Wolfgang Schumann
Wolfgang Schumann (* 22. August 1887 in Dresden; † 22. April 1964 in Freital) war ein kulturpolitisch engagierter Schriftsteller und Journalist.
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[Bearbeiten] Leben und Wirken
[Bearbeiten] Kindheit und Jugend
Wolfgang Schumann wurde als zweiter Sohn von Paul Schumann, Redakteur beim Dresdner Anzeiger und Besitzer eines Verlags in der Gutzkowstraße, und dessen erster Ehefrau, Else geb. Doehn, geboren. 1892 verunglückte sein älterer Bruder Herbert bei einem Fenstersturz tödlich. Nach der Scheidung der Eltern 1894 wuchs Wolfgang Schumann als Stiefsohn von Ferdinand Avenarius auf der Wachwitzer Straße 3 auf. Das Haus hatten Schilling & Graebner 1895 gebaut, im Jahr der Hochzeit von Ferdinand und Else Avenarius und des Todes von Wolfgangs Großvater Rudolf Doehn. Auch sein leiblicher Vater, Paul Schumann, bewohnte eine Etage im neu gebauten Haus. Das berufliche und geistige Verhältnis von Avenarius und Paul Schumann war eng, sowohl beim Kunstwart als auch im Dürerbund, den sie in jener Zeit gemeinsam gründeten. Nach dem Besuch der Blasewitzer Privatschule Thümer ging Wolfgang Schumann auf das Königliche Gymnasium Dresden-Neustadt, wo er 1905 das Abitur ablegte. Er studierte an der TH Dresden bis 1906 Kunstgeschichte bei Cornelius Gurlitt und Fritz Schumacher, später u. a. Medizin, Soziologie, Philosophie, Philologie und Literaturgeschichte in München und Berlin. Der Dürerbund-Stipendiat Karl Hanusch erteilte ihm und Johannes Maximilian Avenarius privaten Unterricht im Zeichnen. Auch in Musiktheorie und Gesang erhielt Schumann von Johannes Schreyer bzw. Richard Müller eine Ausbildung.
[Bearbeiten] Prägung durch Dürerbund und Kunstwart
Seine journalistische Laufbahn hatte Wolfgang Schumann schon 1905 als Referent beim Dresdner Anzeiger begonnen. Hier gehörte sein Vater, Paul Schumann, zu den leitenden Mitarbeitern, Chefredakteur war seinerzeit Leonhard Lier. 1908 wurde Schumann Redakteur des Literaturteils beim Kunstwart. Familiär bedingt engagierte er sich für den Dürerbund und leitete dessen Literarischen Ratgeber und den Literarischen Jahresbericht. 1912 heiratete Schumann die Übersetzerin Luise Eva Feine, die seinerzeit in Berlin Naturwissenschaften studierte. Sie wohnten von 1913 bis 1922 im Dürerbundhaus in der Bahnhofstraße 24,[1] danach Trinitatisstraße 33. 1917 wurde Schumann in den Vorstand der Dürerbund-Werkbund-Genossenschaft in der Gartenstadt Hellerau gewählt.
[Bearbeiten] Engagement in der Sozialdemokratie
1918 trat Schumann der SPD bei. Er hatte in dieser Zeit enge Beziehungen zu Otto Neurath, den er 1908 in Wien erstmals getroffen hatte.[2] Neurath zählte zu den regelmäßigen Autoren des Kunstwarts und beeinflusste Schumanns Gesellschaftsbild maßgeblich. Als Neurath 1918 in Leipzig die Leitung des Kriegswirtschafts-Museums übernahm, folgte ihm Schumann als Generalsekretär. Gemeinsam mit dem Chemnitzer Hermann Kranold entwickelte Neurath ein Programm zur Sozialisierung in Bayern und Sachsen. Schumann wurde von Neurath nach der Novemberrevolution als Verantwortlicher für Presse und Öffentlichkeitsarbeit im Zentralwirtschaftsamt der Münchner Räterepublik nominiert. Er war in Dresden zudem Mitbegründer, Vorstandsmitglied und Dozent an der Volkshochschule[3] sowie 2. Vorsitzender, Dramaturg und Redakteur bei der Volksbühne. 1922 erhielt er eine Anstellung als Redakteur bei der Dresdner Volkszeitung. Schumann vertrat das Ressort Theater, Bildende Kunst und Rundfunk. Zunehmend engagierte er sich politisch und entfernte sich damit von wesentlichen Positionen des Dürerbundes, der "Partei der Unpolitischen".
[Bearbeiten] Führung von Dürerbund und Kunstwart
Nach dem Tod seines Stiefvaters, Ferdinand Avenarius, im Jahre 1923 musste Schumann größere Verantwortung für Dürerbund und Kunstwart wahrnehmen. 1924/25 übernahm er die Herausgeberschaft des Kunstwarts und als 1. Schriftführer des von seinem Vater, Paul Schumann, nominell geleiteten Dürerbundes dessen intellektuelle Führung. Der Kunstwart verlegte in jener Zeit 45 Künstlermappen, die insgesamt in einer Auflage von 1,3 Millionen Stück erschienen.
Die Folgen des Ersten Weltkriegs, wirtschaftliche Krisen, aber auch Schumanns glückloses Agieren führten zu einem Abstieg von Kunstwart und Dürerbund. Schumanns hochliterarischer Anspruch überforderte teilweise die Leserschaft. Es gab aber auch politische Differenzen. Die Klientel des Kunstwarts war eher bürgerlich geprägt, Schumann bekannte sich zu sozialistischen Gesellschaftsmodellen. 1926 wurde er vom Callwey Verlag München aus der Leitung des Kunstwarts entlassen. Als Paul Schumann 1927 starb, wurde nicht dessen Sohn Wolfgang mit der Leitung des Dürerbundes beauftragt, sondern Karl Hanusch. 1932 bebauten die Schumanns einen vom Grundstück des Dürerbundhauses abgetrennten Teil mit einem eigenen Haus, die Heinrich-Schütz-Straße 4. Das Dürerbundhaus ging aus dem Erbe von Schumanns Mutter in den Besitz seiner Frau, Eva Schumann, über.
[Bearbeiten] Nationalsozialismus
Vor dem Machtantritt Hitlers 1933 warnte Schumann als Rundfunkredakteur eindringlich vor dem aufkommenden Nationalsozialismus, weswegen er nach der Machtergreifung mit seiner Ehefrau zeitweise nach Prag, Paris und London emigrieren musste. Nach ihrer Rückkehr nach Deutschland 1934 erhielt Schumann zunächst Schreibverbot. Die Mieteinnahmen ihrer beiden Häuser auf der Heinrich-Schütz-Straße halfen vermutlich beim Lebensunterhalt. Die Schumanns selbst wohnten in Berlin. Bemerkenswert ist, dass sie noch 1936 die jüdische Familie Sternfeld im Dürerbundhaus aufnahmen, die schließlich rechtzeitig aus Deutschland fliehen konnte. Mit seinen Eltern wohnte auch der spätere Transrapid-Pionier Götz Heidelberg im Haus. Während des Zweiten Weltkriegs hielten sich die Schumanns bei der befreundeten Schriftstellerin Marianne Bruns, die viele Jahre für den Kunstwart geschrieben hatte, in Obernigk bei Breslau auf. Als Niederschlesien wegen der näher kommenden Ostfront Ende 1944 teilweise evakuiert wurde, kehrten die Schumanns mit Marianne Bruns nach Blasewitz zurück. Am 13. Februar 1945 wurde ihr Zuhause auf der Ferdinand-Avenarius-Straße (Nr. 4), die inzwischen in fremden Besitz befindliche Villa aus Schumanns Kinderzeit auf der nach Ferdinand Avenarius genannten ehemaligen Wachwitzer Straße (damals Nr. 3) durch die Luftangriffe zerstört.
[Bearbeiten] Nach dem Zweiten Weltkrieg
Wolfgang und Eva Schumann sowie Marianne Bruns wurden nach der Zerstörung Dresdens von Karl Hanusch in Freital aufgenommen, wo Schumann bis 1947 erster Intendant des Theaters im Plauenschen Grund in Potschappel war. Zudem wirkte er als freischaffender Schriftsteller. Schumann war nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst wieder in die SPD eingetreten, im Zuge der Vereinigung mit der KPD wurde er Mitglied der SED. Seine Ablehnung von Volksbildung als Mittel zur ideologischen Indoktrination führte ihn in der DDR zunehmend in die Isolation.
Wolfgang Schumann wurde wie seine Mutter und sein Stiefvater auf Sylt beigesetzt.[4] Drei Jahre nach seinem Tod erhielt seine Frau die Ehrenbürgerschaft Freitals zuerkannt. Der Klub der Intelligenz in Freital beim Kulturbund der DDR trug den Namen Wolfgang-Schumann-Klub.[5]
[Bearbeiten] Werke
Familiär bedingt engagierte sich Schumann frühzeitig für den Dürerbund, zu dessen Führung er lange Zeit gehörte. Für den Dürerbund und den Kunstwart verfasste er kulturpolitische, aber auch pädagogische, soziologische und politische Schriften. Allein im Kunstwart erschienen von 1912 bis 1926 insgesamt 170 Beiträge, beispielsweise: "Bildung und Schulwesen" (1912), "Nietzsche und unser Bürgertum" (1914), "Von den Aufgaben des Theaters" (1916), "Politik und Wissenschaft" (1919), "Um die deutsche Verfassung" (1919), "Humanismus und Realismus" (1925) und "Lebenskunst" (1926). Seine eigenen Beiträge waren von hohem literarischen Niveau geprägt, gleichzeitig förderte er aber auch andere Autoren, z. B. Hermann Häfker, und er gab Goethe, Max Liebermann und Texte des ermordeten Reichsministers Walter Rathenau heraus. Auch nach 1945 wirkte Schumann als freischaffender Schriftsteller.
- Wolf Castells Gast. Romannovelle. 1909
- Unser Deutschtum und der Fall Spitteler. Belege und Betrachtungen. Im Auftr. des Dürerbundes zsgest. von Wolfgang Schumann. Mit einem Vorw. von Ferdinand Avenarius. Flugschrift des Dürerbundes 135. München: Callwey, 1915
- Das Schrifttum der Gegenwart und der Krieg. Flugschrift des Dürerbundes 137. München: Callwey, 1915
- & Otto Neurath: Können wir heute sozialisieren? Eine Darst. d. sozialist. Lebensordnung u. ihres Werdens. Leipzig: Klinkhardt, 1919
- Reform und Sozialisierung der Tagespresse. Flugschrift des Dürerbundes 183. München: Callwey, 1919
- Über den Dürerbund; Bemerkungen über Geschichte, Wesen und Aufgabe d. Dürerbundes. München: Callwey, 1919
- Parteiwesen und Parteiprogramme. 1921
- Zur Volkshochschulfrage: Bemerkungen und Vorschläge vornehmlich über städtische Volkshochschuleinrichtungen nebst e. krit. Übers. über d. neuere Literatur. Flugschrift des Dürerbundes 184. München: Callwey, 1921
- & Karl Hanusch: Von Brueghel zu Rousseau. Einführung in die Kunst der Zeit. München: Callwey, 1923
- Die Wissenschaft: eine Betrachtung ihres Wesens und ihrer Sendung. München: Callwey, 1923
- Maarten Maartens. Novellen. 1923
- Schauspielkunst und Schauspieler. Flugschriften des Dürerbundes 200. München: Callwey, 1926
- Geschlechtlichkeit und Liebe: Betrachtungen zu Lebensfragen. Zürich: A. Müller, 1944
- Lebenslang nach Heimat sehnt sich jeder Mensch. Dresden: Meinhold Verlagsges., 1944
- Vom Glück im Leben: Brevier der Lebenskunst als Helfer im Lebenskampf. Zürich; Rüschlikon, 1950
- Flammende Insel im Ozean: Ein biographischer Roman um Toussaint l'Ouverture. Leipzig: List, 1953
- Der Igel. Erzählung in Das innere Antlitz
- Stern aus der Tiefe: Ein Spartacus Roman. Wien: Die Buchgemeinde, 1959
- Oberschlesien 1918/19: Vom gemeinsamen Kampf deutscher und polnischer Arbeiter. 1961
[Bearbeiten] Quellen
- Gerhard Kratzsch. Kunstwart und Dürerbund. Ein Beitrag zur Geschichte der Gebildeten im Zeitalter des Imperialismus. Vandenhoeck u. Ruprecht, Göttingen 1969. ISBN 3-525-36125-4.
- Uwe Fiedler: Zur Stadtgeschichte von Dresden (archiviert)
[Bearbeiten] Einzelnachweise
- ↑ Adressbuch der Stadt Dresden, 1916
- ↑ Otto Neurath, Marie Neurath, Robert Sonné Cohen: Empiricism and sociology. Springer, 1973. ISBN 9027702594.
- ↑ Wiltrud Gieseke, Karin Opelt: Erwachsenenbildung in politischen Umbrüchen: Programmforschung Volkshochschule Dresden 1945-1997. VS Verlag, 2003. ISBN 3810036323
- ↑ Klaus-Georg Günther: Volksbildung war ihm eine Herzenssache. Sächsische Zeitung, 22. April 2010
- ↑ Informationsbroschüre "Kulturangebot 1987-1990" des Rat des Kreises Freital, S. 38
[Bearbeiten] Weblinks
- Die deutschsprachige Wikipedia zum Thema Wolfgang Schumann
- Porträt bei der Deutschen Fotothek
- Schriftlicher Nachlass Wolfgang Schumann in der SLUB Dresden