Dürerbund
Der Dürerbund wurde am 1. Oktober 1902 in Dresden gegründet. Er war der führende Gebildetenreformverein im Deutschen Reich und galt als "Partei der Unpolitischen". Der Dürerbund stand trotz seiner Basis im nationalkonservativen, liberalen Milieu fortschrittlichen Entwicklungen wie Volksbildung, Frauenrechte, Naturschutz und moderne Kunst offen gegenüber. Die im Zuge der Industrialisierung aufkommende Massenkultur, beispielsweise die Literatur von Karl May, sah man kritisch, und man sah sich berufen, als Autorität des guten Geschmacks belehrend auf das Publikum einzuwirken.
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[Bearbeiten] Meilensteine in der Bundgeschichte
Der Literat Ferdinand Avenarius und der Kunsthistoriker Paul Schumann gründeten 1902 den Dürerbund, um Leser und Sympathisanten der Zeitschrift Der Kunstwart in einer Institution zu vereinen. Der Dürerbund zählte v. a. Lehrer, Geistliche und Angestellte, aber auch Vereine und Studenten zu seinen Mitgliedern. Bedeutende Persönlichkeiten wurden für eine Mitarbeit im Vorstand des Dürerbundes gewonnen, so Marie von Ebner-Eschenbach in Wien, Gerhart Hauptmann, Hans Poelzig in Breslau, Fritz Schumacher in Hamburg, Hofkapellmeister Ernst Edler von Schuch, Stadtbaurat Hans Erlwein, die Architekten der Gartenstadt Hellerau Richard Riemerschmid und Heinrich Tessenow, Karl Groß von der Kunstgewerbeschule und Oskar Seyffert vom Bund Heimatschutz, Regierungsrat Willy von Brescius, Baurat Julius Graebner und Oskar Walzel von der TH Dresden. Auch Cornelius Gurlitt spielte von Anfang an eine bedeutende Rolle.
Der Dürerbund vergab begehrte Gütesiegel für literarische Erzeugnisse, gab aber auch selbst eine große Anzahl von Schriften heraus. Allein die ab 1905 verlegten Flugschriften des Dürerbundes erreichten mit 250 Titeln eine Auflage von 2,8 Millionen Exemplaren. Das Jahrbuch Gesundbrunnen vom Dürerbund war seinerzeit der beste deutsche Kunstkalender und erschien in einer Auflage von 50.000 Stück.
Um den gestiegenen Bedarf an Arbeits-, Archiv- und Lagerräumen zu befriedigen, wurde 1910/1911 in Blasewitz, Bahnhofstraße 24, das Dürerbundhaus errichtet.[2] Die Pläne dazu hatte Heinrich Tscharmann entworfen, der dem Deutschen Werkbund und dem Vorstand des Dürerbundes angehörte. Bauherr und Eigentümer war Ferdinand Avenarius, Mitbewohner Else Avenarius und Paul Schumann.
1912 gründete der Dürerbund in der Gartenstadt Hellerau die Gemeinnützige Vertriebsstelle deutscher Qualitätsarbeit, die von führenden Vertretern des Deutschen Werkbundes wie Otto Gussmann und Hans Poelzig beraten wurde, sowie zwei Jahre später zusammen mit dem Werkbund die Dürerbund-Werkbund-Genossenschaft. Sie standen in der Tradition der 1904 gegründeten Auskunftei des Dürerbundes mit ihrem kostenlosen Informationsdienst zur Hausratbeschaffung und anderen Fragen des Alltags und unterstützten damit eine ästhetische Produktgestaltung, die sie als wesentlichen Qualitätsbestandteil verstanden. Mit der objektiven Bewertung und Ausweisung der Qualität von Produkten in den Warenkatalogen bzw. Warenbüchern (1912, 1915) sind sie als frühe Vorläufer der Stiftung Warentest anzusehen.[3]
In der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg erreichten der Dürerbund und der mit ihm verbundene Kunstwart mit 300.000 Mitgliedern (größtenteils über verbundene Vereine) bzw. 22.000 Abonnenten ihren Höhepunkt. Der Erste Weltkrieg mit dem das Geistesleben dominierenden Nationalismus und der Völkerverhetzung in den Medien stellte auch für den Dürerbund eine Zäsur dar.[4] In jenen Schicksalsjahren wandte sich der Dürerbund um Ferdinand Avenarius zuerst gegen die deutsche Kriegspropaganda, später aber auch gegen die Friedensbedingungen der Sieger. Vor allem in den Beiträgen von Wolfgang Schumann wurde die in Deutschland aufkommende Sozialisierung thematisiert.
Nach dem Tod von Avenarius 1923 übernahm Paul Schumann die Leitung des Dürerbundes. Sein Sohn Wolfgang Schumann, Avenarius' Stiefsohn, war offiziell 1. Schriftführer, hatte aber die intellektuelle Führung inne. Er versuchte, das ursprünglich lose Bündnis zu einem Lesering zu formen, d. h., den Dürerbund als Vertriebsorgan verschiedener Schriftenreihen zu etablieren. Sein hoher literarischer Anspruch, unüberlegte Kritiken an Heimatschützern, die zur traditionellen Klientel gehörten, und später zunehmende Linkslastigkeit beförderten einen schrittweisen Niedergang von Kunstwart und Dürerbund, beschleunigt durch wirtschaftliche Krisen und den Machtantritt der Nazis 1933.
Nach dem Tod von Paul Schumann 1927 übernahm Karl Hanusch die Leitung des Dürerbundes, den er am 21. Dezember 1935 auflöste. Das Dürerbundhaus ist während der Luftangriffe am 13. Februar 1945 zerstört worden.
[Bearbeiten] Quellen
- Gerhard Kratzsch. Kunstwart und Dürerbund. Ein Beitrag zur Geschichte der Gebildeten im Zeitalter des Imperialismus. Vandenhoeck u. Ruprecht, Göttingen 1969. ISBN 3-525-36125-4.
- Kindheitserinnerungen von Frank Fiedler an seinen Vater und das „Dürerbundhaus“ Dresden
[Bearbeiten] Einzelnachweise
- ↑ Dürerblatt, hrsg. vom Dürerbunde, 45. Blatt, Dezember 1926
- ↑ Dürerblatt, hrsg. vom Dürerbunde, November 1910
- ↑ Heide Rezepa-Zabel: Deutsches Warenbuch. Reprint und Dokumentation. Gediegenes Gerät fürs Haus. Reimer, Berlin 2005. ISBN 3-496-01330-3.
- ↑ Wolfgang Schumann: Das Schrifttum der Gegenwart und der Krieg. Flugschrift des Dürerbundes 137. München: Callwey, 1915
[Bearbeiten] Weblinks
[Bearbeiten] Literatur
- Zum Dürer-Bunde. In: Der Kunstwart, 14, 24.1901, Heidelberger Universitätsbibliothek
- Der Dürerbund. In: Der Kunstwart, 16, 1.1902-1903, Deutsche Digitale Bibliothek / Heidelberger Universitätsbibliothek
- Dirk Hempel: Literarische Vereine in Dresden, Niemeyer-Verlag, 2008, Onlinevorschau auf Google Books, ISBN 978-3-3484-35116-5