet Johannstadt (Süd), Striesen - Kippe Dobritz (von Anfang 1954 bis 1958)
Von Johannstadt nach Dobritz führte die Strecke zur Kiesgrube Knobloch. Zuvor wurden auf Grunaer Flur Gruben verfüllt. Nach der Kiesgrubenverfüllung in Dobritz wurde ein Trümmerberg allmählich in die Höhe geschoben. Später wurde das Abkippen mit LKW fortgesetzt. An der Comeniusstraße (Höhe Schumannstraße) stand ein Lokschuppen mit Reparaturwerkstatt und Bekohlungsanlage. Ein Streckenzweig führte die Bertolt-Brecht-Allee entlang. Dort befand sich ebenfalls ein Lokschuppen, welcher später als Baulager genutzt wurde, und eine Ziegelmühle. Dieser Zweig wurde auf der Comeniusstraße in die Bahnstrecke nach Dobritz eingebunden.
[Bearbeiten] Quellen
- Roland Ander: Ich war auch eine Trümmerfrau ... ISBN 978-3-939025-08-5.
- Michael Lenk und Ralf Hauptvogel: Die Dresdner Trümmerbahnen. Werkbahnreport, Themenheft B, August 1999.
- ↑ Catrin Steinbach: Dresden gestern und heute. In: DNN 16.3.2016, S. 14. Korrektur eines irrtümlich falschen DNN-Artikels vom 28.3.2013
[Bearbeiten] Weblinks
- Trümmerbahnen in Deutschland auf www.hardys-lokarchiv.de
- Bilder zur Dresdner Trümmerbahn auf Wikimedia Commons