Minna Dierig
Minna Amalia Dierig, geb. Bienert (* 8. August 1855 in Plauen bei Dresden; † 13. April 1920 in Langenbielau/ Schlesien; heute Bielawa/ Polen) war eine Tochter des Mühlenbesitzers Traugott Bienert und die Ehefrau des Königlich Preußischen Kommerzienrates Friedrich Dierig jun.. Ähnlich wie ihr Vater engagierte sie sich vor allem im sozialen Bereich war Initiatorin verschiedener gemeinnütziger Stiftungen und Einrichtungen im schlesischen Langenbielau.
[Bearbeiten] Familie
Minna Amalia Bienert entstammte aus der gleichnamigen, traditionsreichen Müllerfamilie Bienert, die bis in das 14. Jahrhundert zurück verfolgbar ist. Erster Namensträger war Heinrich Bener, der 1360 Müller in Freitelsdorf war. Die ununterbrochene Stammfolge beginnt mit Georg Biner (auch Georg Bienert, 1510–1585), der Müller in Leppersdorf bei Radeberg war und teilt sich ab dem Ende des 16. Jahrhunderts und Anfang des 17. Jahrhunderts in vier Hauptlinien, von denen drei Linien das Müllergewerbe weiterverfolgten.
Minna wurde als jüngste Tochter von Gottlieb Traugott Bienert (* 21. Juli 1813 in Eschdorf; † 22. Oktober 1894 in Dresden) und dessen Ehefrau Christiane Wilhelmine Leitholdt (* 29. Januar 1819 in Schullwitz bei Dresden; † 4. Oktober 1904 in Dresden), die Tochter des Rittergutsbesitzers und Landrichters zu Schullwitz sowie späterem Landtagsabgeordnetem Johann Gottlob Leitholdt († 1859)[1] geboren. Minna hatte noch vier Schwestern und zwei Brüder:
- Ida (1844–1918), heiratete den Königlich Sächsischen Kommerzienrat Otto Römer.
- Bertha Elisa (1846–1887), heiratete den Konsul Otto Harlan (1840–1905), Kaufmann, Bankier und Landwirt [2], der 1868 Mitinhaber des Dresdner Bankhauses „Heinrich Wilhelm Bassenge“ wurde. Ihr Sohn Walter Harlan (1867–1931) war Schriftsteller und Dramaturg, dessen Sohn Veit Harlan (1899–1964) wiederum war Schauspieler und Regisseur.
- Clara (1850–1926), heiratete den späteren Königlich Sächsischen Generalmajor Oskar von Krauß (1835–1915).
- Martha Elise (1854–1904), heiratete den Königlich Sächsischen Justizrat, Dr. jur. Gottlob Eduard Wolf (1846–1923). Das Paar hatte fünf Kinder.
- Ernst Theodor (1857–1935), später gemeinsam mit seinem Bruder Fabrikbesitzer der Bienert- und Hafenmühle, Ehrensenator der Technischen Hochschule Dresden. Er heiratete Emma A. Bertha Suckert (1868–1945), Tochter des Fabrikbesitzers Suckert aus Oberlangenbielau in Schlesien. Das Ehepaar war Mitglied des Hauptmann-Kreises in Schreiberhau und hatte fünf Kinder.
- Moritz Erwin (1859–1930), später gemeinsam mit seinem Bruder Fabrikbesitzer der Bienert- und Hafenmühle. Er heiratete Ida Suckert (1870–1965). Das Paar hatte fünf Kinder. Ihr Sohn Friedrich (1891–1969) führte nach dem Tod seines Vaters und seines Onkels das Familienunternehmen als Teilinhaber weiter.
Minna Bienert heiratete am 6. Mai 1875 den Unternehmer und Textilfabrikant Friedrich Dierig (* 13. März 1845 in Langenbielau, Schlesien; † 20. Februar 1931 ebenda), der bereits seit 1868 Mitinhaber der Textilfirma "Gebrüder Dierig" seines gleichnamigen Vaters Friedrich Dierig (1818–1894) in Langenbielau war. Dierig entstammte einer alten schlesischen Weberfamilie, deren ununterbrochene Stammreihe mit dem Weber Christoph Dirig († 1678) beginnt. Minna und Friedrich jun. Dierig hatten fünf Söhne, unter anderem:
- Dr. Wolfgang Dierig (1879–1945), später Aufsichtsratsvorsitzender der "Christian Dierig AG". Er heiratet 1905. Bei der Flucht vor den russischen Truppen kam er zusammen mit seiner Frau und seiner Tochter kurz vor Kriegsende 1945 in Großgrünau im Sudetenland ums Leben. Deren ältester Sohn Dr. Hans Christian Dierig (1905–1972)[3] trat 1937 in das Unternehmen Dierig ein und musste nach einem halben Jahr Haft im Gerichtsgefängnis in Reichenbach/ Schlesien im Jahr 1946 als Aussiedler Langenbielau verlassen. Der zweite Sohn des Paares war im Krieg gefallen.
- Gottfried Dierig (1889–1945), später Vorstandsmitglied der "Christian Dierig AG", 1933 Leiter der Wirtschaftsgruppe Textilindustrie, dann bis 1939 der Reichsgruppe Industrie. Er wählte zusammen mit seiner Frau am 11. Mai, wenige Tage nach Kriegsende den Freitod. Dessen zwei ältesten Söhne, Claus Wolfgang (1915–1941) und Johann Wolfgang Dierig (1921–1943) waren im Krieg gefallen,[4] dessen jüngster Sohn Christian Gottfried Dierig (* 1923) führte das Unternehmen nach 1945 in Augsburg weiter.
- Friedrich Dierig, wurde zusammen mit seinem Bruder
- Wilhelm Dierig, 1946 aus Langenbielau ausgewiesen und mussten als Flüchtlinge ihre Heimat verlassen. Der einzige Sohn von Wilhelm, Friedrich Wilhelm (1919–1941) blieb im Zweiten Weltkrieg in Russland vermisst.
[Bearbeiten] Leben und Wirken
Über die Töchter von Traugott Bienert ist nur wenig überliefert. Sie waren - entsprechend der damaligen Einstellung zu Frau und Familie - meist „nur“ eine „gute Partie“, brachten aber für ihre Ehegatten ein nicht unbeträchtliches Vermögen mit in die gemeinsame Ehe.
Minna Dierig heiratete in eine Weberdynastie Schlesiens ein, die später zu den größten Textilunternehmen Europas avancierte. Der Dichter Gerhart Hauptmann nahm den Weberaufstand in Schlesien, unter anderem in der Weberei Dierig zum Anlass sein berühmtes Drama "Die Weber" zu schreiben, in dem er die damals schlechten sozialen Verhältnisse der Arbeiter verarbeitete und anprangerte. Aus der Firma Dierig wurde im Werk von Hauptmann die Firma "Dittrich". Gerhard Hauptmann wurde wegen seines Stücks von Friedrich Dierig jun. wegen Verleumdung verklagt, da sich seine Familie nicht als rücksichtslose Ausbeuter sah. Sie verloren allerdings den Prozeß, weil die Richter auf dichterische Freiheit erkannt haben.
Im Unterschied zu ihren Schwestern setzte Minna Dierig bei der gemeinnützigen und sozialorientierten Tätigkeit nach dem Vorbild ihres Vaters in Langenbielau durchaus eigene und vor allem vielfältige Akzente, die zu einer spürbaren Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen der Weber im Unternehmen ihres Mannes führten. Gemeinsam mit ihrem Ehemann Friedrich entstanden vor allem nach dem Tod von Friedrich Dierig sen. bis Ende der 1930er Jahre in Langenbielau:
- 1.300 Werkswohnungen sowie 60 Einfamilienhäuser für leitende Angestellte, die nach einer gewissen Zeit für einen Anerkennungsbetrag erworben werden konnten,
- eine Kinderkrippe und-garten, ein Kinderheim, zwei Werkheime, ein Mädchenheim, eine Haushaltsschule und ein Erholungsheim für Arbeiter im Riesengebirge,
- eine Krankenstation mit einem Arzt und zwei Schwestern mit Röntgenapparaten, Diathermiegeräten und anderen seinerzeit modernen Instrumenten sowie eine Zahnarztstation,
- Sportanlagen, Schießstände und ein Werkscasino mit einer Kegelbahn.
Für die Sozialeinrichtungen wurden verschiedene Stiftungen gegründet. Die Art und Weise der sozialen Aktivitäten erinnerten an die ihres Vaters Traugott Bienert in Plauen, die dort ihre Brüder Erwin und Theodor fortsetzten. Minna Dierig stiftete auch ein sogenanntes "Weihnachtsbuch", in dem Hilfeleistungen für über 200 kinderreiche Weberfamilien aus Langenbielau verzeichnet sind. Das Ehepaar Dierig wurde auf dem Friedhof in Langenbielau beigesetzt.
Die Kinder des Ehepaares Dierig setzten auch noch in den 1930er Jahren das soziale Engagement fort. So übernahm die Familie Dierig Anfang der 1930er Jahre 50% der Gesamtbaukosten für das Freibad in Langenbielau. Spätestens 1937 wurde für die Belegschaft eine Gewinnbeteiligung im Unternehmen eingeführt.
[Bearbeiten] Quellen
- ↑ In vielen Publikationen wird der Name seiner Frau und des Schwiegervaters mit Leuthold(t) angegeben. Die hier verwendete Namensform orientiert sich an dem in der Datenbank des Sächsischen Landtags verwendeten Familiennamens von Johann Gottlob Leitholdt
- ↑ Veit Harlan in der Neuen Deutschen Biographie
- ↑ Hans Christian Dierig im Kulturportal West -Ost
- ↑ Kriegsopfer Langenbielau, pdf-Download auf www.kreis-reichenbach.de
- Die Geschichte der Familie Bienert in: Dresdner Hefte 116, Beiträge zur Kulturgeschichte, 31. Jahrgang 4/ 2013, herausgegeben vom Dresdner Geschichtsverein, Gesamtredaktion Hans-Peter Lühr, S. 37 f.: Die Töchter des Gottlieb Traugott Bienert, Christian Mögel
- Deutsches Rolandbuch für Geschlechterkunde, herausgegeben vom Rolandverein zur Förderung der Stamm-, Wappen- und Siegelkunde, 1. Band, Dresden 1918
- Geschichte der Christian Dierig AG - Langenbielau, pdf-Download auf www.kreis-reichenbach.de
[Bearbeiten] Weblinks
- Die deutschsprachige Wikipedia zum Thema „Friedrich Dierig“
- Dierig, Christian Gottfried, „Dierig, Friedrich junior“, in: Neue Deutsche Biographie 3 (1957), S. 656 f. Onlinefassung
- Dierig Holding Aktiengesellschaft auf www.dm-aktie.de
- Christian Dierig Aktiengesellschaft auf www.albert-gieseler.de
- Historie der Dierig Holding AG