Kino
Großes Kino in Dresden – Dresden die Kinostadt. In dieser Kunst wird Dresden seiner Stellung als Kulturstadt gerecht. So liegt Dresden mit den Zuschauerplätzen pro Einwohner bundesweit an der Spitze. Im Stadtwiki Dresden ist eine ausführliche Dokumentation über ehemalige und aktuelle Kinos im Aufbau, jede Unterstützung, etwa in Form von Zeitzeugenerinnerungen oder Bildmaterial, ist herzlich willkommen.
[Bearbeiten] Siehe auch
[Bearbeiten] Kleine Dresdner Kinogeschichte
[Bearbeiten] Vom Wanderkino zum Filmpalast
Bereits 1895/96 konnten die Dresdner auf der Vogelwiese erste Filmvorführungen von Wanderkinematographen bestaunen, ab 1903 waren einzelne Filme Bestandteile des Nummernprogramms in Dresdner Varietés, etwa dem Victoria- oder dem Centraltheater. Ab 1906 wurde ortsfeste Kinematographen gegründet – allein im genannten Jahr 14 Stück. Dazu zählten Ladenkinos wie das Dedrophon (eröffnet Juli 1906), das Campaneta-Theater von Heinrich Ott und das Welttheater. Bis etwa 1910 hielt dieser Gründungsboom an; jährlich öffneten zwischen zehn und 15 neue Kinos, die allerdings oft nur wenige Monate oder Jahre bestanden.[1] Bis 1911 nutzten die Kinobetreiber für ihre Etablissements ausschließlich Räume, die ursprünglich für andere Zwecke errichtet worden waren. So entstanden auch die sogenannten Winkel- oder Hakenkinos wie das „Imperial“ an der Moritzstraße, dessen zweiter Zuschauerraum im rechten Winkel zum ersten angeordnet wa. Mittels eines Spiegels konnte ein Film in zwei Sälen gezeigt werden.[2]
Im Jahr 1906 erließ das Innenministerium erste Bestimmungen zum Brandschutz in Kinematographen und ähnlichen Einrichtungen. Mit dem 1909 auf Betreiben des Dresdner Kinobesitzers Heinrich Ott gegründeten „Verein der Kinomatographenbesitzer des Königreiches Sachsen in Dresden“ wehrten sich die Unternehmer gegen unzählige teils widersprüchliche Zensurverordnungen, Brandschutzbestimmungen und sonstige einschränkende Regelungen.[3] Viele der frühen Kinos mussten wieder schließen, weil sie in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerieten oder mit ihren baulichen Zuständen den steigenden Ansprüchen des Publikums und den verschärften Brandschutzbestimmungen nicht mehr genügen konnten.
1913 wurde mit dem U.T. (Union-Theater) der erste nur für diese Zwecke erbaute Filmpalast eröffnet. Architekt Martin Pietzsch hatte das Gebäude mit rund 1000 Plätzen entworfen.
Das 1926 ebenfalls unter Leitung von Martin Pietzsch errichtete Filmtheater Schauburg war das erste freistehende Kinogebäude in Dresden und repräsentierte damit das Selbstbewusstsein des erstarkten Mediums Film. Am 15. Oktober 1927 wurde der opulente Art-deco-Bau mit dem 1000 Besucher fassenden Saal eröffnet.
Die 1920er Jahre gelten als die Hochzeit des Lichtspielpalastes. So wurde beispielsweise das frühere „Victoria-Varieté“ zum Ufa-Palast. Ende des Jahrzehnts stagnierte die Zahl der Kinogründungen, bedingt durch Weltwirtschaftskrise und die kostenintensiven Umbauten für den Tonfilm. Erst ab Mitte der 1930er Jahre entstanden neue Lichtspielhäuser in Dresden, die für die Projektion von Tonfilmen konzipiert waren, etwa das Olympia und die Parklichtspiele.[4] Insgesamt wurden vor dem Zweiten Weltkrieg insgesamt mehr als 100 Kinos in Dresden eröffnet.
Während des Dritten Reiches existierten 36 Filmtheater in Dresden, die zu den schönsten in ganz Deutschland zählten.[5] Allein zwischen Prager und Waisenhausstraße sowie See- und Wilsdruffer Straße gab es zwölf Stück, davon sieben Erstaufführungstheater. In dieser Blütezeit des Lichtspielwesens zwischen den 1920er und 1940er Jahren erschien jede Woche die Illustrierte „Dresdner Film-Post“, die die aktuellen Programme der Kinos vorstellte[6] – eine Aufgabe, die heute der Kinokalender erfüllt.
[Bearbeiten] Kriegsbedingte Zerstörung
Nach dem Bombardement im Februar 1945 waren alle Kinos in der Innenstadt teilweise oder vollständig zerstört, unter ihnen das von Martin Pietzsch entworfene U.T. Die älteren Dresdner erinnern sich vielleicht noch an die Ruine an der Waisenhausstraße, die nach der Trümmerberäumung allein in der Einöde stand. Obwohl das UT und einige andere Kinogebäude zu retten gewesen wären, entschied man sich aus wirtschaftlichen und städteplanerischen Gründen für den Abriss. An das Wirken von Martin Pietzsch erinnert heute noch die Schauburg, die 1927 als erstes frei stehendes Kinogebäude eröffnet wurde. Auch das in unmittelbarer Nachbarschaft stehende Tagesfilmtheater TB (Theater am Bischofsplatz) entstand unter seiner Feder, leider wurde es in den 1960er Jahren geschlossen.
Dem Krieg fielen u. a. folgende innenstädtische Lichtspielhäuser zum Opfer:
Capitol | Scala | UFA am Postplatz | UFA-Palast „Victoria Theater“ | Prinzeß-Theater | Tivoli | Universum | U.T. | Welttheater Scheffelstraße | Zentrum-Lichtspiele
Im übrigen Stadtgebiet wurden u. a. folgende Kinos zerstört:
- Johannstadt: Fürstenhof-Lichtspiele | National-Lichtspiele
- Wilsdruffer Vorstadt: Saxonia | Vaterland-Lichtspiele, ehem. Colosseum
- Löbtau: Dreikaiserhof | Li-Mu | Westend-Theater
- Striesen: Gloria-Palast
- Reick: Reicker Lichtspiele
Dennoch wurden die 16 verbliebenen Lichtspielhäuser bis zum 7. Mai 1945 weiter bespielt.[7] Nach Kriegsende wurden die Filmtheater notdürftig instand gesetzt, um der Dresdner Bevölkerung möglichst bald wieder Unterhaltungs-, Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten bieten zu können. Betrieben wurden die Lichtspielhäuser von den privaten Eigentümern, in städtischer Regie oder von Treuhändern. Zum Einsatz kamen zunächst Kopien, die noch in den Kinos oder Landspielstellen lagerten, sowie viele Filme aus der Sowjetunion, teilweise unsynchronisiert, was aber offenbar der Publikumsbegeisterung keinen Abbruch tat.
[Bearbeiten] Neuordnung des Lichtspielwesens
Nachdem die Enteignung der „Nazi- und Kriegsverbrecher“ und die Überführung ihrer Betriebe in Volkseigentum angeordnet worden war, mussten private Dresdner Kinobetreiber wie Willy Schulze ihre jahrzehntelang engagiert betriebenen Kinos aufgeben. Die Lichtspieltheater wurden 1948/49 in Länder-Verwaltungen zusammengeschlossen. Daneben existierten noch Kinos der Sovexportfilm GmbH (offenbar jeweils die größten und wichtigsten Häuser am Platz, in Dresden Schauburg, Faunpalast und Parklichtspiele[8]) und der DEFA (z. B. die Zeitkinos in Berlin und Leipzig), Filmtheater in privater und Treuhand. Im Zuge der Republik-Neugliederung in 15 Bezirke wurden zum 1. Januar 1953 all diese uneinheitlichen Verwaltungen in Kreislichtspielbetriebe (KLB) umgewandelt. Die 91 Sovexportfilm-Kinos überführte man 1955 zunächst in einen eigenständigen VEB Filmtheater und ordnete sie ein Jahr später in die KLBe ein.[9] Der VE(B) Lichtspielbetrieb befand sich in der Straße der Befreiung 30.[10]
Weil die nach dem Krieg verbliebenen Kinos den Bedarf nicht decken konnten, nutzte man ehemalige Gasthöfe, Ballsäle und Turnhallen um (z. B. Braunes Gasthof Dölzschen, Filmbühne Wölfnitz, Erbgericht Niederpoyritz, Kleines Theater Reick). Neu eröffnet wurden zudem Anfang der 1950er Jahre die beiden Zeitkinos im Hauptbahnhof und im Bahnhof Neustadt. Sie spielten vorwiegend kurze Filme, um die Wartezeit zu verkürzen, auch wurden dauernd die Züge durchgesagt.
Im Jahr 1963 wurden in und um Dresden wie auch im Rest der DDR die Kreislichtspielbetriebe zu Bezirkslichtspielbetrieben zusammengefasst, weil sich die kleinen Verwaltungseinheiten als organisatorisch und wirtschaftlich ungünstig erwiesen hatten. Im Zuge der Zentralisierung und Konzentration wurden in den 1960er Jahren im gesamten Land viele Filmtheater geschlossen,[11] die sich in einem desolaten Zustand befanden, die anderweitig genutzt werden sollten und deren Besucher leicht in benachbarte Kinos umgeleitet werden konnten. In Dresden betraf das zum Beispiel:
Braunes Gasthof Dölzschen | Filmschau Niedersedlitz | Hebbel-Lichtspiele | Titania-Lichtspiele | Tagesfilmtheater TB am Bischofsplatz | Zeitkino Neustädter Bahnhof
Die angespannte Material- und Finanzsituation in der DDR erlaubte auch kaum die umfassende Sanierung der übrigen Filmtheater oder gar den Neubau von expliziten Kino-Zweckbauten. Das 1972 eröffnete Dresdner Rundkino an der Prager Straße war eines von nur vier neu errichteten Filmtheatern, die zwischen 1945 und 1990 in der gesamten DDR gebaut wurden (Umbauten und Modernisierungen nicht eingerechnet). Die Statistik zählte 1970 23 Kinos mit insgesamt 6500 Plätzen, mit dem neuen Rundkino kamen noch einmal 1250 Plätze dazu.
Im Jahr 1973 wurde, den politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen der Zeit entsprechend, der Volkseigene Lichtspielbetrieb (B) in die Bezirksfilmdirektion Dresden (BFD) umgewandelt. Alle Bezirksfilmdirektionen waren nun keine nach betriebswirtschaftlichen Kriterien geführten Unternehmen mehr, sondern bekamen als Haushalteinrichtung des jeweiligen Rates des Bezirkes ihre finanziellen Mittel von diesem gestellt. Die BFDen sollten ab den 1970er Jahren verstärkt ideologische Aufgaben erfüllen, „kulturpolitisch angeleitet“ wurden sie dabei von der sogenannten Hauptverwaltung Film beim Ministerium für Kultur. Die praktische Durchführung des Kinobetriebes in ihrem Bezirk bestimmte jedoch jede Filmdirektion selbst, sodass man unterschiedliche Entwicklungen in den einzelnen Kinobezirken feststellen kann.
Liste der Lichtspielhäuser 1953
ehemaliger Sitz der Bezirksfilmdirektion, Hauptstraße 36
[Bearbeiten] Bewegte Wendejahre
Anfang der 1990er Jahre wurde die BFD Dresden zunächst in die Dresdner Kino GmbH umgewandelt, wenige Monate später verkaufte die Treuhand die Kino-Firma in Stücken an Bernd Eichingers Film-Produktions- und Verleihfirma „Neue Constantin“, die Ufa, eine Immobilienfirma und Privatleute.[12] Durch diese Praxis verschwanden binnen weniger Jahre viele Dresdner Kinos, so beispielsweise der Faunpalast, die Olympia-Lichtspiele, die Park-Lichtspiele und das Filmtheater am Hauptbahnhof.
[Bearbeiten] Situation heute
Die aktuell zwölf Kinos scheinen einen sicheren Bestand zu bilden. In den 2000er Jahren kamen das Thalia und das Kino in der Fabrik hinzu. Im April 2009 eröffnete das Programmkino Ost vier zusätzliche Säle, und auch die Schauburg kam 2017/18 in den Genuss der längst überfälligen Sanierung und erhielt dabei zwei weitere Säle. Das Kino im Dach, viele Jahre im ehemaligen Pentacon-Kulturhaus beheimatet, wird im Frühjahr 2020 ins Kraftwerk Mitte umziehen und künftig „Zentralkino“ heißen. Aufgrund einer Allgemeinverfügung zu Veranstaltungsverboten des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt wegen der COVID-19-Pandemie mussten ab dem 19. März 2020 auch in Dresden alle Kinos ihren Betrieb einstellen.
[Bearbeiten] Quellen
- ↑ Wolfgang Flügel: Heinrich Ott als Chronist des frühen Dresdner Kinos. Bei Tagung „Urbane Kinokultur. Das Lichtspieltheater in der Großstadt zwischen 1895 und 1949“, 7./8.11.2019, Technische Sammlungen Dresden
- ↑ Carola Zeh: Die Entwicklung der Lichtspieltheater in Dresden – Standorte, Architektur, Ausstattung. Bei Tagung „Urbane Kinokultur. Das Lichtspieltheater in der Großstadt zwischen 1895 und 1949“, 7./8.11.2019, Technische Sammlungen Dresden
- ↑ Heinz Fiedler: Vom Kintopp zum modernen Lichtspielhaus. In: Stadtmuseum Dresden (Hrsg.): Dresdner Geschichtsbuch, Band 1. S. 152.
- ↑ Carola Zeh: Die Entwicklung der Lichtspieltheater in Dresden – Standorte, Architektur, Ausstattung. Bei Tagung „Urbane Kinokultur. Das Lichtspieltheater in der Großstadt zwischen 1895 und 1949“, 7./8.11.2019, Technische Sammlungen Dresden
- ↑ Carola Zeh: Lichtspieltheater in Sachsen - Entwicklung, Dokumentation und Bestandsanalyse. Hamburg 2007. S. 40.
- ↑ Heinz Fiedler: Vom Kintopp zum modernen Lichtspielhaus. In: Stadtmuseum Dresden (Hrsg.): Dresdner Geschichtsbuch, Band 1. S. 160/161.
- ↑ Iwailo Schmidt: Der unsichtbare Filmstar. Eine Liebesgeschichte aus der Epoche des Kinos. Dresden 2008, S. 91.
- ↑ Die Union, Wochenfilmprogramme 1948-50. http://www.schauburg-dresden.de/schauburg/geschichte.html
- ↑ Wieland Becker und Volker Petzold: Tarkowski trifft King Kong. Geschichte der Filmklubbewegung der DDR. Berlin 2001. S. 100.
GO [Grundorganisation] der SED der Verwaltung der Bezirksfilmdirektion Erfurt (Hrsg.): Kino gestern – heute – morgen. Ein Beitrag zur Betriebsgeschichte der Bezirksfilmdirektion Erfurt. Erfurt 1989. S. 10, 11, 14, 17, 18.
Kurt Enz: Entwicklung der Filmtheatertechnik und des Filmtheaternetzes in der DDR von 1945 bis zur Gegenwart. Berlin (Ost) 1982. S. 7, 8, 17, 41.
Michael Hanisch: Das Babylon. Geschichten um ein Berliner Kino mit Abschweifungen. Berlin 2002. S. 30–32.
5 Jahre demokratischer Aufbau in Chemnitz. Broschüre anlässlich einer gleichnamigen Ausstellung in der Industrieschule. Chemnitz, vermutlich April/Mai 1950. Kopie. S. 135.
Institut für Zeitgeschichte (Hrsg.): Inventar der Befehle des Obersten Chefs der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD) 1945–1949. München et al. 1995. S. 79, 152. - ↑ Branchen-Fernsprechbuch Bezirk Dresden 1971
- ↑ Bundesarchiv, DR 1, 14734, Studie zur perspektivischen Rekonstruktion des Filmtheaternetzes der DDR, ausgearbeitet von einer Arbeitsgruppe im Auftrag des Ministeriums für Kultur, Hauptverwaltung Film, Berlin 1968, S. 1/2. Siegfried Tippmann, ehemaliger Abteilungsleiter Technik der Bezirksfilmdirektion Karl-Marx-Stadt, 28.8.2003.
- ↑ http://www.kinokalender.com/news692_tod-von-bernd-eichinger-erschuettert-filmbranche.html. http://www.rundkino-dresden.de/html/iFrame_geschichte.htm. Sächsische Zeitung, 23.5.1991, S. 15. Laut www.rundkino-dresden.de kaufte die Ufa das Olympia.