Königlicher Marstall

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Der Königliche Marstall war eine vierflügelige Stallanlage im "Kleinen Ostragehege" (Wilsdruffer Vorstadt) zwischen den heutigen (2022) Straßenbezeichnungen Ostra-Allee, Devrientstraße, Kleine Packhofstraße und Am Zwingerteich.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Vorgeschichte

Die kurfürstlichen Pferde und Kutschen wurden zunächst in dem 1590 vom Architekten Paul Buchner unter Kurfürst Christian I. fertiggestellten Stallgebäude am Schloss, dem heutigen Johanneum, untergebracht.

August der Starke, Kurfürst von Sachsen und gleichzeitig auch König von Polen, begann in seiner Machtfülle systematisch die Werke der alten Meister zu sammeln. 1722 erfolgte eine Inventarisierung der von der Kunstkammer inzwischen getrennten Gemäldesammlung. Auf Anordnung des Kurfürsten sollte diese "Bildergalerie" im Stallgebäude zur Schau gestellt werden.

Von 1730 bis 1731 fügte der Architekt Johann Georg Maximilian von Fürstenhoff (* 1686, + 1753) im Auftrag seines Halbbruder Augusts des Starken dem damaligen Stallgebäude ein weiteres Stockwerk mit einem modernen Dach hinzu. Dabei mussten die Renaissance-Giebel entfernt werden. Die Stallungen im Erdgeschoss blieben erhalten. Johann Georg Maximilian von Fürstenhoff war ein illegitimer Sohn von Kurfürst Johann Georg III. (* 20. Juni 1647 in Dresden; † 12. September 1691 in Tübingen), dem Vater Augusts des Starken. Den Umzug seiner "Bildergalerie" erlebte der sächsische Kurfürst und polnische König August der Starke nicht mehr, er starb bereits 1733.

[Bearbeiten] Bau von 1745 bis 1748

Die Leidenschaft für das Sammeln von Kunstwerken hatte der neue sächsische Kurfürst und polnische König August III. von seinem Vater geerbt. Wie bereits dieser konnte er sich sehr teure Anschaffungen auf Kosten der Staatskasse des riesigen polnisch-litauischen Staates leisten, dessen Königsthron er besetzte hielt.

Für die Ausstellung der Gemälde hatte Oberlandbaumeister Johann Christoph Knöffel zwischen 1744 und 1746 noch umfangreiche Umbauten im Obergeschoss des Stallgebäudes durchführen müssen. Dabei wurden unter anderem die großen Rundbogenfenster zur besseren Ausleuchtung der Räumlichkeiten eingesetzt.

Parallel dazu wurde ab 1745 hinter dem Zwingerwall zwischen dem Ostraholzhof (einem "Amts=Holtzhof") und der erst 1744 gebauten Ostra-Allee der neue Königliche Marstall gebaut. Gegenüber der Ostra-Allee lag "Der Herzogin Garten". Die Gemäldegalerie zog 1747 in das neue Obergeschoss des Stallgebäudes ein, weswegen die königlichen Pferde und Kutschen in den neuen Marstall umziehen mussten, dessen letzter Flügel 1748 fertiggestellt wurde.

[Bearbeiten] Nach den neuen Ställen

Die Straße zum neuen Königlichen Marstall wurde nach dem Bau 1745 bis 1748 als "Nach den neuen Ställen" bezeichnet (1830: "Stallstraße"; seit 1921: Am Zwingerteich).

[Bearbeiten] 1768: Erste Ross-Ärzte

In Frankreich wurden in den 1760er Jahren erste "Tierarzneischulen" eröffnet: 1761 in Lyon die erste und 1765 in Alfort die zweite. Daraufhin schickte Graf Heinrich Gottlob von Lindenau, Oberstallmeister des Marstalls, den "Hofchirurigus" Christoph Friedrich Weber zusammen mit dem Schmied Johann Gottlob Hirsch nach Frankreich. Nach ihrer Rückkehr, um 1768, besaß der Marstall nun zwei ausgebildete „Ross-Ärzte“.

Heinrich Graf von Lindenau unterbreitete 1772 seinem Landesherren Friedrich August dem Gerechten den Vorschlag, eine eigene landesherrliche Tierarztschule zu gründen, was aber aus Geldmangel so kurz nach den Verheerungen des Siebenjährigen Krieges (1756-1763) und dem Finanzunwesen des Grafen Heinrich von Brühl (* 13. August 1700 in Gangloffsömmern od. Weißenfels; † 28. Oktober 1763 Dresden) unterblieb.

Daraufhin eröffnete der zum Oberross-Arzt beförderte Christoph Friedrich Weber 1774 eine private "Roß-Arzney-Schule". Er starb allerdings schon 1778 mit nur 34 Jahren.

Oberstallmeister Graf Heinrich von Lindenau sorgte daraufhin dafür, dass die Landesregierung Webers Erben die Schule mit allem Zubehör abkaufte. Somit konnte am 7. Oktober 1780 die jetzt "Churfürstliche Thier-Arzney-Schule", ein Vorläufer der Tierärztlichen Hochschule mit anfangs etwa 20 bis 30 Schülern beginnen. Der Nachwuchs an Ross-Ärzten in Dresden war gesichert.

[Bearbeiten] Bau der Reithalle 1794 bis 1795

Von 1794 bis 1795 wurde von Christian Traugott Weinlig (* 31. Januar 1739 in Dresden; † 25. November 1799 ebenda) eine Reithalle an den damals nur noch kurfürstlichen Marstall angebaut. Nach dem Tode von August III. am 5. Oktober 1763 in Dresden ging die polnische Krone den Wettinern verloren, und 1791 schlug Friedrich August der Gerechte die erbliche Krone Polens aus, weil seine Bedingung, die Zustimmung aller Nachbarn, nicht zu erreichen war.

Dieser eingeschossige Nordwestflügel in einfachen und strengen architektonischen Formen existiert noch heute. Er ist 80 Meter lang und 20 Meter breit, seine Pfeiler sind durch Lisenen gegliedert. Er schloß den bis dahin dreiflügeligen Bau nach Westen ab.

1795 beauftragte der Hofbaumeister Christian Traugott Weinlig den frisch ernannten Hofbildhauer Franz Pettrich mit der Ausführung eines Reliefs im Giebelfeld des Reithauses. Dieses Relief, aus Sandstein gefertigt, zeigt in strenger Profilansicht ein antikes Zweigespann. Der lenkende Jüngling hält in seiner Linken einen Palmenzweig mit wehendem Schleier. Zu dieser noch etwas steifen und ungelenken Erstlingsarbeit nach dem Entwurf des Giebels von Weinlig gehört der Handschrift des Künstlers nach sicher auch das kurfürstliche Wappen unter dem Relief.

[Bearbeiten] 1830 bis 1832: Umgestaltung und Erweiterung durch Joseph Thürmer

Zwischen 1830 und 1832 gestaltete Joseph Thürmer (* 3. November 1789 in München; † 13. November 1833 ebenda) die Schauseite des Königlichen Marstalls, die Front zum Zwingerteich und die Seitenflügel um. Zur gleichen Zeit leitete er die Erweiterung des Baus nach dem späteren Stallgäßchen zu. Joseph Thürmer war ab 1827 Professor der Königlichen Akademie der Bildenden Künste in Dresden.

[Bearbeiten] Stallstraße und Stallgäßchen

Ebenfalls ab 1830 wurde die heutige Straße Am Zwingerteich von "Nach den neuen Ställen" in "Stallstraße" umbenannt. Ihren heutigen Namen führt sie ab 1921.

Das von der Ostra-Allee zum Königlichen Marstall führende Stallgäßchen ist erstmals 1840 belegt. 1923 hieß es Marstallweg. Bei der Bombardierung im Februar 1945 wurde die gesamte Bebauung zerstört und der Name wieder eingezogen.

Das Gebiet um den Königlichen Marstall gehört zusammen mit dem Sächsischen Landtag, dem Erlweinspeicher und dem Kongresszentrum zum "Kleinen Ostragehege".

[Bearbeiten] Heutige Nutzung

Bei der Bombardierung Dresden im Februar 1945 wurde der Marstall größtenteils zerstört. Der Reitstall und der Nordflügel wurde von 1950 bis 1952 von Gerhard Guder wieder aufgebaut. Der südliche Flügel an der Ostra-Allee wurde in den 1980er Jahren für die Theaterwerkstätten der Semperoper und des nahe gelegenen Schauspielhauses nach einem Entwurf des Dresdner Architekten Eberhard Pfau im Stil der Zeit neu errichtet. Bereits von 1739 bis 1902 existierte ganz in der Nähe am Der Herzogin Garten am Ort des heutigen Schauspielhauses der Malersaal zur Herstellung und Aufbewahrung von Theater-Dekorationsstücken. Nach dem Malerssaal wurde das Malergäßchen benannt.

Die zwei dreigeschossigen Seitenbauten des östlichen Flügels am Zwingerteich sind bis heute (2022) nicht rekonstruiert. Aus diesem Grunde kam von der Gesellschaft Historischer Neumarkt Dresden am 28. April 2021 der Vorschlag, "den West-, Nord- und Ostflügel ergänzt durch die noch fehlenden Seitenbauten des Flügels am Zwingerteich für die Büros der Abgeordneten des Landtages zu nutzen. Das würde nicht nur die gesamte Anlage enorm aufwerten und in das Blickfeld der Öffentlichkeit lenken, sondern wäre auch für unsere repräsentative Demokratie der perfekte Ort, um eingebettet in die Kunst und Geschichte Sachsens in die Zukunft zu gehen. Dies können die bisher für den Landtag geplanten Bürogebäude nicht leisten."[1]

[Bearbeiten] Gastronomie

Nahe der Theaterwerkstätten gibt es an der Kreuzung Ostra-Allee/Am Zwingerteich unweit der Straßenbahnhaltestelle "Am Zwingerteich" den Coffeeshop "Bistro am Herzogin Garten", der auf dem Gelände des ehemaligen Königlichen Marstalls liegt. Schon um 1900 gab es hier die "Kantine im Königlichen Marstall"[2].

[Bearbeiten] Anmerkungen

  1. Pressemitteilung der GHND vom 28. April 2021.]
  2. Postkarte von 1914 der "Kantine im Königlichen Marstall" bei WMcommons.
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