Hugo Zietz
Christian Bernhard Carl Hugo Zietz (* 1857; † 3. September 1927 in Dresden)[1] war ein sächsischer Kaufmann, Fabrikbesitzer und Unternehmer, zuletzt mit dem Titel eines königlich-sächsischen Kommerzienrates. Er ist der Auftraggeber der Dresdner Zigarettenfabrik Yenidze im Stil einer muslimischen Moschee. Zietz war königlich-bulgarischer Generalkonsul und seit 1918 lebenslängliches Mitglied der Naturwissenschaftlichen Gesellschaft ISIS in Dresden.[2]
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[Bearbeiten] Familie
Christian Bernhard Carl Hugo Zietz war der Sohn des Rentiers Carl (Karl) Zietz (* 16. August 1825; † 31. Oktober 1906 in Dresden). Hugo Zietz heiratete 1898 in Berlin Hedwig Zietz († 22. November 1945 in Meilen, Kanton Zürich/Schweiz). Das Ehepaar Zietz hatte zwei Söhne;
- Emil Hugo (Jr.) Hans Zietz (* 14. Februar 1900 in Dresden; † 7. Februar 1934 in Wien), war beim Tod unverheiratet und ohne Kinder. Er war seit dem 9. Januar 1926 verheiratet mit Madeleine geb. Halmos aus Ungarn, von der sich aber schon am 6. Mai 1927 wieder scheiden ließ. Da seine geschiedene Frau nach 1945 diese Scheidung als illegal erklärte, entstand nach 1945 ein langer Rechtsstreit um das Erbe von Hugo und Hedwig Zietz mit dem überlebenden Sohn Willy.
- Karl Max Willy Zietz (* 29. November 1905 in Dresden), siedelte nach dem Tod der Mutter in die USA über, wo er zur Volkszählung am 1. April 1950 in der Madison Avenue and 46th Street, Manhattan, New York, New York, United States gemeldet war. Auch 1960 lebte er weiter in New York, ⚭ Elisabeth D. Zietz.
Zietz Witwe Hedwig zog nach dem Tod ihres Mannes mit den beiden Söhnen 1928 und dem ehemaligen Sekretär und Buchhalter ihres Mannes, Hans Seiler, in die Schweiz, wo sie ab 1929 mit einem Wohnsitz gemeldet waren.
[Bearbeiten] Leben und Wirken
Hugo Zietz kam 1886, zusammen mit seinem Vater, nach Dresden, wo sich beide anfangs in der Wallstraße 19 niederließen. Zietz war schon zu dieser Zeit inhaber der Firma „Orientalische Tabak- und Cigarettenfabrik Yenidze“, die an der gleichen Adresse ihr Geschäftslokal hatte. Sie sind erstmals 1887 im Dresdner Adressbuch verzeichnet und begannen die Fabrikation anfangs unter sehr bescheidenen Verhältnissen.[3][4] Noch im gleichen Jahr wechselte Zietz, wieder mit seinem Vater seinen Wohn-, als auch seinen Geschäftssitz in die Güterbahnhofstraße 11, [5] 1892 dann in die Strehlener Straße 11.[6][7]
1898, nach seiner Hochzeit, zog Zietz mit seiner Ehefrau in eine Wohnung in der Sedanstraße 33, während sein Vater weiter in einer Erdgeschosswohnung in der erneut verlagerten Zigarettenfabrik wohnte, die sich nun in der Gutzkowstraße 27 befand.[8] Nach der Geburt seines ersten Sohnes, Hugo Jr., zog Zietz mit seiner Ehefrau in die Franklinstraße 3,[9] 1903 weiter in dergleichen Straße in die Hausnummer 9.[10] 1905 erweiterte Zietz seinen Tababetrieb und eröffnete Zweiggeschäfte in der Conradstraße 6 und in der Tharandter Straße 30 in Löbtau.[11] Von 1907 bis 1909 ließ Zietz in einer repräsentativen Lage in der Weißeritzstraße 3 (neue Geschäftsadresse ab 1909) in der Friedrichstadt, direkt an der Eisenbahnlinie der Königlich Sächsischen Staatseisenbahnen, unweit der Marienbrücke seine neue Tabakfabrik errichten. Architekt war Martin Hammitzsch (1878–1945).
Da das Fabrikgebäude im Zentrum Dresdens stand, durfte es laut der 1906 erlassenen städtischen Bauordnung aus ästhetischen Gründen nicht aussehen wie eine Fabrik. Außerdem wünschte sich Zietz als Unternehmer einen Werbebau. So entstand ein Bau im Stil des Historismus mit Pseudo-Elementen sakraler muslimischer Architektur: ein prunkvolles Portal, eine Gebetsnische (Mihrāb), farbige Glasfenster und Mosaiken, eine beeindruckende verglaste Kuppel (62 Meter) und ein Schornstein in der Form eines Minaretts, so dass sich letztlich der Eindruck einer großen Moschee ergab. Dieser erste Stahlbetonskelett-Bau Deutschlands wurde somit zu einem einprägsamen Werbemonument der Orientalischen Tabak- und Zigarettenindustrie.[12] Mit dem Neubau an der Elbe schloss Zietz auch seine zwei Zweiggeschäfte. An der neuen Zigarettenfabrik prangte nun in großen weißen Buchstaben auch der Fabrikname - „Yenidze“, benannt nach einem Ort in Nordgriechenland, das damals unter osmanisch-türkischer Verwaltung stand und aus dem Zietz seinen Tabak importierte. Der Begriff ist allerdings nicht griechisch, sondern türkisch und bedeutet „Neues Land“.
Der Tabak kam nicht geschnitten wie in vielen damaligen Zigarettenfabriken in die Yenidze, sondern im Urzustand, in Ballen von 20 bis 60 Kilogramm in Zietz' Fabrik. In der eigentlichen Zigarettenfabrikation wurden die Ballen in ihre bündelartigen Bestandteile zerlegt und dann die Blätter nach vorangegangener Auflokerung zu verschiedenen Sorten gemischt. Nach der Aufarbeitung in den Tabakschneidemaschinen wurden die Vorräte - sofern sie nicht sofort weiter verarbeitet wurden in Kühlhallen kistenweise gelagert. Die Zigarettenhülsen wurden bedruckt und entweder bei den hochwertigen Marken in Handarbeit, bei den preiswerten Marken durch Maschinen gedreht und verklebt. Während bei den handgefertigten Zigaretten eine geschickte Arbeiterin in einer 9-Stunden-Schicht bis zu 2.000 Zigaretten schaffte, produzierte eine Maschine bus zu 200.000 Stück täglich. Danach wurde die Ware in der ebenfalls in der Yenidze befindlichen Kartonagefabrikation verpackt.
Auch innerhalb des Gebäudes führte Zietz für die damalige Zeit bahnbrechende Neuerungen ein und beschritt neue Wege in der Arbeitsorganisation:
- in allen Arbeitsräumen befanden sich Garderoben- und Wascheinrichtungen,
- im obersten (5.) Geschoss befanden sich für die Arbeiter Baderäume mit Brausevorrichtungen mit einer Kalt- und Warmwasseranlage sowie die sanitären Einrichtungen für die Belegschaft,
- die Arbeitsräume wurden mit einer ausgedehnten Zentralheizung beheizt sowie mit Entstaubungs- und Lufterneuerungsanlagen versehen,
- Feuerlöscheinrichtungen in allen Werksteilen, dazu eine Fabrikfeuerwehr aus Mitgliedern des Personals,
- 5 Fahrstühle für den Personen- und den Warentransport,
- Ausgabe von hygienisch einwandfreier Arbeitskleidung,
- Einführung der englischen Arbeitszeit mit einer kurzen Mittagspause im Betrieb: dafür wurde eigens ein 1000 Personen fassender Speisesaal, sowie ein Kasino für die höheren Angestellten und Beamten in der Yenidze errichtet.
- gute Speisen und Getränke zu billigsten Preisen für das Personal,
- Arbeiter, die ihre Speisen selbst von zu Hause mitbrachten, konnten im Speisesaal in kostenlos aufgestellten Dampfwärmeapparaten die Speisen genussfertig machen,
- Ruhehallen, getrennt für Männer und Frauen für Ruhepausen nach der Mahlzeit mit Sofas, Liegestühlen und Feldbetten,
- Bücher und Zeitschriften zur Nutzung durch die Belegschaft während der Pausen,
- Prämien an Beschäftigte für langjährig treue Dienste und weitere Zuwendungen ähnlicher Art an Arbeiter und Angestellte,
- Lebensversicherung in Höhe von 10.000 Reichsmark für die Beamten der Fabrik auf alleinige Kosten der Firma.
Am 22. Februar 1910 besuchte der sächsische König Friedrich August III. die morderne Fabrik unweit des königlichen Schlosses. Aus Anlass dieses Besuches errichtete Zietz auch eine eigene Stiftung, die Hugo-Zietz-Stiftung. Seine exquisiten Zigarettenmarken „Salem Aleikum“ und „Salem Gold“ erhielten 1911 den königlich-sächsischen Staatspreis bei der Internationalen Hygieneausstellung in Dresden sowie eine Goldene Medaille bei der Ostdeutschen Ausstellung in Posen. Außerdem beauftragte Zietz einen Exportvertreter: Paul Ockert in Hamburg. In dieser Zeit beschäftigte Zietz über 900 Arbeiter in seiner Zigarettenfabrik, die auch in Handarbeit die seinerzeit hochwertigen Zigaretten herstellten. Die Beschäftigtenanzahl stieg im folgenden Ersten Weltkrieg auf über 2.000 Beschäftigte.
Zietz zog mit seiner Familie 1908 in die Villa des Kaufmanns Sauerzapf in die Bettinastraße 18 in der Dresdner Antonstadt.[13] 1910 kaufte Zietz von dem pensionierten Dresdner Straßenbahndirektor Ernst Paul Clauß das Haus in der Schillerstraße 34, das sich ebenfalls in der Antonstadt befand und bezog es mit seiner Familie.[14][15] Von 1910 bis 1912 ließ Zietz von Max Herfurt im Dresdner Nobelviertel Weißer Hirsch in der damaligen König-Friedrich-August-Straße 1 eine prachtvolle historistische Villa, die Villa Zietz erbauen, die ihm und seiner Familie ab Sommer 1913 als Sommerwohnung diente. Die Glasfenster der Villa, die den Weg des Tabaks aus dem nördlichen Orient nach Dresden zeigten, schuf Josef Goller. Bereits 1912 wurde Zietz zum königlichen Hoflieferanten des Königs Friedrich August III. ernannt,[16] 1913 erhielt er den Titel eines königlich-sächsischen Kommerzienrates. Ab 1914 erschien im Adressbuch unter seinem Eintrag der recht seltene Hinweis: Zu sprechen nur nach vorheriger Vereinbarung.[17]
Ab 1918 war Zietz mit seinen Zigarettenmarken auch Hoflieferant des deutschen Kaisers sowie Ehren-Generalkonsul von Bulgarien.[18] Nach dem Ersten Weltkrieg wurde Zietz 1920 von seinen Aufgaben als Generalkonsul von Bulgarien entbunden, durfte aber weiterhin den Titel als Generalkonsul a.D. (außer Dienst) weiterführen.[19] 1922 verlegte Zietz seinen Wohnsitz von der Schillerstraße an seinen bisherigen Sommersitz in seine Villa am Weißen Hirsch,[20] 1926 umbenannt in: Am Hochwald 1,[21] wo er bis zu seinem Tod lebte.[22]
Bereits am 8. Mai 1925 verfasste Zietz in Dresden sein Testament und seinen letzten Willen. Er machte sein Vermögen an seine Ehefrau als Vorerbin und nach dem Tod seiner Frau an seine zwei Söhne als Nacherben. Am 29. Oktober 1925 verkaufte Zietz seine Zigarettenfabrik und sein gesamtes Unternehmen samt Immobilien an den Reemtsma-Konzern für ungefähr 4 Millionen Reichsmark, was heute einer Kaufkraft von ungefähr 18 Millionen Euro entsprechen würde. Zietz verteilte das Geld auf 23 verschiedene Banken in Deutschland, den Niederlanden, der Schweiz und in Buenos Aires/Argentinien. Hugo Zietz starb 1927 und wurde auf dem Johannisfriedhof beigesetzt. Das Grab ist aufgelöst.[23]
[Bearbeiten] Auszeichnungen (Auswahl)
- 1913: Ritterkreuz 1. Klasse des königlich-sächsischen Albrechtsordens
- 1915: Kaiserlich-türkische Silberne Rote-Halbmond-Medaille
- 1916: Königlich-preußische Rote-Kreuz-Medaille 3. Klasse
- 1916: Königlich-sächsisches Kriegsverdienstkreuz
- 1918: Königlich-preußisches Verdienstkreuz für Kriegshilfe
[Bearbeiten] Trivia
1949 wurde die Yenidze in die volkseigene Tabakindustrie der DDR eingegliedert, 1953 die dortige Produktion beendet. Das Gebäude diente danach der Verwaltung und zur Lagerung von Tabakwaren und wurde 1980 unter Denkmalschutz gestellt. Heute beherbergt die Yenidze Büro- und Gewerbeflächen sowie sowie eine Gastronomie. In der ehemaligen Fabrik finden kulturelle Veranstaltungen statt und beleben ihre imposante Glaskuppel.
[Bearbeiten] Quellen
- Estate of Hedwig Zietz, Willy Zietz, Administrator, Petitioner & Commissioner of Internal Revenue, Respondent, May 31, 1960, in: United States. Tax Court: Reports of the Tax Court of the United States, Band 34, 1961, Digitalisat auf Google Books, S. 351–385.
- O.K.: Orientalische Tabak- und Cigarettenfabrik „Yenidze“ Salem Aleikum, Dresden, Inhaber Hugo Zietz, Hofl. S.M. des Königs v. Sachsen
[Bearbeiten] Einzelnachweise
- ↑ Datensatz auf Ancestry
- ↑ Gesellschaft Isis in Dresden: Sitzungsberichte und abhandlungen der Naturwissenschaftlichen Gesellschaft Isis in Dresden, 1924, Digitalisat auf Google Books, Seite XL
- ↑ Adressbuch Dresden 1887, S. 623, SLUB
- ↑ Adressbuch Dresden 1887, S. 1499, SLUB
- ↑ Adressbuch Dresden 1888, S. 657, SLUB
- ↑ Adressbuch Dresden 1893, S. 849, SLUB
- ↑ Nach der Umnummerierung 1894 Strehlener Straße 6: Adressbuch Dresden 1895, S. 915, SLUB
- ↑ Adressbuch Dresden 1899, S. 802, SLUB
- ↑ Adressbuch Dresden 1901, S. 869, SLUB
- ↑ Adressbuch Dresden 1904, S. 1094, SLUB
- ↑ Adressbuch Dresden 1906, S. 1129, SLUB
- ↑ Orient und Tabak im Blog des Stadtmuseums Dresden, Onlineartikel vom 29. März 2021 auf www.blog-stadtmuseum-dresden.de
- ↑ Adressbuch Dresden 1909, S. 1425, SLUB
- ↑ Adressbuch Dresden 1910, S. 1983, SLUB
- ↑ Adressbuch Dresden 1911, S. 2012, SLUB
- ↑ Adressbuch Dresden 1913, S. 1228, SLUB
- ↑ Adressbuch Dresden 1914, S. 1220, SLUB
- ↑ Adressbuch Dresden 1919, S. 949, SLUB
- ↑ Adressbuch Dresden 1921, S. 982, SLUB
- ↑ Adressbuch Dresden 1922/23, S. 1106, SLUB
- ↑ Adressbuch Dresden 1926/27, S. 969, SLUB
- ↑ Adressbuch Dresden 1927/28, S. 1010, SLUB
- ↑ Johannisfriedhof auf www.dresdner-stadtteile.de
[Bearbeiten] Weblinks
- In Dresdens Tabakmoschee werden seit 20 Jahren Märchen erzählt, Onlineartikel auf www.frauenkirche.de
- Geschichte der Yenidze auf www.yenidze.eu
- Aleikum salem Stockfotos & Bilder auf alamy
- Die deutschsprachige Wikipedia zum Thema „Yenidze“
- Die deutschsprachige Wikipedia zum Thema „Villa Zietz“