Hochschule für Verkehrswesen
Die Hochschule für Verkehrswesen "Friedrich List" (HfV) in war als Bildungs- und Forschungseinrichtung das akademische Zentrum des Transports- und Nachrichtenwesens der DDR sowie nach der politischen Wende noch bis 1992 eine selbstständige universitäre Hochschule in Dresden. In der Spitze mit fast 4500 Studenten und etwa 1300 Beschäftigten (Stand 1972) hatte die Hochschule fast schon die Größe einer Universität. Nach Prüfung verschiedener Konzepte wurde im Herbst 1992 ein Teil der Hochschule in die Fakultät Verkehrswissenschaften an der TU Dresden überführt.
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[Bearbeiten] Geschichte
[Bearbeiten] 1. Vorgeschichte und Entstehung der Hochschule
Bereits am 29. Oktober 1949 wurde an der damaligen Technischen Hochschule Dresden die Fakultät für Wirtschafts- und Verkehrswissenschaften gegründet. Dekan wurde Wilhelm Terhoeven. Wenige Monate später, Anfang 1950 wurden die Verkehrswissenschaften als eigenständige Fakultät herausgelöst. Dekan wurde nun der damalige Minister für Verkehr der DDR, Hans Reingruber. Am 20. April 1951 erfolgte in Anwesenheit des Alterspräsidenten der Volkskammer, Otto Buchwitz die Grundsteinlegung für den Neubau der Fakultät in der Hettnerstraße, der 1993 nach der Auflösung der Hochschule den Namen des langjährigen Professors der Hochschule Gerhart Potthoffs bekam.
Etwa ein Jahr später unterzeichneten Ministerpräsident Otto Grotewohl und der Staatssekretär im Verkehrsministerium, Ernst Wollweber am 6. März 1952 die Verordnung über die Bildung einer Hochschule für Verkehrswesen. Die Bildungseinrichtung wurde direkt dem Ministerium für Verkehr (später Ministerium für Verkehrswesen) unterstellt - übrigens bis zum Ende der DDR im Jahre 1990. Die feierliche Eröffnung der Bildungseinrichtung erfolgte am 8. September 1952 durch Hans Reingruber. An der Eröffnungsfeier nahmen u.a. teil:
- Otto Nuschke, Stellvertreter des Ministerpräsidenten der DDR,
- Johannes Dieckmann, Präsident der Volkskammer,
- Walter Friedrich, Präsident der deutschen Akademie der Wissenschaften,
- Gerhard Harig, Staatssekretär für Hochschulwesen
- General Michail Paramonowitsch Woronitschew (russ.: Михаил Парамонович Вороничев), Sowjetische Kontrollkommission, späterer Deputierter des Obersten Sowjets der RSFSR.
Zum Rektor wurde Otto Jentsch ernannt. Die Hochschule erhielt das Recht folgende akademische Grade zu verleihen:
- Diplomingenieur (Dipl.-Ing.),
- Diplomwirtschaftler (Dipl. oec.),
- Doktor-Ingenieur (Dr.-Ing.),
- Doktor der Wirtschaftswissenschaften (Dr. rer. oec.).
Am 15. September 1952 wurden 288 Studenten im neuen Studiengang aufgenommen. Gleichzeitig wurden 57 Studenten aus der Fakultät der Verkehrswissenschaften der TH Dresden übernommen. Am 30. September 1952 verteidigten die ersten sechs Absolventen der Fakultät Verkehrstechnik in Anwesenheit des Ministers für Verkehr öffentlich ihre Diplomarbeiten. Unter ihnen waren auch der spätere Vizepräsident der Reichsbahndirektion Erfurt, Dieter Matthey und mit Edgar Meier einer der späteren Rektoren der HfV. Die Studenten waren zu dieser Zeit fast ausschließlich im Wohnheim Zellescher Weg untergebracht.
[Bearbeiten] 2. Entwicklung der HfV bis 1989
Am 8. April 1954 wurde der Grundstein für das neue Seminargebäude an der Hochschulstraße durch den Minister für Eisenbahnwesen Roman Chwalek und Rektor Otto Jentsch vorgenommen. Noch im gleichen Jahr begannen die Bauarbeiten für das neue Studentenwohnheim in der Schnorrstraße. Am 17. Januar 1955 wurde das Industrie-Institut (in Studentenkreisen "I-Quadrat" genannt) für 120 Erststudenten als zweite derartige Einrichtung der DDR eröffnet. Ende desgleichen Jahres erfolgte der Aushub der Baugrube für das spätere Zentrale Institutsgebäude am Bayrischen Platz (heute Friedrich-List-Platz) in unmittelbarer Nähe des Hauptbahnhofs. Der Bau dieses Gebäudes nach einem Entwurf von Richard Paulick ging aber nur sehr schleppend voran und wurde erst 1962 beendet. Der für 3.000 Studenten berechnete Komplex besteht aus einem neungeschossigen Hauptbau sowie zwei viergeschossigen Querflügeln und schließt an dem viergeschossigen Seminargebäude an der Hochschulstraße an. Der Sockel des Hauptgebäudes ist mit Sandstein verkleidet, die Fassaden sind mit Meißner Keramik verblendet[1].
1956 folgte die Eröffnung der Studentenwohnheime in der Reichenbach- und der Gutzkowstraße. Die letzten Wohnheime der HfV wurden ab 1970 in der Gerok- und der Wundtstraße (1971/72) eröffnet. Die Hochschulbibliothek mit einem großen Lesesaal in der Hettnerstraße besaß 1955 über 69000 Bände, 1961 bereits ca. 80000 Bände und 750 laufend bezogene Fachzeitschriften. Die neue Mensa in der Hochschulstraße konnte ab Oktober 1959 genutzt werden.
Zur 750-Jahr-Feier der Stadt Dresden wurde am 3. Juni 1956 mit der feierlichen Eröffnung der Sonderausstellung "Ein Streifzug durch 120 Jahre sächsischer Verkehrsgeschichte" das Verkehrsmuseum der Hochschule eröffnet, das in den ersten fertiggestellten Räumen des im 2. Weltkrieg zerstörten und nun wiederaufgebauten Johanneum untergebracht war. Erste Direktorin wurde Elfriede Rehbein. Das Museum war gleichzeitig das Labor für Wirtschafts- und Verkehrsgeschichte der Hochschule, dem Frau Rehbein ebenfalls vorstand. Mit Wirkung vom 1. April 1958 wurde das Verkehrsmuseum eine eigenständige museale Einrichtung des Ministeriums für Verkehrswesen und aus der Hochschule ausgegliedert. Die Leitung des Museums blieb jedoch bei der Hochschulprofessorin Rehbein.
Ingenieure der Verkehrshochschule entwickelten im Auftrag der Stadt das Steuergerät für die erste Ampel in Dresden. Bis 1962 stellten sie in Einzelanfertigung auch die Steuergeräte für weitere Ampeln her und passten sie den Verkehrsverhältnissen der jeweiligen Straßenkreuzung an.[2] Zum 10. Jahrestag des Bestehens wurde der Hochschule am 3. September 1962 der Namen "Friedrich List" verliehen. An diesem Staatsakt nahmen u.a. der Volkskammerpräsident Johannes Dieckmann und der Alterspräsident der Volkskammer Otto Buchwitz teil. Am 10. Oktober 1963 wurde in Anwesenheit des Betriebsleiters der Deutschen Reichsbahn, Friedrich Semper das neue Eisenbahnbetriebsfeld in der obersten Etage des Zentralen Institutsgebäudes in Betrieb genommen. Innerhalb von drei Jahren, von 1967 bis 1970, erhöhte sich die Anzahl der Direktstudenten um ca. 70% auf über 4000 Studenten.
Am 1. September 1971 entstand an der Hochschule als siebte und letzte Sektion das Militärische Transport- und Nachrichtenwesen. Damit waren bis Ende der 80er Jahre folgende Sektionen tätig:
- Sektion 1 Marxismus-Leninismus
- Sektion 2 Verkehrs- und Betriebswirtschaft
- Sektion 3 Fahrzeugtechnik
- Sektion 4 Technische Verkehrskybernetik
- Sektion 5 Verkehrsbauwesen
- Sektion 6 Mathematik, Rechentechnik und Naturwissenschaften
- Sektion 7 Militärisches Transport- und Nachrichtenwesen
1981 wurde weiterhin ein Technikum für Diagnostik und Zuverlässigkeit gegründet. Nachdem 1984 die bisherige Abteilung Fremdsprachen ebenfalls als Institut aufgewertet wurde, gab es außerdem noch zwei weitere Institute:
- Industrie-Institut (bis 1990)
- Institut für Verkehrssicherheit (bis 1991)
Die Hochschule für Verkehrswesen Dresden unterhielt zu 13 Hochschulen im Ausland partnerschaftliche und vertragliche Beziehungen. Meist waren es Hochschulen und Universitäten, die sich ebenfalls auf den Gebieten des Transport- und Nachrichtenwesens spezialisiert hatten.
Auch die Hochschulsportgemeinschaft "Lokomotive HfV Dresden" hatte beachtliche Erfolge. Die Frauen der Sektion Basketball gewannen in den 60er Jahren den DDR-Meistertitel. Die Volleyballmannschaft der Männer wurde 1960 Bezirksmeister und verblieb nach dem Aufstieg bis 1963 in der DDR-Liga.
Von 1966 bis 1968 entstanden die ersten Studentenclubs der HfV, u.a. der Club Mensa und der Gutzkowclub. Später entstanden weitere Clubs in den Studentenwohnheimen, z.B. 1973 der Club-11 in der Wundtstraße. Stadtbekannt wurde speziell in den 80er Jahren der "HfV-Fasching", ausgetragen in der Mensa.
[Bearbeiten] 3. Friedrich-List-Hochschule für Verkehrswesen (1990 bis 1992)
Bereits im Herbst 1989 begann in der Hochschule ein Selbsterneuerungsprozess, sicher auch ausgelöst durch die unweit der Hochschule entstandenen Massendemonstrationen und Unruhen am Dresdner Hauptbahnhof im Oktober 1989. Mit Beginn des Jahres 1990 wurde das Fach Marxismus-Leninismus vom Lehrplan als Pflichtfach abgesetzt. Mit dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland ging die Zuständigkeit der Hochschule für Verkehrswesen an den Freistaat Sachsen über. Die Organisation der Bildungseinrichtung musste an das Bildungssystem der Bundesrepublik angepasst werden. Somit wurden am 8. Oktober 1990 aus den noch bestehenden Sektionen die neuen Fakultäten gebildet.
In der Zeit des Umbruchs bis 1992 wurde immer wieder die Möglichkeit einer europäischen Verkehrsuniversität diskutiert. Letztlich scheiterte diese an sich zukunftsträchtige Idee auch an den finanziellen Möglichkeiten Dresdens und Sachsens, zwei Universitäten in einer Stadt zu unterhalten. Insgesamt gab es drei Zukunftsvorschläge für die Hochschule:
- 1. Friedrich-List-Fakultät für Verkehrswissenschaften an der Technischen Universität Dresden.
- 2. Europäische Verkehrsuniversität "Friedrich List" Dresden
- 3. Friedrich-List-Hochschule Dresden mit universitärer und Fachhochschulausbildung nach dem kooperativen Hochschulmodell des Freistaates Bayern[3]
Man entschied sich für die erste Variante, womit mit Wirkung vom 30. September 1992 die Friedrich-List-Hochschule aufhörte zu existieren. Allerdings ist es besonders dem im Februar 1990 neu gewählten Rektor der Technischen Universität Dresden, Günther Landgraf zu verdanken, dass der verkehrswissenschaftliche und universitäre Teil der Hochschule erhalten blieb. Gründungsdekan der neuen Fakultät an der TU Dresden wurde Günter H. Hertel.
[Bearbeiten] Rektoren der Hochschule für Verkehrswesen
- Otto Jentsch, 1952–1956
- Joachim Günther, 1956–1960
- Gerhard Rehbein, 1960–1964
- Horst-Guido Müller, 1964–1968
- Hermann Wagener, 1968–1973
- Edgar Meier, 1973–1983
- Peter Gräbner, 1984–1990
- Horst Strobel, 1990–1991
- Manfred Zschweigert, 1991–1992
[Bearbeiten] Weitere Hochschullehrer an der HfV
Hubertus Beck | Siegfried Bergström | Gerhard Bienert | Rolf Bobe | Eberhard Buzmann | Adolf Dannehl | Hermann Demmler | Gottfried Fritzsche | Helmut Goßlau | Reinhard Göttner | Herbert Heider | Johannes Hempel | Günter Jacob | Heinz Jungfer | Richard Kauczor | Johannes Klengel | Eberhard Korndörfer | Fjodor Petrowitsch Kotschnew | Horst Krampe | Herbert Kullik | Harald Kurz | Werner Kutzsche | Wilhelm Müller (HfV) | Werner von Neetzow | Günther Oppermann | Gerhart Potthoff | Elfriede Rehbein | Klaus-Jürgen Richter | Reinhold Richter | Wilhelm Semper | Max Sende | Wilfried Teuchert | Heinz Trebstein | Horst Uebel | Horst Vogel | Klaus Wächter | Alfons Wätzig | Erhard Weigel | Heinz Weis | Günter Weise | Siegfried Wiedemann | Hans-Günther Wiehler | Manfred Wießner | Waldemar Wolff | Gerhard Woschni | Richard Woschni | Helmut Zesewitz | Hansjoachim Ziem | Werner Gross
[Bearbeiten] Einzelnachweise
- ↑ Tourist Stadtführer Atlas Dresden, Herbert Wotte & Siegfried Hoyer, VEB Tourist Verlag Berlin/ Leipzig, 1978, S. 41f.
- ↑ Wochenkurier 21.12.2011
- ↑ Geschichte der Hochschule für Verkehrswesen "Friedrich List" 1990-1992 auf www.hfv-dresden.de, s.a. Weblink Traditionsseite für die Dresdner Fachschaft Verkehrswissenschaften
[Bearbeiten] Literatur
- Geschichte der Hochschule für Verkehrswesen "Friedrich List" Dresden, Prof. Dr. sc. oec. Werner Gross und Prof. Dr. sc. oec. Gerhard Rehbein, Transpress Verlag Berlin 1989, ISBN 3-344-00324-0
- Transpress-Lexikon Transport, Günter Teßmann, Hermann Wagener, Verl. f. Verkehrswesen Transpress 1981
[Bearbeiten] Weblinks
- Die deutschsprachige Wikipedia zum Thema „Hochschule für Verkehrswesen“
- Traditionsseite für die Dresdner Fachschaft Verkehrswissenschaften
- TU Dresden, Fakultät Verkehrswissenschaften "Friedrich List"
- TU Dresden, Universitätsarchiv, Bestand Hochschule für Verkehrswesen
- Verkehrswissenschaftliche Sammlung des Eisenbahnbetriebslabors