Schlacht vor dem Ziegelschlag 1813
Zur Geschichte der Johannstadt fertigte der Volksschullehrer Arno Scheer, der zu dieser Zeit am Bönischplatz Nr. 12, I. Stock wohnte, eine kleine Ortschronik an, die Geschichtlichen Wanderfahrten Nr. 3: Dresden-Johannstadt, Die Welt vor dem Ziegelschlag, die von Dr. Artur Brabant 1930 herausgegeben wurde. Unter dem Kapitel III. Kriegsstürme beschreibt er recht anschaulich die damaligen Kriegshandlungen, welche nachfolgend zitiert werden.
[Bearbeiten] Vorgeschichte
Wo sich 1925 der gewaltige Bau der Sängerhalle erhob und das herrliche deutsche Lied aus Tausenden sangesfrohes Kehlen erklang, da dröhnte im Sommer 1683 der Elbestrand unter den Füßen der 10.454 Mann starken neuen Heeresmacht des Kurfürsten Johann Georg III., der hier seine Soldaten zusammenzog, um dem bedrängten Kaiser Leopold I. und der von den Türken belagerten Stadt Wien zu Hilfe zu eilen. Am 7. August 1683 besuchten der Kurfürst, die Kurfürstin, die verwitwete Kurfürstin, die Prinzen und viele hohe Würdenträger das stattliche Lager, das auf den Elbwiesen von der Ziegelscheune „bis hinauf ans Blasewitzer Tännicht“ ein buntes militärisches Schauspiel bot. Außerdem waren noch 16 Geschütze, 87 Fahrzeuge, 2 Petarden und 3545 Pferde zu sehen. Die fürstlichen Herrschaften wurden mit Ehrensalven von der Infanterie und 28 Geschützen, die man besonders für den hohen Festtag aus dem Hauptzeughause herbeigeschafft hatte, da die Feldartillerie noch nicht in Lager eingerückt war, donnernd begrüßt. Unter Johann Sobieskys Oberbefehl war diese sächsische Streitmacht bei der Befreiung der belagerten Donaustadt am 12. September 1683 ruhmreich beteiligt.
Die östliche Gegend Dresdens war mehrfach der Schauplatz erbitterter Kämpfe. Im Siebenjährigen Kriege wurde auch das Gebiet der heutigen Johannstadt stark in Mitleidenschaft gezogen. Friedrich II. war 1756 in Sachsen eingefallen und hielt die Festung Dresden besetzt. Auch die östlichen Vorwerke erhielten wiederholt Einquartierung von Mannschaften, Pferden und Artillerie, ihre eigenen Pferde mit Leiterwagen mußen sie dem Feinde zur Verfügung stellen. Die Einwohner wurden zu Schanzarbeiten gezwungen, in ihre Häuser mußten sie preußische Verwundete aufnehmen; ja, es kam sogar vor, daß ihnen Wagen und Pferde weggeholt wurden. Ungeheure Kriegslasten bedrückten sie, zudem bevölkerte liederliches Bettelvolk die Gegend. Die Schläge waren geschlossen, die Festung konnte den Vorortsbewohnern keine Schutz gewähren, sie waren en Kriegsdrangsalen preisgegeben. Zäune, Scheunen, Fruchtbäume usw. wurden abgebrochen und verbrannt, die Felder arg verwüstet. Die Mauer um den Großen Garten wurde bis auf zwei Schichten abgetragen, und das Tännicht wurde zum großen Teil abgeholzt. Das Furchtbarste stand noch bevor. Als die Österreicher am 10. November 1758 nachts vom Große Garten aus die Festung anzugreifen schienen, gaben die Preußen durch einen Kanonenschuß das Zeichen zum Abbrennen der Vorstädte. In die Häuser waren vorher Pechkränze und andere leichtentzündliche Gegenstände gelegt worden, und Granaten und Feuerkugeln halfen dem Brande nach. Fast die ganze Pirnaische Vorstadt stand bald in Flammen, die Bewohner konnten kaum etwas retten. Schon nach einigen Stunden zogen sich die Österreicher zurück, am 14. November traten sie den Rückmarsch nach Böhmen an.
Als aber die Österreicher Dresden am 30. August 1759 abermals angriffen, setzten die Preußen ihr Zerstörungswerk in den Vorstädten fort. Vom 22. Februar bis 23. März 1760 schlug die k. k. Armee bei „Antons“ eine Schiffsbrücke über die Elbe. Die Rollen zwischen Preußen und Österreichern waren 1760 vertauscht. Am 19. Juli 1760 belagerten und beschossen die Preußen die Stadt, in der Pirnaischen Vorstadt allein brannten 108 Häuser völlig ab, 28 Häuser waren gänzlich zerstört und 109 beschädigt. Nur langsam entstanden aus den Trümmerhaufen neue Wohnstätten.
[Bearbeiten] Befreiungskrieg 1813
Noch einmal – es war im Schreckensjahr 1813 – wütete ein furchtbarer Kriegssturm über der Gegend vor dem Ziegelschlage. Sachsen stand damals auf der Seite der Franzosen, die Dresden besetzt hielten. Der französische Marschall Saint Cyr hatte am 24. August seine Truppen dicht an und in die Stadt zurückgenommen. Die Verbündeten hatten bereits die Linie Blasewitz–Prohlis–Torna–Neuostra–Zschertnitz–Räcknitz–Coschütz erreicht. Die Stadt war in weitem Bogen auf dem linken Elbufer eingeschlossen. Fürst Schwarzenberg, der Oberbefehlshaber der großen böhmischen Armee, hatte dem General Grafen Wittgenstein den Befehl gegeben, mit seinen 15.000 Russen und Preußen gegen Dresden vorzugehen. Blasewitz und Striesen waren ihre Ausgangspunkte.
[Bearbeiten] morgens
Die Franzosen hielten am Morgen des 26. August „Antons“ einschließlich „Vorwerk Lämmchen“ mit 5 Kompanien Infanterie besetzt. „Hopffgartens“ und „Stückgießers“ wurden von einem Bataillon französischer Infanterie gehalten. Ein anderes Bataillon besetzte „Engelhardts“, dessen Garten ebenso wie der ummauerte Park von „Antons“ einem vorgeschobenen Posten starken Rückhalt zu geben schien. Auch in und an der großen Sandgrube am Tatzberg lagen vereinzelte Vorposten. Zwischen „Lämmchen“ und „Stückgießers“ standen einige französische Geschütze.
Die erste Aufgabe der Verbündeten war, das Vorgelände vom Gegner zu säubern. Wittgensteins russische Truppen mußten also versuchen, gegen den Ziegelschlag vorzukommen. Die Russen fuhren am Tännichtrand in der Nähe des Hegereiters (Forsthausstraße Nr. 3, ehem. Forsthaus) eine Batterie auf, die vermutlich auf der noch jetzt sichtbaren Bodenerhebung stand, auf der heute die Villengrundstücke Loschwitzer Straße Nr. 1–3 liegen. Eine auf dem Windmühlenberg (Fürsten-, Dürer-, Hutten- und Wormser Straße) aufgestellte russische reitende Batterie verstärkte das Feuer gegen die vor dem Ziegelschlage stehende französische Artillerie. Das mörderische Feuer der Franzosen vom „Lämmchen“ und von dem 140 m höher gelegenen Meisenberge her (d.i. der Schanzenhügel hinter dem Waldschlößchen, bereits vor dem Ersten Weltkrieg abgetragen) zwang die Russen, noch eine zweite Batterie weiter nördlich an den Tännichtrand (Hochuferstraße–Marschallallee) vorzuschicken, um den Anmarschweg der Franzosen, die Bautzner Straße, bestreichen zu können. Trotzdem waren die Verluste der Russen an Menschen und Pferden bedeutend. Sie mußten ihre Geschütze notgedrungen zurücknehmen und den Westrand des Tännichts mit Jägern zu halten versuchen. Mit 12 Bataillonen und 10 Schwadronen ging die russische Division Mesenzow unter Gortschakows Befehl vom Tännicht aus gegen „Engelhardts“ vor, jedoch ohne Erfolg.
[Bearbeiten] mittags
Erst um die Mittagszeit, als mehrere Abteilungen russischer Linieninfanterie von Süden her im Schutze der Landgrabeneinsenkung und unter kräftiger Unterstützung der Artillerie vorgingen, mußte die französische Batterie am Ziegelschlag ihr Feuer einstellen, und den russischen Jägern gelang es, die Franzosen aus Engelhardts Gehöft hinauszuwerfen. Nun beschossen russische Kanonen „Hopffgartens“ und das „Lämmchen“ aufs heftigste. Als aber zwischen 1 und 2 Uhr eine französische reitende Gardebatterie aus dem Ziegelschlage herausjagte und von der Schanze I (auf der alten Vogelwiese) aus die Russen mit einem Kartätschenhagel überschüttete und französische Gardeinfanterie vorstürmte, mußten die Russen in ihre Ausgangsstellung zurückgehen. General Roth hatte mit einer Batterie, die in der Gegend der heutigen Geising-, Laube- und Tischerstraße stand, die französischen Schützen aus dem Graben, der sich an der Ostseite der jetzigen Fürstenstraße hinzog, hinausgeworfen und so die Verbindung mit den im Großen Garten kämpfenden Preußen hergestellt. Die Russen besetzten den Graben, die Franzosen gingen nach dem Rampischen Schlage zurück (Pillnitzer Straße, Gegend der Johanneskirche). Einer russischen Batterie war es gelungen, bis an die Mitte des Großen Gartens (Comeniusplatz) vorzukommen, an weiterem Vorgehen wurde sie durch die französischen Geschütze der Schanze II (Ecke Pirnaische Straße und Lennéstraße) und durch eine Haubitzenbatterie, die am einstigen Schillingmuseum stand, verhindert. Um die Mittagsstunde erlosch das Gefecht vor der Schanze II, wie auch an den anderen Teilen der Kampffront zu gleicher Zeit Ruhe eintrat. Das Vorgelände war zum großen Teil im Besitze der Angreifer.
[Bearbeiten] nachmittags
Um vier Uhr donnerten von der Zschertnitzer Höhe her drei Signalschüsse, sie gaben das Zeichen zum allgemeinen Angriff. Überall entwickelten sich die Angriffskolonnen. Von 4 Uhr an schwiegen alle Glocken und Uhren in Dresden. Nach kurzer Artillerievorbereitung schickte Wittgenstein die Division Mesenzow in 2 Kolonnen gegen den Ziegelschlag vor. Die eine drang unter Lukow mit 2 Bataillonen, 2 Geschützen und geringer Kavallerie vom Tännicht aus an der Elbe entlang vor; die andere unter Milesinow ging mit 4 Bataillonen und 4 Geschützen etwa vom einstigen Weißen Schlosse aus auf dem Blasewitzer Wege (jetzt Blasewitzer Straße) gegen „Engelhardts“ vor. Kosaken besetzten den westlichen Tännichtrand. Eine dritte Kolonne unter Roth setzte ihren Angriff wie am Vormittage fort und blieb mit den im Großen Garten kämpfenden Preußen in Fühlung. Wiederholt stürmten Lukows russische Jäger gegen „Stückgießers“ an, jedoch ohne Erfolg. Die Kosaken trieben aber mit ihren Lanzen die eigenen Leute gegen den Feind, bis die tapfer verteidigte große Sandgrube am Tatzberg, das „Lämmchen“ und „Antons“ von den Jägern genommen waren. Zwei Bataillone unter Milesinow gingen über den Windmühlenberg gegen „Engelhardts“ vor und nahmen das Gehöft in Besitz. Gemeinsam wollten nun Lukows und Milesinows Abteilungen „Stückgießers“ und „Hopffgartens“ erobern. Am Tatzberg und bei der jetzigen Trinitatiskirchruine fuhr ihre Artillerie auf und richtete das Feuer auf diese beiden Grundstücke aud auf die Schanze I (alte Vogelwiese, vom Johannstädter Stadthaus bis zur Nordseite der Kunstgewerbeschule). Lukow erhielt 2 Bataillone Verstärkung in die Sandgrube. Das 24. russische Jägerregiment sollte Milesinow unterstützen, es kam aber kaum über den Windmühlenberg hinweg, denn es wurde von der Schanze I aus, von der Gardebatterie am Ziegelschlag und von 30 Geschützen vom rechten Elbufer her mit ungeheurem Geschoßhagel und mit stärkstem Infanteriefeuer überschüttet. Gliederweise wurden die 24er Jäger hingestreckt. Der russische Leutnant Lukow, der Leiter des Angriffs, fiel bei „Stückgießers“, und Milesinow wurde hier tödlich verwundet (Bild im ehem. Körnermuseum), er starb im Lazarett „Hopffgartens“, im Parke dieses Grundstücks wurde ihm später ein Denkmal gesetzt. Eine vom Tännicht aus gegen das „Lämmchen“ vorgehende russische reitende Batterie konnte ebenso wenig ausrichten – sie mußte zurückgehen – wie die von Striesen aus vordringenden 6 Bataillone Wittgensteins, die nur bis zum Windmühlenberge kamen. Vor „Stückgießers“ und am Windmühlenberge fand man „die Toten und Verwundeten nicht mehr auf der Erde liegend, sondern aneinander gelehnt aufrechtstehend,“ wie eine einzige Masse.
Napoleons kräftiger Gegenstoß hatte begonnen, er war in gewaltigen Eilmärschen von Schlesien herbeigeeilt. Die französische Division Roguet ging an der Elbe entlang auf „Antons“ vor, und aus dem Rampischen (Pillnitzer Straße) und dem Pirnaischen Schlag (Albrechtstraße) brach Decouz vor. Die Russen waren sehr ermattet, sie wurden in kurzer Zeit aus den eroberten Gehöften wieder hinausgeworfen, bei „Antons“ wurden sie fast umzingelt. Abends gegen 7 Uhr zogen sie ihre Truppen in die Gegend zwischen Striesen und Tännicht zurück, Blasewitz und das Tännicht hielten sie noch in der folgenden Nacht. Am Windmühlenberge hatten sich die zurückgegangenen Russen wieder versammelt. Wittgenstein und Mortier hatten um den Besitz dieser wichtigen Höhe erbittert und mit bedeutsamen Verlusten gekämpft, bis die Russen nach Striesen zurückgedrängt wurden. Sofort fuhren die Franzosen eine Batterie auf dem Windmühlenberg auf und beschossen von hier aus heftig das Dorf Striesen, das schon am Abend des 25. August zum großen Teil von den Franzosen in Brand geschossen worden war. In Striesen selbst entstand ein furchtbares Ringen zwischen den Feinden. 5 Stunden dauerte das Morden und Sengen, dann war Striesen im Besitze der Franzosen.
[Bearbeiten] nachts
Bei ununterbrochenem Regen, der die ganze Nacht herabströmte und auch am Morgen des 27. August nicht nachließ, begann der Kampf am 27. August aufs neue. Doch waren es an diesem Tage hauptsächlich die Dörfer Gruna, Seidnitz, Reick und Dobritz, die die Kriegsschrecken kennenlernten. Am 28. August vormittags dreiviertel 12 Uhr verkündeten die Turmuhren der Stadt zum ersten Male wieder die Zeit, nach damaligem Kriegsbrauche waren sie beim Beginn der Schlacht zum Schweigen gebracht worden. Welche unendliche Summe von Not und Elend, Angst und Herzeleid bargen diese 42 Stunden für die Bewohner der östlichen Pirnaischen Vorstadt, der heutigen Johannstadt! Ringsum waren wogende Getreidefelder zerstampft, die 4 Windmühlen auf dem Windmühlenberg waren in Schutt und Asche gelegt.
[Bearbeiten] Zeitzeugenbericht
Anschaulich schildert uns Ludwig Richter, der die Gegend am Tatzberg am 29. August mit seinem Vater besuchte, die furchtbaren Greuel des Schlachtfeldes in seinen „Lebenserinnerungen eines deutschen Malers“ mit den Worten: „Wir gingen den Weg nach Blasewitz zu, der damals öde und sandig und unbebaut war. Auf einem Hügel, wo eine russische Batterie gestanden hatte, langen ganze Haufen toter und zum Teil gräßlich verstümmelter Gestalten. Wir gingen nicht ganz in die Nähe; denn es schauderte uns, das Gewimmer zu hören. – Jetzt kamen wir an eine Sandgrube, in der ebenfalls eine Menge toter Russen lag. Ein altes, krummes Mütterchen hatte sich uns angeschlossen. Sie hatte ein so trauriges Gesicht, sah wie Not und Jammer aus und trug in einem Handkorbe einen großen Topf Wassersuppe mit einem Näpfchen nebst altem Blechlöffel, um den verschmachtenden Menschen eine Erquickung zu bringen, gewiß die einzige, die ihr möglich war. – So stiegen wir zu einem hinab, der in einem weißen Soldatenmantel mit roten Aufschlägen eingewickelt dalag und neben ihm eine Blutlache. – Wir hingegen ratschlagten, wie wir ihn in eine Scheune zu bringen vermöchten, wo viele Verwundete lagen und amputiert wurden. – So fanden wir nach einem Umschauen eine Stubentür, welche vielleicht zum Behuf eines Wachtfeuers aus einem Vorwerke, das „Lämmchen“ genannt, hierher geholt sein mochte. – Doch gelang es unsern schwachen Kräften, ihn glücklich auf die Tür zu lagern und langsam fortzutragen nach jener Scheune. – Aufs tiefste erschüttert traten wir unsern Rückzug nach Hause an.“
[Bearbeiten] Weblinks
- Exemplare bei der SLUB
- Beiträge zur Kriegesgeschichte der Feldzüge 1813 und 1814 von Adolf Freiherr von Lützow